: Plasmakonserven sichergestellt
■ Die hessische Firma Biotest lieferte verseuchtes Blutplasma nach Griechenland und Saudi-Arabien / Geschäftsführer und Assistent von UB-Plasma in Untersuchungshaft genommen
Frankfurt/Main (taz/AP/dpa) – Über die hessische Arzneimittelfirma Biotest GmbH in Dreieich bei Darmstadt ist HIV-infiziertes Blutplasma auch nach Saudi-Arabien und Griechenland exportiert worden. Das jedenfalls geht aus einer Stellungnahme der hessischen Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Iris Blaul (Die Grünen) hervor. Das Ministerium hatte im Zusammenhang mit der Schließung der Koblenzer Firma UB-Plasma dort eine Überprüfung veranlaßt. Dabei hat Biotest den Behörden eine weitere Liste mit Empfängern einer Charge von Blutplasma mit der Bezeichnung PPSB aus dem Jahre 1990 übergeben müssen, die mit dem HIV-Virus infiziert war.
Nach Informationen der taz erhielt ein Mitarbeiter des mit der Überprüfung befaßten Regierungspräsidiums in Darmstadt aus dem Umfeld von Biotest einen entsprechenden Hinweis. Bei einem Vergleich dieser neuen Liste mit einer von Biotest bereits 1990 vorgelegten Liste von Empfängern, die Plasmaprodukte aus der verseuchten Charge 1601089 erhalten hatten, ergab sich eine Differenz von 350 Flaschen PPSB. Die Empfänger des von Biotest selbst hergestellten PPSB waren im Fall der bislang nicht registrierten 350 Flaschen Kliniken in Griechenland und in Saudi-Arabien. Zu den von der Staatsanwaltschaft in Darmstadt eingeleiteten Ermittlungen gegen Biotest erklärte ein Firmensprecher, daß sowohl dem Bundesgesundheitsamt (BGA) als auch dem Regierungspräsidium bereits 1990 die „vollständige Empfängerliste“ übergeben worden sei. Einen Beleg dafür konnte Biotest allerdings nicht vorlegen.
In einer von der hessischen Ministerin sofort veranlaßten Suchaktion nach dem möglicherweise HIV-verseuchten Blutplasma der Koblenzer Firma UB-Plasma-Labor GmbH wurden etwa in den Krankenhäusern von Fulda und Friedberg insgesamt 43 Beutel mit gefrorenem Plasma sichergestellt. In der Nordwest-Klinik in Fulda waren im Frühsommer drei Menschen mit dem HIV-Virus infiziert worden, nachdem sie verseuchtes Plasma von UB-Plasma erhalten hatten.
Wie der Koblenzer Oberstaatsanwalt Norbert Weise gestern mitteilte, seien inzwischen der Geschäftsführer von UB-Plasma, Ulrich Kleist, und sein Assistent Bernhard Benzien festgenommen worden. Ihnen wird Betrug und Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vorgeworfen.
Wie Weise weiter mitteilte, könne inzwischen davon ausgegangen werden, daß – nach umfangreichen Suchaktionen – alle an Kliniken ausgelieferten Plasmakonserven von UB-Plasma sichergestellt worden seien. Nach Aktenlage habe das Unternehmen exakt 53 Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen in der gesamten BRD mit Plasma beliefert. Auch in Österreich wurde Plasma von UB-Plasma beschlagnahmt.
Wie der zuständige Regierungspräsident in Koblenz bereits am Donnerstag erklärte, sei die 1985 gegründete Firma UB-Plasma „regelmäßig und vorschriftsgemäß“ überprüft worden. Dabei habe es „keinerlei Beanstandungen“ gegeben. Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Weise hat die Firma das unzulässige und unzureichende HIV-Testverfahren jedoch in den vergangenen drei bis fünf Jahren angewendet. Klaus-Peter Klingelschmitt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen