piwik no script img

Piraten beschließen ihr WahlprogrammGrundeinkommen und freier ÖPNV

Am Sonnabend bringen die Piraten auf ihrem Parteitag ein progressives Wahlprogramm auf den Weg. Die Entscheidung über Online-Parteitage ist noch immer nicht gefallen.

Wirklich alle waren gekommen. Alle? Alle! Bild: dpa

NEUMARKT dpa | Grundeinkommen für jeden, Volksentscheide und kostenloser Nahverkehr: Die kriselnde Piratenpartei grenzt sich mit ihrem Wahlprogramm deutlich von der etablierten Konkurrenz ab. Die Internet-Aktivisten beschlossen auf ihrem Parteitag im bayerischen Neumarkt aber auch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Hier liegen sie auf einer Linie mit SPD, Grünen, Linken und Gewerkschaften. Beim Thema Drogen zeigen sich die Piraten liberal: Der Besitz von 30 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum soll straffrei sein.

Am Samstagabend steht der Partei allerdings noch eine Zerreißprobe bevor. Nach jahrelanger Debatte wollten die rund 1.200 Piraten in Neumarkt darüber entscheiden, ob künftig alle Mitglieder auf „Online-Parteitagen“ verbindlich den inhaltlichen Kurs vorgeben können. Dazu lagen zahlreiche Anträge vor. Vize-Parteichef Sebastian Nerz warnte vor einem Schnellschuss bei der „Ständigen Mitgliederversammlung“ (SMV). „Wir stehen nicht unter Zeitdruck, das noch vor der Bundestagswahl zu beschließen“, sagte er Spiegel Online.

Andere führende Piraten wollen die SMV unbedingt als Alleinstellungsmerkmal der Partei im Wahlkampf. So sagte der Berliner Abgeordnete Christopher Lauer: „Wir können auch eine Piratenpartei mit SMV und eine ohne machen und gucken, wer bei Wahlen erfolgreich ist.“ Die neue Geschäftsführerin Katharina Nocun betonte dagegen, die Online-Beteiligung sei nur einer von vielen Aspekten für den Bundestagswahlkampf. „Wir haben auch andere Alleinstellungsmerkmale.“ Derzeit sind die Piraten laut Umfragen vom Einzug in den Bundestag weit entfernt.

Das verunsichert Nocun nicht. Sollte es mit dem Bundestag im September nicht klappen, sei das kein Weltuntergang. „Nee, Quatsch. Die Piratenpartei ist ein langfristiges Projekt“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa.

Grundeinkommen nicht festgelegt

Mit der Zahlung eines bedingungslosen, monatlichen Grundeinkommens wollen die Piraten das Sozialsystem radikal umbauen. Die Leistung müsse seriös finanziert werden. Eine konkrete Summe wird im Programm deshalb nicht genannt. Im Gespräch waren früher etwa 1.000 Euro.

Beim Datenschutz will die Partei die Rechte der Bürger stärken. Die staatliche Überwachung soll zurückgedrängt, der Einsatz von Schnüffel-Software (Trojaner) zum Ausspähen von Daten verboten werden. Meinungsäußerungen in „digitalen Netzwerken“ sollen grundgesetzlich geschützt sein. Eine Kehrtwende verlangen die Piraten im Nahverkehr. Bus und Bahn sollen nichts kosten, sondern aus Steuermitteln finanziert werden. Bei der Energiewende sollen die Milliarden-Rabatte für die Industrie bei der Ökostromumlage gekappt werden.

Die Piratenpartei war nach vielen internen Querelen in Umfragen deutlich abgestürzt. Nach einst 13 Prozent kommt sie derzeit nur noch auf 2 Prozent Zustimmung. Anfang des Jahres scheiterten die Piraten bei der Landtagswahl in Niedersachsen mit 2,1 Prozent deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Gleiches droht der jungen Partei, die nach eigenen Angaben rund 32.000 Mitglieder in der Datenbank hat, auch am 22. September auf Bundesebene.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • F
    Fränkli

    Das Grundeinkommen müsse "seriös finanziert" werden... da kann man den Piraten nur wünschen, sie emanzipieren sich von den herrschenden Vorstellungen über "seriöse Finanzierung".

