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Piratenpartei im InhaltecheckAusweise ohne Geschlechtsangaben

Für Piraten ist Familie da, wo sich Erwachsene um Kinder und Alte kümmern. Die Partei will das Ehegattensplitting abschaffen sowie Homosexuellen Adoptionen erleichtern.

„Mein Papa ist Piratenkapitän“: Michele Marsching ist Chef der NRW-Piraten und in Elternzeit. Bild: dpa

BERLIN taz | Sie stehen für eine „zeitgemäße Geschlechter- und Familienpolitik“, sagen die Piraten. In ihrem Grundsatzprogramm heißt es dann auch tatsächlich, die Partei wolle sich für die „gleichwertige Anerkennung von Lebensmodellen“ einsetzen, in denen „Menschen füreinander Verantwortung übernehmen“. Sie will auch das Ehegattensplitting abschaffen und die „vollständige rechtliche Gleichstellung von Ehe und eingetragener Partnerschaft“ erreichen.

Anders gesagt: Die Piraten wollen Familien unterstützen. Und Familie ist sie da, wo Kinder, alte und hilfebedürftige Menschen betreut werden – unabhängig davon, ob die betreuenden Erwachsenen miteinander verheiratet oder verpartnert sind oder ob sie ohne Bescheinigung miteinander leben.

„Die Ehe zwischen Mann und Frau darf nicht als besondere Institution gegenüber anderen Lebensformen hervorgehoben werden“, sagt Michele Marsching. Der 33-Jährige ist Piraten-Chef in Nordrhein-Westfalen, verheiratet und Vater eines knapp einjährigen Pflegekindes. In letzter Zeit sieht man Marsching, der gerade in Elternzeit ist, oft im Fernsehen: Er schiebt den Buggy mit seinem Sohn vor sich her, an seiner Seite trottet der Familienhund. Marschings Frau, eine Lehrerin, verdient den Hauptanteil des Familieneinkommens.

Der Piratencheck

Die Piraten – nur eine Ein-Themen-Partei? Die taz überprüft das Vorurteil und betrachtet in einer Serie die inhaltlichen Vorstellungen der Piratenpartei jenseits der Netzpolitik. In loser Folge geht es um die Positionen der Piraten bei den Themen Bildung, Umwelt und Verkehr, Migration etc. Heute: Familienpolitik.

Einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge haben die Piraten mit 13 Prozent Zustimmung jetzt die Grünen überholt. Der anhaltende Höhenflug bereitet den etablierten Parteien zunehmend Kopfzerbrechen. Fieberhaft wird in den Parteizentralen nach der richtigen Strategie zum Umgang mit der neuen Konkurrenz und ihrem großen Thema Netzpolitik gesucht. (taz)

Ein ungewöhnliches Bild. Die Piraten gelten als Partei, für die Themen wie Gender, Familie und Kinder aufgrund ihrer Lebens- und Interessenlage eine eher untergeordnete Rolle spielen. Gerade tobt ein interner Streit um „Sexismus und Rassismus“: Frauen wurden als „zu hübsch“ beschrieben, um ernst genommen zu werden, über andere hieß es, sie gehörten „richtig hart durchgefickt“, damit sie sich „entspannen“, kritisierten PiratInnen in einem offenen Brief in diesen Tagen.

Männlich, jung und kinderlos

Piraten sind überwiegend männlich, jung und kinderlos. Die Funktionäre Marsching und die beiden Berliner Vorstände Christine Schinkel und Anisa Flieger haben also nicht nur ihr Amt auszufüllen, sondern auch für das „Familiäre“ herzuhalten. Schinkel und Flieger haben Kinder, Flieger ist sogar zweifache Mutter. „Auch wenn viele PiratInnen noch keine Kinder haben, ist es für sie essenziell, dass es sinnvolle Rahmenbedingungen gibt“, sagt Piratin Laura Dornheim.

Und was sagt die Partei zum Betreuungsgeld, das derzeit heftig debattiert wird? Sie schweigt.

Vieles von dem, was die Piraten fordern, findet sich auch bei Grünen, SPD und Linkspartei. Dazu zählt auch, dass es für Homosexuelle leichter sein soll, Kinder zu adoptieren. Neu indes ist die Ablehnung des „Merkmals ’Geschlecht‘ durch staatliche Behörden“: Im Personalausweis soll nicht (mehr) stehen, ob jemand weiblich, männlich, inter- oder transsexuell ist. Marsching sagt: „Es geht um den Wert des Menschen und nicht um sein Geschlecht.“

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16 Kommentare

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  • M
    Martin

    Der deutsche Personalausweis enthält keine Angabe zum Geschlecht, weder der alte noch der neue (ePerso).

     

    Der deutsche Reisepass enthält aber eine Angabe zum Geschlecht (M/F). Einige Länder, darunter England und Australien, überlegen schon, diese Angabe wegzulassen oder durch eine weitere Option (X) zu erweitern.

     

    Was der Artikel auslässt, sind die unmittelbaren Probleme. Etwa bei der Einreise in weniger tolerante Staaten, wo bei Abweichung der Geschlechtsangabe vom Vornamen schonmal Schwierigkeiten gemacht werden. Oder bei der Eintragung von Lebenspartnerschaften, wo streng die Geschlechtsangabe aus dem Melderegister herangezogen wird. Da geht es nicht um ein diffuses Gefühl der Diskriminierung, sondern um echte Probleme mit echten Auswirkungen auf die Lebensgestaltung der Betroffenen.

  • M
    Martin

    Also in meinem Ausweis finde ich keine Angabe zum Geschlecht. Muss ich mir Sorgen machen? WAS VERSCHWEIGT MIR MEINE MUTTI?!?

