piwik no script img

Plagiate in Schulen und UnisAnnette Schavan ist überall

In Schulen und Unis wird kräftig plagiiert, sagen Schüler, Studenten und Bildungsforscher. Lehrende merken oft nicht, wenn etwas faul ist.

Selbst schreiben will gelernt sein: Schüler mit Computer. Bild: dpa

KÖLN dpa | Es wird ausgiebig plagiiert in deutschen Klassenzimmern. Nicht nur Prominente schmücken sich in ihren Doktorarbeiten mit fremden Federn, auch der Nachwuchs geht schon fleißig und oft geschickt ans Werk, sagt Plagiats-Expertin Debora Weber-Wulff.

„Früher hat man aus Büchern abgeschrieben oder abgetippt. Heute nutzen die Schüler raffiniert das Internet und fühlen sich ihren Lehrern im Netz überlegen. Und tatsächlich merken die Lehrkräfte oft nicht, dass sie im Grunde einen Text von Wikipedia vor sich haben“, berichtet die Professorin für Medieninformatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin.

Das Thema Plagiate an Schulen und Hochschulen steht im Mittelpunkt der europaweit größten Bildungsmesse Didacta. Die wird am 19. Februar in Köln eröffnet - pikanterweise von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), der die Universität Düsseldorf gerade den Doktortitel entzogen hat – wegen „vorsätzlicher Täuschung durch Plagiat“.

Bislang nicht aufgeflogen ist der Kölner Gymnasiast Leonard (15), der schon einige Male Textpassagen aus dem Web gefischt, zu einem vermeintlich eigenen Werk zusammengesetzt und dafür gute Noten kassiert hat. „Aus dem Internet kopieren? Na klar, das machen doch alle.“ In Referaten oder bei längeren Hausaufgaben fließen die per Copy and Paste gewonnenen Angaben regelmäßig mit ein – ohne dies zu kennzeichnen.

Manchmal kommt der Schwindel ans Licht: „In Geschichte sollte ein Freund sein Referat mündlich vortragen, konnte aber das Wort 'Engagement' aus seinem eigenen Text nicht aussprechen. Das war natürlich peinlich“, erzählt der Neuntklässler.

Einmal pro Halbjahr

Das Plagiieren an Schulen und Hochschulen ist so weit verbreitet, dass dringender Handlungsbedarf besteht, warnt Sebastian Sattler von der Uni Bielefeld. Etwa jeder fünfte Studierende betrüge auf diese Weise einmal pro Halbjahr, bei Schülern sei von einer ähnlichen Dimension auszugehen. Dabei variiere der Umfang von einem Absatz über ganze Seiten oder gar einen kompletten Text, manche Plagiate seien plump angefertigt, andere sehr gekonnt.

„Die Qualität der Bildung leidet auf jeden Fall“, betont der Leiter von „Fairuse“. Bei diesem Projekt werden – mit Fördermitteln aus dem Schavan-Ministerium – Motive und Methoden studentischer Plagiate erforscht.

Dass junge Leute fremde Texte als Eigenleistung ausgeben, liege an Stress, Versagensangst und der fehlenden Fähigkeit, mit Literatur und Quellen sauber umzugehen und eigene Gedanken zu formulieren. „Diese Kompetenz müssen die Schulen vermitteln und die Schüler auch mehr unterstützen bei der Anfertigung von Arbeiten.“

Mitunter fehle dem Nachwuchs das Unrechtsbewusstsein. „Man muss präventiv agieren, aber auch kontrollierend und strafend“, rät Sattler. Lehrer sollten Referate – mit vorheriger Ansage – zumindest stichprobenartig kontrollieren. Werde der Schüler überführt, sei eine Sechs angesagt.

Aufmerksames Lesen reicht nicht

Bisher hängt es vom Lehrer ab, ob Arbeiten zeitaufwendig nach geklauten Passagen durchforstet werden oder nicht. Pädagogen wittern oft, dass etwas faul ist – bei ungewöhnlicher Wortwahl oder schwierigen Fremdwörtern. Aufmerksames Lesen allein reicht trotzdem häufig nicht. „Man muss ihnen Instrumente an die Hand geben“, sagt Plagiats-Expertin Weber-Wulff, die ein E-Lernprogramm für Lehrkräfte entworfen hat. Über die Eingabe „verdächtiger“ Wörter in die Google-Suchmaschine finde man schon manchmal das wahre Original.