     

    http://le-bohemien.net/2013/08/29/woher-das-geld/

  • T
    tomas

    liebe taz, die piraten wollen keinen kostenlosen ÖPNV, sondern einen

    FAHRSCHEINLOSEN ÖPNV, der ÖPNV wird dann über die steuern finanziert...,

    und für das grundeinkommen sind die menschen in unserem land noch

    nicht bereit, da die meisten garnicht verstehen in welch einer gesellschaft wir dann leben würden..., bitte informiert euch erstmal...,

    und bitte die anmerkung von @taz beachten liebe taz, auch der anmerkung von MELLI kann nur zustimmen...,

    bis denne

  • FB
    Franz Beer

    Ich hätte mir von den Piraten ein mehr an der Realität angelehntes Grundsatzprogramm versprochen.Grundeinkommen?Wie wäre es denn erstmal mit einer Mindestrente.Altersarmut,H4,Rechtes Gedankengut,usw usw.Ich denke mal das ein Programm von den Piraten umsetzbar ist,allerdings nur von Politikern die auch die Gesellschaftlichen Realitäten sehen,und nicht irgendwelchen weltverbesserungsfanatikern.Frage ist auch ,wie und wer soll das alles finanzieren.Thema Cannabis,Legalisieren und Steuern drauf.Längst überfällig.Aber mit einem Kritischen blick darauf und nicht alles durch die rosa Brille sehen

  • M
    Melli

    Ihr, die ihr Netzdemokratie albern findet: Warum gebt ihr eure Kommentare ONLINE ab?

  • AG
    Anton Gorodezky

    @Rainer David W. Früh

    Ich nehme selbst kein Cannabis, allerdings könnte die entspannende Wirkung Ihnen gut tun. Gut tun könnte Ihnen auch, sich mit dem Unterschied zwischen Steuern und Gebühren auseinanderzusetzen.

  • RD
    Rainer David W. Früh

    @Anton Gorodetzky:

     

    Richtig, gut aufgepasst, die Straßen werden mit Steuergeldern gebaut!

    Und wie heißen die Steuern, von denen die Straßen gebaut werden (und vieles andere ohne Bezug zum PKW auch), Herr Gorodetzky???

    Richtig, KFZ-Steuer und Mineralölsteuer!!!!

    Setzen, Herr Gorodetzky!

     

    Mann, Mann ,Mann, manchmal glaube ich, das mit dem Cannabis wirkt jetzt schon!!!

  • PA
    Pudding Attentat

    Wie sich die Piraten so quasi-religiös um ihre Geräte versammeln,erinnert mich doch sehr an Pfadfinder, 50er Jahre, statt Dosen und Kisten warens Gulasch-und Erbsensuppenkochtöpfe (ja, genau, damals bin ich zum Vegetarier geworden).

     

    Ich wäre deshalb für körperlich-sinnliche Abstimmungen statt abstrakter Klicks. Einem Menschen ganz zu begegnen, mit Augen und Ohren, mit Berührung und Umarmung, mit Ärger und Witz, Streit und Sanftmut -

    macht einfach mehr Spaß als diese vollkommen verkopften Debatten. Also ein bisschen geisteskrank sind sie schon jetzt - aber ihr Programm ist frisch und radikal, Einzelne von ihnen in Berlin arbeiten richtig gut.

  • S
    Soiset

    Die THC-Legalisierung hätte enorm positiven ökologisch sinnvollen Einfluß auf den Kfz-Verbrauch:

     

    Konsumentinnen müssen nicht mehr extra nach Holland oder in die Tschechei fahren.

  • T
    @taz

    Bitte keine rassistischen Kommentare wie die von Marc (12.05.2013 10:01 Uhr) tolerieren!

  • DV
    Deutschland Verrecke

    Grundeinkommen läßt sich nur durch das imperialistische System sicher stellen, genauso wie Online-"Kommunikation", Computernetzwerke, Schiffs-, Auto- und Flugverkehr und ganz eigentlich das Wirtschaftswunder BRD überhaupt, für das Millionen elendig verrecken müssen.

    Somit zeigt sich der Pirat endlich mal als solcher, nämlich als kapitalistischer.

  • G
    Georg

    Schreibt doch gleich ein linkes Märchenbuch.