  • F
    Fritz

    Lachhaft, als könnte man das Geschlecht dadurch abschaffen, dass man es nicht erwähnt.

  • R
    RaZi

    Jawohl!!!Die Piraten lüften endlich mal unsere staubtrockene verkrustete politische Landschaft richtig durch...:)Weg mit dem Mief...vieleicht erlebe ich es ja doch noch und kann meine Tüten legal wickeln...)Schwarz,rot,dunkelrot,grün und gelb zieht Euch warm an,die Generation 2.0 wird euch gebügelten Affen das fürchten lernen.piraten hart Backbord,fertig machen zum entern...!!!!!

  • M
    Matt

    Hat Johnny Depp schon jemanden adoptiert, der ist doch auch ein schwuler Pirat.Ich melde mich freiwillig

  • R
    Rizo

    Naja, dann sollte man konsequenterweise auch das Geburtsdatum aus dem Perso streichen - am Ende wird sonst ja jemand wegen seinem Alter diskriminiert (Stichwort: "Ageism").

    Staatsbürgerschaft darf auch nicht erwähnt werden, das wäre ja rassistisch.

     

    Überhaupt fühle ich mich totaaal bevormundet wegen meines Vor- und Nachnamens. Den hab ich mir nämlich nicht ausgesucht - der wurde mir ungefragt auf´s Auge gedrückt als ich noch ein kleines Baby war! Sauerei! Voll faschomäßig, ey!

    => Entweder ersatzlos streichen, oder die jederzeit freie Wahl des Vor- und Nachnamens einführen.

  • D
    D.J.

    @D.J.:

     

    "Postgender scheint auch nicht alberner zu sein als oft ohne Post."

     

    Sorry, muss natürlich heißen "nicht weniger albern"

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Ein Personalausweis soll ein Dokument sein, mit dem eine Identifizierung des Inhabers möglich ist. Wie will man Menschen auseinanderhalten, wenn jeder nur noch eine Karte besitzt auf der "Mensch" steht?

    Mit meinen persönlichen Daten auf meinem Perso kann ich mich nicht so wirklich identifizieren. Zu klein, zu alt, zur Geburtsstadt keinen Bezug, würde gerne in einer anderen Strasse wohnen, und das Foto erstmal...

    Wie wäre es, wenn alles so bliebe, wie es ist und jeder noch eine Wunschkarte bekäme, wo er alles nach seinen Wünschen eintragen könnte?

  • A
    aurorua

    Die hätten sich nicht PIRATEN nennen sollen, sondern PICKER, diese Volloportunisten picken sich doch lediglich aus den Programmen der etablierten Parteien die Rosinen heraus. Aber da die Volksverblödung durch ein völlig verkommenes Schulsystem und die Reizüberflutung moderner Medien ständig zunimmt, merkt mal wieder keiner was.

  • B
    Bachsau

    Ist das Konsens oder die Meinung Einzelner? Die Augenfarbe steht auch im Ausweiß, einfach als biologisches Merkmal. Das Geschlecht aus dem Ausweiß zu nehmen, ist der falsche Weg, um Gleichstellung zu erreichen. Eher öffnet es dem Wahnsinn von Transsexuellen Tür und Tor. Nicht falsch verstehen – Es ist völlig okay, dass jeder so leben kann wie er möchte. Aber nur weil man aus der "Rolle" fällt, oder nicht den Klischees entspricht, ändert sich dadurch nicht das körperliche Geschlecht. Umwandlungen finden auch nur deshalb statt, weil die Betroffenen sich nicht mit der Ihnen aufgezwängten Rolle arrangieren können, nich wegen eines körperlichen Merkmals. Nicht umsonst beschränken sich viele nur "sichtbare" Änderungen.

  • D
    D.J.

    Wenn ich es richtig sehe, wird dann zukünftig bei Fahndungen auch nicht mehr das Geschlecht angegeben, da das sexistisch wäre?

    Postgender scheint auch nicht alberner zu sein als oft ohne Post.

    Mannomann, diese Witzfiguren habe ich mal gewählt - schäm.

  • N
    NOGender

    Ausweise ohne Geschlechterangaben

    Adaption für Homosexuelle

    Frauenquote

    Unbegrenzter Zuzug von Ausländern

    Wahlrecht für Ausländer

    Sexismusdebatte

    Kritische Sicht auf Ausländer unerwünscht, dafür aber kritische Sicht auf das eigene Land erwünscht

     

     

    Und wieder ist eine Partei, vollgestopft mit GenderiditotInnen und MultiKultifreundInnen, UNWÄHLBAR.

  • S
    Spike

    "Es geht um den Wert des Menschen, nicht um sein Geschlecht!"

     

    Was soll mir dieser Satz sagen? So wie ich das sehe haben Menschen verschiedene Geschlechter aber keinen unterschiedlichen Wert. Wert für wen?

  • M
    meisterkleister

    Wo steht denn auf dem Perso (heute) das Geschlecht? Ich meine den klassischen Perso, nicht den neuen im Kreditkartenformat...

  • E
    emil

    glaube nicht, dass solche schönen dinge auf hoher see mehrheitsfähig sind.

    über das netz hinaus ist die truppe doch ähnlich stockig wie die csu.

  • EL
    Ernst lehmann

    "Es geht um den Wert des Menschen und nicht um sein Geschlecht". Selten so einen Schwachsinn gelesen.

    Wenn es bei dem amtlichen Doukment Personalausweis um den "Wert des Menschen" geht, warum beschweren sich die Piraten dann nicht über die Angaben Name, Körpergroesse, Perso-Nummer, Adresse und Nationalität? Und wo bitteschön ist auf dem Personalausweis der Wert des Menschen vermerkt?