Es gebe zudem ein immer größeres Angebot an Plagiatfinder-Software. Die sei allerdings teuer und werde von den Schulen kaum angeschafft. Auch Weber-Wulff mahnt ein konsequentes Einschreiten an. „Andere Länder gehen gegen Plagiate von Schülern und Studierenden energischer vor.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • L
    lowandorder

    ". „Man muss präventiv agieren, aber auch kontrollierend und strafend“, rät Sattler. Lehrer sollten Referate – mit vorheriger Ansage – zumindest stichprobenartig kontrollieren. Werde der Schüler überführt, sei eine Sechs angesagt."

     

    Ja, ihr Geistesriesen - so habt ihr es gern: " kontrollieren und strafen"…"überführen und ne sechs verpassen!"

    Na Halleluja - Michael Foucault hätte seine helle Freude.

     

    Nächstens wird noch das verdeckte Entfernen des Nuckis aus dem Kinderwagen durch Entzug von Alete-kotzt-das-Kind geahndet. In echt - geht's noch?

     

    Sind doch die Übergänge ohnehin fließend:

    Hatte mir ein Referat " Emilia Galotti" gefangen,

    aber keinen Bock/Zeit. Vertraute auf mein gutfotographisches Kurzzeitgedächtnis

    und bediente mich negativschavanierend der Sekundärquelle, ohne die Primärquelle,

    das Original gar erst zu lesen.

    'Ein Ort, ein Tag' fiel mir noch ein, nicht aber das letzteres ihr Hochzeitstag war.

    Unser Elvis im weißen Staubmantel roch den Braten und belferte mit bekannt

    lispelnden Staccato: "… haben Sie das Stück überhaupt gelesen?"

    "Doch, doch - ja, durchaus, gewiß" - 'strechte' ich mich raus.

    Gerhard Hentschel hätte seine Freude gehabt, sowieso.

    Aber gleich ' ne "sechs"? - mit Bedenken 'ne "drei" richtete keinen Schaden an.

  • KK
    Karl K

    "Haste schon den Halbjahresaufsatz angefangen?" -

    "Ach was, is doch Sommer!" - " Ja und dann?"

    "Och, keine Bange, ich schreib was aus Am Jenseits ab, merkt doch keiner; Karl May - kennt der Alte doch nicht."

     

    So geschah es. Es setzte eine zwei.

    Wann? ca 1920/21. Wer ? Mein Alter, die bäuerliche Bangbüx, und großbürgerlicher Plagiator Busch.

    Letzterer las noch als Arzt Griechisch und Latein wie Deutsch ( in echt, auch und bezeugt während der Behandlungspausen). Der Direx - las kein Karl May.

    Wo? Renomiergymnasium einer Stadt, in der Hitler nicht reden durfte; was Folgen hatte.

     

    Egal; @ Sandra und Otto Huber haben meine volle Zustimmung:

    Rauchverbot, Tierpopverbot, Nejerverbot, Chinesenmädchenverbot - was denn noch so?

    Mir schavant zunehmend Übleres.

    Lernen-lernen lehren, that´s it - und wie anders soll das erst mal gehen!!?

    Legst du´s nicht aus, leg doch was unter.

     

    Picasso ist doch ohne die afrikanischen Masken gar nicht denkbar. Oder soll ich noch B.B. in´s Spiel bringen? Die Herren Persetter. Oder Jöhten?

  • L
    Ludger

    Als Lehrer glaube ich schon, einschätzen zu können, was von wem zu erwarten ist. Wer eigene Arbeiten schreiben will, muss erstmal vorhandene rezipieren, und bei vielen heißt das eben: weitgehend abschreiben. Die Leute lernen Erwachsenen-Sprache, arbeiten mit ihr; einige Kenntnisse bleiben hängen - und vor allem: die emotionale Abneigung gegen "unccoles" Wissenschaftsdeutsch wird überwunden, wenn die Ergebnisse öffentlich vorgetragen werden. Schritt für Schritt...

     

    Noten und Abschlüsse richten sich in der Schule (und zu großen Teilen auch an der Uni) ohnehin nach Klausuren und spontanen mündlichen Leistungen. Hausarbeiten sind ein "i-Tüpfelchen."