  • B
    broxx

    ich tip mal 3%. Und das ist gut so. Grundeinkommen-wie soll das funktionieren? Nur für Deutsche? Oder wieder für den Rest der Welt?

  • M
    Marc

    So ein bedingsloses Einkommen von 1.000€ pro Nase ist schon eine feine Sache, denkt sich da der rumänische Sippenanführer eines Sinti und Romas Clans und wägt ab. Mit ihm dürften sich die abwägende Frage noch Millionen Andere in der ganzen Welt stellen. Deutschland ein Schlaraffenland für Lauschöpper jeder Art und kostenlosen ÖPNV noch obendrauf, damit der eine Lauschöpper den anderen Lauschöpper noch kostenlos besuchen kann, damit man sich die 30 Gramm durch die Birne ziehen kann.

  • A
    AntonGorodezky

    Das Grundeinkommen hat doch einen entscheidenden Konstruktionsfehler: das Wirtschaftssystem bricht zusammen, wenn alle Bürger gleichzeitig von ihrem Recht Gebrauch machen, ein leistungsloses Einkommen zu beziehen.

    Hohe Einkommen reguliert man durch Steuern, niedrige (Arbeits-)Einkommen reguliert man durch einen Mindestlohn.

     

    Ein kostenloser ÖPNV ist eine Idee, über die man durchaus nachdenken kann. Straßen werden mit Steuermitteln gebaut, warum soll also nicht auch deren Benutzung mit einem Bus gratis sein (bzw. aus Steuermitteln finanziert)? Obwohl ich persönlich eher für einen subventionierten und damit sehr preisgünstigen ÖPNV stimmen würde - sozusagen als Reuegeld.

     

    Wenn man Cannabis legalisieren will, sollte man es ganz und gar tun. Dann muss auch Herstellung und Verkauf auf legalem Wege möglich gemacht werden. Man könnte Regeln übernehmen, die heute schon bei Tabak und Brandwein oder Medikamenten gelten. Davon erhoffe ich mir Sicherheit für die Konsumenten durch nachvollziehbar kontrollierten Cannabisanbau, Steuereinnahmen aus Cannabisverkauf und außerdem dreht man Kriminellen eine Nase, die mit Cannabis ordentlich Kohle scheffeln. Privat Cannabis anzubauen wäre damit allerdings auch illegal - so wie schwarzbrennen auch.

     

     

    Naja, letztendlich sind die Piraten für mich keine Wahlalternative. Grundeinkommen halte ich für den falschen Weg, ÖPNV existiert an meinem Wohnort fast nicht und mein Rauschmittel der Wahl ist Alkohol - Cannabis interessiert mich gar nicht.

  • PG
    Piraten gesunken

    Wie wäre es mit 50Gramm Cannabis inklusive im Grundeinkommen, dazu eine ebenfalls inklusive Flatrate vom Feinsten? Dann wäre das Programm perfekt. Andere für sich arbeiten lassen, genug kostenloses Gras und den ganzen Tag Computerdaddeln. Praktisch wie bei den Grünen nur ohne K-Gruppe, Beamtenjob und Kinderficken. Seit die Piraten dank all der linken Trolle so mutierten finden sie auch Gnade in den Medien. Volksabstimmungen und eine andere Politik wird es mit der geradezu zwanghaft unerwähnten AfD geben wenn es ihr gelingt die Medienblockade der Einheitsmedien zu durchbrechen.

  • H
    Herbert

    Super, ich hätte auch noch jede Woche zweimal Freibier und jemanden, der meine Wohnung putzt.

    Wenn das GE geht, sollte sich das doch auch machen lassen.

  • T
    tommy

    Grüne 2.0 eben. Braucht kein Mensch. Hoffentlich löst sich dieser Verein "progressiver" Großstadtnerds bald endgültig auf.

  • O
    Olli

    Super! Das wird was, keine Eile, gute Leute, gute Ziele, ich bin dabei!

    Auf jeden Fall bekommen die Berliner wieder meine Stimme, super, was die gearbeitet haben, schaut es euch mal auf Youtube an! So kann mann wieder an Demokratie glauben, keine Besserwisser, sondern Menschen, die etwas zum Besseren verbessern wollen, da ist die Stimme wieder was Wert, oder hat jemand eine bessere Idee?