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Piraten in NiedersachsenDer Obertroll

Volker Schendel ist ein Querulant unter den niedersächsischen Piraten: Er kämpft dagegen, dass die eigene Partei zur Landtagswahl zugelassen wird.

Ministerialrat a.D. Volker Schendel ist ein Experte für Formfehler Bild: privat

HANNOVER taz | Querulanten in den eigenen Reihen nennen die Piraten allgemein „Trolle“. In Niedersachsen aber brauchen sie dazu zwei Worte: Volker Schendel. Seitdem der 63-Jährige 2011 beigetreten ist, sorgt er in der Partei für Ärger. Am Freitag kam es zum vorläufigen Höhepunkt: Der Landeswahlausschuss prüfte besonders genau, ob er die Piraten zur Landtagswahl 2013 zulässt – Schendel hatte die Aufstellung der Kandidatenliste angefochten.

Eine ganze Liste vermeintlicher Verfahrensfehler hatte er dort eingereicht. Der Ausschuss wies alle zurück: Es gebe „keine wahlrechtlichen Bedenken“, war das Fazit. Zuvor war Schendel mit seinen Anfechtungen erfolgreicher: Dass die erste Listenwahl im April wegen Formfehlern annulliert wurde, geht auf ihn zurück. Es brauchte Monate, bis die Landesliste stand. Zeitweise gab es Zweifel, ob sich die Piraten bis zur Wahl überhaupt sortiert bekommen.

Der Landesvorstand schimpfte über „gekränkte Egos“, „Leute, die sich für Listenplätze beworben haben, aber nicht gewählt wurden“ – wie Schendel, der quasi gegen jeden Parteibeschluss vorgeht. Ein Ausschlussverfahren gab es bereits. Es folgten Schlichtungsgespräche, Friedenspflicht. Diese Woche löschte Schendel sämtliche Dokumente der Hannover-Piraten im Internet – eine „Frustaktion“, sagte er der Presse. Jetzt strebt man erneut den Ausschluss an. Und Schendel, der schon bei CDU, Grünen, PDS und FDP Mitglied war, droht eine Anzeige.

Dabei liest sich seine Biografie zunächst seriös: Banklehre, Jurastudium, 25 Jahre Verwaltungsbeamter in Niedersachsen, zuletzt als Ministerialrat im Wirtschaftsministerium, seit 2004 einstweiliger Ruhestand. Heute ist er Präsident der Stiftung „Astrologie und Erkenntnis“, gibt die gleichnamige Schriftenreihe heraus. Ganze Abhandlungen über Astrologie hat er verfasst, ebenso über seine Erfahrungen bei den Piraten: 72 Euro kosten seine 600 Seiten über deren „Wahlrechtsverstöße“.

Seine Schlappe vor dem Wahlausschuss will Schendel nicht hinnehmen. Die „möglicherweise politisch induzierte“ Entscheidung will er vom Landesverfassungsgericht überprüfen lassen. Nach der Wahl, mit einem Anfechtungsverfahren.

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7 Kommentare

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  • JP
    Jörg Pfannschmidt

    Es ist wirklich erschüternd und beschämend, wenn man erkennen muss, das haltlose und juristisch irrelevante Thesen die Arbeit vieler, ehrenamtlich in der Partei tätiger Mitglieder einfach nur zerstören soll, weil man es selbst nicht schaffte, sich konstruktiv in die Arbeit einzubinden.

    Natürlich ist es menschlich,wenn man verletzt und enttäuscht darüber ist, andere nicht für sich selbst begeistern zu können,jedoch ist die wahre Stärke und die einzige, lobenswerte Charaktereigenschaft jene, dass man erkennt,wenn man falsch lag und sich nach einer Niederlage aufrappelt , diese einzugestehen und sich dann produktiv und helfend den parteilichen Aufgaben widmet.

    Eine ganz gewiss sichere Erkenntnis aus diesem Vorfall ist die Tatsache, das die Piratenpartei wohl ein probateres Mittel benötigt, um effizienter und möglichst dann zeitnah unerwünschte, die Partei massivst schädigende Mitglieder eben aus selbiger wieder entfernen zu können, und zwar ebenso schnell, wie es den Bürgern auch eingeräumt und gestattet wird, dort Mitglied zu werden.

    Das wäre eine faire Gleichbehandlung zwischen Mitgliedschaft und Ende der Mitgliedschaft.

    Wir alle haben jedenfalls vollumfänglich sehr dazu lernen dürfen / müssen / können !

    Euer Jörg Pfannschmidt

  • E
    EinExkollege

    Dass mir die Piraten noch einmal leid tun würden, hätte ich nicht gedacht. Wer diesen Nostradamus für Arme in seinen Reihen hat, braucht eigentlich keinen politischen Gegner mehr.

  • NT
    Nils Thoma

    Ich finde es auch bedenklich, dass in Niedersachsen Personen ganz oben auf die Landesliste kommen, die gerade mal für ganz wenige Monate in der Partei sind.

    Ich erahne das Parteikarrieristentum, Personen die viel "Kreide fresse" um auf die begehte Liste zu kommen um einen gut bezahlten Job für vier Jahre im Landtag zu erhaschen.

    Nur diese Positionen "lohnen" sich - nicht die ehrenamtliche Mitarbeit in regionalen Vorständen.

  • W
    wauz

    Auf die Worte achten!

     

    Querulant ist ein Naziwort geworden. Oft genug als Rechtfertigung zum Einliefern ins "Lager". Daher sollte man dieses Wort meidem.

    Troll trifft es aber genau. Sicherlich ist es gut, wenn Mitglieder aufpassen, dass Formalien eingehalten haben. Aber das kann auch destruktiv werden. Hier scheint das der Fall zu sein. Die Piraten sollten sich dieses Typen schnellstmöglich entledigen.

  • E
    EinPirat

    Ich habe jahrelang mit Volker Schendel zusammengearbeitet; er ist ein pathologischer Querulant.

  • TG
    Thomas Gaul

    Das die AV in Nienburg wiederholt wurde war nicht der Verdienst von Herrn Schendel. Es waren mind. 2 Piraten akkreditiert die nicht stimmberechtigt waren. Dies ist erfolgreich durch ein anderes Mitglied angefochten worden.

     

    Der Landesvorstand konnte dies nach Prüfung leider nur bestätigen. Das Schiedsgericht hat in Folge die AV für ungültig erklärt. Das Verfahren Schendel hatte sich hierdurch de facto erledigt.

  • AN
    Andreas Neugebauer

    In anderen Orten schreiben zornige, alte Männer mit viel Freizeit Falschparker und Rettungshubschrauber auf. In Niedersachsen überziehen sie Parteien mit Prozessen. So ist das halt im Leben. Leider kam bisher außer wild ge"guttenbergter" Texte nichts verwertbares dabei heraus. So wird sich dieser unsympathische Zeitgenosse wohl jetzt ein neues Feld zum "trollen" suchen müssen. Bei uns ist jetzt Schluss damit.