Pläne für Auffrischungsimpfungen: Spahn-Ministerium trotzt der WHO
Die WHO will mit Dritt-Impfungen warten, denn in armen Ländern fehlt Impfstoff. Das deutsche Gesundheitsministerium möchte loslegen.
Im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz hatten Bund und Länder am Montag beschlossen, bereits ab September Auffrischungsimpfungen für bestimmte Gruppen anzubieten.
WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus hatte solche Pläne am Mittwoch scharf kritisiert. „Länder mit hohen Einkommen haben 100 Impfdosen pro 100 Einwohner verabreicht“, sagte Tedros. „Gleichzeitig konnten Länder mit niedrigen Einkommen nur 1,5 Dosen pro 100 Menschen verabreichen, weil ihnen Impfstoff fehlt. Wir brauchen dringend eine Kehrtwende, so dass die Mehrheit der Impfstoffe in Länder mit niedrigen statt hohen Einkommen geht.“ Bereits begonnene Auffrischungsimpfungen sollten daher ausgesetzt und Pläne dafür bis mindestens Ende September auf Eis gelegt werden, bis wenigstens zehn Prozent der Menschen in allen Ländern der Welt geimpft seien.
Das Gesundheitsministerium will trotzdem an den Auffrischungsimpfungen ab September festhalten. Aus dem Gesundheitsmnistium hieß es auf Anfrage der taz, dass Deutschland bis Ende des Jahres mindestens 30 Millionen Impfstoffdosen an Länder spende, in denen bislang kaum geimpft werden könne. Man habe bereits in dieser Woche begonnen, erste Impfdosen an die Covax-Initiative zu verschenken. Die Covax-Initiative wurde im April 2020 von der WHO, der Europäischen Kommission und Frankreich gegründet, um eine weltweit faire Verteilung der Covid-19-Impfstoffe zu gewährleisten.
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Deutschland verzichtet auf bestellte Impfdosen
Aus Deutschland sollen laut Gesundheitsministerium in diesem 24 Millionen Impfdosen an Covax gehen und weitere 6 Millionen bilateral verschenkt werden. Darüber hinaus verzichte Deutschland im August zugunsten von anderen EU-Staaten, die noch Bedarf haben, auf die bereits vertraglich zugesicherten Impfstoffdosen des Herstellers Johnson&Johnson.
Nach den Plänen der Gesundheitsminister:innen sollen sich vor allem Immungeschwächte Patient*innen, Hochbetagte und Pflegeheimbewohner*innen frühestens sechs Monate nach der Grundimmunisierung mit einem der zugelassenen mRNA-Impfstoffe nachimpfen lassen können. In Wohneinrichtungen sollen wieder mobile Impfteams zum Einsatz kommen. Außerdem werde Menschen, die als ersten Impfschutz einen der Vektorimpfstoffe (AstraZeneca oder Johnson&Johnson) erhalten haben, eine Nachimpfung angeboten.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat bislang noch keine Empfehlung zu den Nachimpfungen ausgesprochen. Es gebe zwar Hinweise, dass die Immunreaktion gerade bei Älteren weniger stark sei und mit der Zeit nachlasse, sagte Stiko-Chef Thomas Mertens der taz im Interview. Auch bei immungeschächten Menschen und denen, die mit der Johnson&Johnson-Vakzine geimpft wurden, gebe es entsprechende Anzeichen. Die Frage, ob gerade die besonders gefährdeten älteren Menschen damit trotz Impfung schwer an Covid19 erkranken könnten, sei aber „derzeit wissenschaftlich nicht beantwortet“.
Zu den Plänen der Bundesregierung sagte Mertens: „Es muss klar gesagt werden, dass jetzt alle älteren Leute zur Nachimpfung kommen sollen, weil man denkt, das schadet nicht und weil man auf keinen Fall will, dass wieder Menschen im Altenheim sterben“. Das sei dann keine evidenzbasierte Empfehlung, sondern eine politische Vorsorgemaßnahme.
In Israel können sich schon seit einigen Tagen Menschen ab 60 Jahren nachimpfen lassen. Auch Großbritannien plant ein entsprechendes Programm.
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