     

    Die größte Problematik sehe ich bei jungen Studierenden, die mit eigenständiger Arbeit überfordert sind. Vielleicht ist es auch übertrieben, schon im 2. Semester ernsthafte Hausarbeiten zu erwarten. "Wissenschaftliche Kreativität" sollte man doch den höheren Semestern vorbehalten...

     

    Habe übrigens den Eindruck, dass Dissertationen wohl doch die "ehrlichsten" Qualifikationsarbeiten sind: Die Schreiber sind schon weit fortgeschritten und "vorgesiebt", entsprechend auch eitel und vom eigenen Können überzeugt; dann noch die Veröffentlichungspflicht.

     

    Durch die Möglichkeiten der Computertechnik, gepaart mit Konkurrenz und Misstrauen, dürfte sich das Problem "Plagiate" ohnehin bald erledigt haben. (Abgesehen von den Altfällen, die noch auffliegen werden.)

  • L
    Ludger

    Als Lehrer glaube ich schon, einschätzen zu können, was von wem zu erwarten ist. Wer eigene Arbeiten schreiben will, muss erstmal vorhandene rezipieren, und bei vielen heißt das eben: weitgehend abschreiben. Die Leute lernen Erwachsenen-Sprache, arbeiten mit ihr; einige Kenntnisse bleiben hängen - und vor allem: die emotionale Abneigung gegen "unccoles" Wissenschaftsdeutsch wird überwunden, wenn die Ergebnisse öffentlich vorgetragen werden. Schritt für Schritt...

     

    Noten und Abschlüsse richten sich in der Schule (und zu großen Teilen auch an der Uni) ohnehin nach Klausuren und spontanen mündlichen Leistungen. Hausarbeiten sind ein "i-Tüpfelchen."

     

    Die größte Problematik sehe ich bei jungen Studierenden, die mit eigenständiger Arbeit überfordert sind. Vielleicht ist es auch übertrieben, schon im 2. Semester ernsthafte Hausarbeiten zu erwarten. "Wissenschaftliche Kreativität" sollte man doch den höheren Semestern vorbehalten...

     

    Habe übrigens den Eindruck, dass Dissertationen wohl doch die "ehrlichsten" Qualifikationsarbeiten sind: Die Schreiber sind schon weit fortgeschritten und "vorgesiebt", entsprechend auch eitel und vom eigenen Können überzeugt; dann noch die Veröffentlichungspflicht.

     

    Durch die Möglichkeiten der Computertechnik, gepaart mit Konkurrenz und Misstrauen, dürfte sich das Problem "Plagiate" ohnehin bald erledigt haben. (Abgesehen von den Altfällen, die noch auffliegen werden.)

  • K
    KARLnielz

    Komischer Artikel - ich denke - unsere Bildung ministern hätte den Beweis selbst erbracht, dass es "früher" - in Bezug auf Plagiieren - nicht besser gewesen ist.

  • B
    Boiteltoifel

    Die (Realschul-)Lehrer, die ich kenne, haben keine Probleme damit, wenn Schüler sich Informationen aus Büchern und dem Internet beschaffen. Sie möchten aber, daß die Schüler diese Quellen angeben und wären noch viel glücklicher, würde die einfach nur abgeschrieben oder kopiert, sondern der Satz in eigene Worte gefaßt werden. Während bei vielen Schülern die Aufforderung, einen eigenen Satz zu formulieren, schon zu großer Verlegenheit führen kann, bei vielen Menschen (nicht nur Schülern)stößt die Quellenangabe auf völliges Unverständnis. Das sehe ich selbst, wenn mir mal wieder jemand (Freunde, Bekannte, Kollegen) irgendwelche Zeitungsausschnitte schickt. Aus welcher Zeitung, von wann?

  • M
    Markus

    Ich finde den Artikel übertrieben. Es wird allgemein von Schülern gesprochen die sich die Texte aus dem Netz fischen. Es kann aber nur von den älteren Schülern der Vorwurf gemacht werden (wenn überhaupt), die es auch schon gelernt haben wissenschaftlich zu arbeiten. Wobei es mir hier nur um Textpassagen geht die kopiert werden und nichtum ganze Aufsätze. Dies so finde ich sollte auch unterbunden werden

  • AW
    Achim Wagenknecht

    "Es gebe zudem ein immer größeres Angebot an Plagiatfinder-Software. Die sei allerdings teuer und werde von den Schulen kaum angeschafft."

