: Pistole auf dem Tisch
Der Aufsichtsrat der HypoVereinsbank beschäftigt sich heute mit seinem Vorsitzenden Martini, der für die neu entdeckten Verluste verantwortlich ist ■ Von Horst Peter Wickel
Nürnberg (taz) – Wenn heute die Aufsichtsräte der Münchner HypoVereinsbank zusammenkommen, werden auch die Neunmonatszahlen des laufenden Geschäftsjahres auf dem Tisch liegen. Doch das Interesse des Gremiums wird sich auf ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO konzentrieren – und voraussichtlich werden einige Köpfe rollen. „Früher hätte man ihnen eine Pistole auf den Tisch gelegt“, zitierte der Spiegel bereits einen HypoVereinsbanker, „heute ist es nur die Rücktrittserklärung.“ Und so werden die Ex-Vorstände der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank Eberhard Martini (heute im Aufsichtsrat der HypoVereinsbank), Werner Münstermann (heute Vorstandschef der Hamburger Vereins- und Westbank), Klaus Heiss und Hans Fey wohl körperlich unversehrt den Tag der Abrechnung überstehen.
Mit ihrem Gutachten straft BDO nicht nur die Hauptverantwortlichen des geschäftlichen Desasters ab, sondern erhebt auch Vorwürfe gegen weitere Vorstandsmitglieder der Bank, gegen den Aufsichtsrat und gegen die Wirtschaftsprüfer der Hypo-Bank, Wollert-Elmendorff (Wedit). Damit ist der vorläufige Höhepunkt des bajuwarischen Bankentheaters erreicht, bei dem selbstverständlich auch dem politischen Lenker des Freistaats, Edmund Stoiber, und dem Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle passable Nebenrollen zukommen.
Zur Erinnerung: Vor rund zwei Jahren, als sich die Deutsche Bank anschickte, Aktienpakete von der Bayerischen Vereinsbank zu kaufen und damit Übernahmegerüchte förderte, ersann die Vereinsbank als Abwehrstrategie den Zusammenschluss mit dem örtlichen Konkurrenten, der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank. Schon zum damaligen Zeitpunkt wiesen die Investmentbanker von J.P. Morgan auf die schwache Qualität und die Risiken bei der Hypo hin, und Beobachter konnten in dem Zusammengehen zweier großer Regionalbanken mit ähnlichen geschäftlichen Schwerpunkten keinen Sinn erkennen. Allerdings fand Großaktionär Allianz Gefallen an der Fusion, und Edmund Stoiber sah in der bayerischen Großbank (Nummer zwei in Deutschland) eine gute Chance, um den Finanzplatz München zu stärken.
Schon zum damaligen Zeitpunkt war es den Hypo-Vorständen nur mit zahlreichen bilanziellen Tricks, die auch beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen aufgefallen waren, gelungen, die Hypo-Bank nach außen als gesunde Bank darzustellen. Vor allem in den neuen Bundesländern hatte sich die Hypo-Bank kräftig verkalkuliert und durch risikoreiche Immobiliengeschäfte immense Verluste eingefahren. 3,5 Milliarden Mark seien 1997 verloren gegangen, hatte HypoVereinsbank-Chef Albrecht Schmidt im Oktober 1998 eingeräumt. Weit unterschätzt, urteilt das BDO-Gutachten. Um 3,629 Milliarden Mark habe die Hypo-Bank ihre Risikovorsorge zu niedrig angesetzt.
Die wahren Risiken, so das jetzt erstellte Sondergutachten von BDO, hätten ein Mehrfaches des Jahresüberschusses betragen und ein Drittel des bilanziellen Eigenkapitals der Bank überstiegen. Beim Zusammenschluss der beiden Banken war schnell erkennbar, wer die Führungsrolle in der neuen HypoVereinsbank übernahm. Zwei Drittel der Vorstände sind ehemalige Vereinsbanker, auch auf den weiteren Managementebenen erhielten die Gefolgsleute von Vereinsbank-Chef Schmidt den Vorzug. Die trickreichen Missetäter aus dem Hypo-Vorstand, bei denen Anfang des Jahres auch die Staatsanwaltschaft auftauchte, wurden nach Möglichkeit entsorgt oder abgeschoben.
Zwar hatte die Vereinsbank-Führung bereits 1997 geahnt, dass die Bilanz der Hypo-Bank noch einige Überraschungen enthalten könnte, doch zeigte sich der neue Bankchef Schmidt dann doch persönlich enttäuscht und wütend über das Ausmaß der aufgelaufenen Verluste und Risiken. Ohnehin hatte der geradlinige, in Sachsen geborene Vorzeigebanker zum Hypo-Bank-Vorstand Martini nie einen persönlichen Draht gefunden. Mit dem verheerenden Sondergutachten von BDO wird nun die Basis für die Entlastung des HypoVereinsbank-Vorstands auf einer außerordentlichen Hauptversammlung in diesem Jahr geschaffen.
Einge Aktionäre haben bereits Klage gegen die vollzogene Fusion und die damit verbundenen Eintauschquoten für die Aktien eingereicht.
Die Gutachter von BDO geben ihnen jedoch wenig Chancen: auch wenn die Hypo-Bank zum Zeitpunkt der Fusion überbewertet wurde, gebe es an der Rechtmäßigkeit der Fusion keine Zweifel. Auch die Aussichten, die Bilanztrickser der Hypo-Bank nachträglich zur Rechenschaft ziehen zu können, sind eher schlecht. Die bewährten Entsorgungsmechanismen für gescheiterte Manager in Deutschland werden auch bei Martini & Co. funktionieren.
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