Piraten vor Gericht: Die Indizien ins Meer geworfen
Im kenianischen Mombasa beginnt ein Musterprozess gegen mutmaßliche somalische Piraten. Die Bedingungen sind schwierig, das Verfahren droht zur Farce zu werden.
NAIROBI taz | So viele deutsche Journalisten quetschten sich am Mittwochmorgen in den Saal 4 des Gerichtshofs von Mombasa, dass für die Angeklagten kaum noch Platz war. Zwei der neun mutmaßlichen somalischen Piraten, die sich wegen eines Angriffs auf den deutschen Frachter "Courier" Anfang März verantworten müssen, fanden nur Platz im Zuschauerraum, weil die Anklagebank zu kurz war.
Während Deckenventilatoren die stickige Luft verrührten, stellte die Richterin Personalien fest und schrieb nebenher das Sitzungsprotokoll. Die Somalis in blauen Overalls, die seit dem 10. März in Mombasas Gefängnis Shimolatewa sitzen, schauten entspannter, nachdem sie sich an die Kameras gewöhnt hatten. Ihr Verteidiger Jared Magolo plädiert auf "nicht schuldig". "Man hat die Falschen festgenommen", so der Kenianer. Die Deutschen hätten ein Boot aufgegriffen, das nur zufällig in der Nähe gewesen sei. "Dass Waffen an Bord waren, macht meine Mandanten nicht zu Kriminellen."
Zumal liegen diese Waffen als Beweisstücke nicht vor: die Besatzung der deutschen Fregatte "Rheinland-Pfalz" hatte sie nach der Festnahme ins Meer geworfen - aus Sicherheitsgründen. Zwei deutsche Rechtsanwälte, die die Somalis gerne vertreten hätten, schickten am Mittwoch nur einen Beobachter: Das Gericht hatte ihnen die Zulassung verweigert.
In quälender Langsamkeit berichteten der Pilot eines US-Militärhubschraubers und zwei Soldaten der deutschen Marine über die Vorkommnisse vor Somalia - schließlich muss jeder Satz ins Somalische übersetzt werden. Beobachter befürchten, dass der Prozess sich deshalb über Wochen oder Monate hinziehen könnte. Kurz nach Mittag vertagte sich das Gericht. Am heutigen Donnerstag soll unter anderem der philippinische Kapitän der "Courier" aussagen. Er hatte am 3. März um kurz nach 7 Uhr früh einen Funkspruch ausgesandt, als das Schiff im Golf von Aden mit Panzerfäusten und Gewehren angegriffen wurde. Die nicht weit entfernte "Rheinland-Pfalz" verjagte die Angreifer mit einem Militärhubschrauber und nahm die Verfolgung auf. Kurze Zeit später wurde das Boot der mutmaßlichen Angreifer aufgegriffen, die Insassen wurden festgenommen.
Mit Argusaugen wachten Vertreter der Bundesrepublik Deutschland über den Prozess. Der deutsche Botschafter in Kenia, Walter Lindner, sagte, nachdem er den ersten Tag miterlebt hatte: "Aus meiner Sicht läuft der Prozess gut, wir müssen aber trotzdem immer ein Auge darauf haben, dass Mindestnormen eingehalten werden." Andrew Mwangura vom "Seefahrer-Hilfsprogramm" in Mombasa weist allerdings auf die erbärmlichen Haftbedingungen in Kenia hin: "Nur wenn man jemanden kennt, der Geld ins Gefängnis schmuggelt, wird man besser behandelt."
Insgesamt sitzen in Mombasa 52 mutmaßliche Piraten ein. Eine Gruppe, die schon 2006 von der US-Marine überstellt wurde, wartet seit über einem Jahr auf ein Berufungsverfahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!