     

    Da kann ich "Anti-Plagiarism" empfehlen. Kostenlos und Open Source:

    http://ikc2.tup.km.ua/index_us.shtml

  • K
    klobürste

    "Das Thema Plagiate an Schulen und Hochschulen steht im Mittelpunkt der europaweit größten Bildungsmesse Didacta."

    Wenn die tatsächlich von einer weiter im Amt befindlichen Bundesbildungsministerin Schavan eröffnet werden sollte , müßte in diesem unseren Lande ein politisches Erdbeben stattfinden . Es würde sich zeigen müssen , welche Grenzen öffentlicher Verlogenheit , Heuchelei, Durchstecherei der politischen Klasse noch gesetzt sind .

  • TE
    Thomas Ebert

    Schüler sollen also die Standards wissenschaftlichen Arbeitens einhalten. Ab der 1. Klasse oder erst in der 2. ?

    Was für ein unsinniger Artikel!

  • A
    Arne

    Der Text ist doch plagiiert ;-)

  • G
    Genau!

    "Annette Schavan ist überall"

    und deshalb muss von oben her durchgegriffen werden- wenn Staatbeamte es sich leisten dürfen zu betrügen, darf es jeder.

     

    Eine Entschuldigung für Frau Schavan bedeutet es jedenfalls nicht.

  • DV
    Diehl Volker

    Schüler sollten besser abschreiben als gar keine Hausaufgaben machen. Wer abschreibt (insbesondere per Hand) muß das was er abschreibt erst mal Lesen und lernt dabei zwangsläufig etwas. Auch die Recherche egal ob in einer Bibliothek oder im Internet ist schließlich etwas das man lernen muß. Statt das Abschreiben zu verteufeln sollte man außerhalb von Diplom- oder Doktorarbeit das Abschreiben ruhig zulassen, solange der Abschreiber den Inhalt versteht.

    Lenislaw Stem sagt dazu: Wir leben im Zeitalter des Pseudo-Plagiats: Es ist praktisch nicht möglich etwas neues zu erfinden, über das nicht ein anderer schon geschrieben hat

  • R
    reorient

    "Dass junge Leute fremde Texte als Eigenleistung ausgeben, liege an Stress, Versagensangst und der fehlenden Fähigkeit, mit Literatur und Quellen sauber umzugehen und eigene Gedanken zu formulieren." Meines Erachtens liegt dies zuallererst an einer neoliberalen Kultur der Pragmatik und des Opportunismus, die eine peinlichst genaue Kosten-Nutzen-Rechnung in den Mittelpunkt stellt und Engagement, Verantwortung und Moral eben nicht belohnt, sondern bestraft. Solange es ihnen Groessen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft nicht anders vorleben, werden Schueler und Studenten, zumal wenn Erfolgsdruck, eine selektive Bewertung, die Quantitaet und Schnelligkeit ueber Qualitaet stellt und Anpassung ueber Originalitaet, Herkunft und Status ueber Talent, wie auch die Ellenbogenmentalitaet unserer Gesellschaft sich schon in Schule und Studium breitmachen, dazu geneigt sein, den kuerzeren, bequemeren und damit auch "rationaleren" und "effektiveren" Weg des Abschreibens zu gehen.

  • S
    Sandra

    Huch! Schüler schreiben Texte ab und haben nicht alles selbst entwickelt, erforscht oder erfunden? Was kommt als nächstes? Der Vorwurf des Duden-Plagiats wegen korrekter Orthografie? Wichtig ist ob man den Inhalt verstanden hat und nicht wo er abgeschrieben wurde.

  • OH
    Otto Huber

    Wo ist die Grenze zwischen Lernen und Plagieren?

    Wenn jetzt Schüler in diese Diskussion hineingezogen werden so zeugt das nur von Dummheit.

    Ein Dissertant behauptet gänzlich Neues gefunden zu haben. Das erfordert scharfe Prüfung. Ein Schüler ist immer dabei von Vorbildern zu lernen und dabei ist nur maßgebend,dass er das Gefundene tatsächlich versteht.