Pilotprojekt: Hilfestellung bei der Mobilität
In Marzahn-Hellersdorf tagt erstmals ein Behindertenparlament - pünktlich zum europäischen Tag der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen.
Ein Flashmob auf dem Alice-Salomon-Platz in Hellersdorf: Etwa hundert Menschen, mehrheitlich mit Behinderung, halten graue und bunte Regenschirme hoch. Mit dabei ist auch die Bundestagsabgeordnete Petra Pau (Linke), die hier ihren Wahlkreis hat. Die bunten Schirme, die das Meer der grauen Schirme unterbrechen, sollen Vielfalt symbolisieren. Ein Zeichen für eine inklusive Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderungen genauso teilhaben können wie solche ohne.
Die Aktion vom Dienstag findet zum europäischen Protesttag zur Gleichstellung behinderter Menschen statt. Gleichzeitig tagt an diesem 5. Mai im Audimax der Alice-Salomon-Hochschule die erste Sitzung des Behindertenparlaments von Marzahn-Hellersdorf, das von nun an einmal im Jahr zusammenkommen soll. Im Bezirk leben über 45.000 Menschen mit Behinderung. "Ausgangspunkt war das Anliegen, Menschen mit Behinderungen mehr in bezirkliche Entscheidungsprozessse einzubinden", sagt Matthias Flender, Behindertenbeauftragter des Bezirks. Marzahn-Hellersdorf ist der zweite Berliner Bezirk mit einem Behindertenparlament. Das erste Parlament wurde 2004 in Reinickendorf gegründet.
Während das Reinickendorfer Parlament aber vor allem ein Forum für die vor Ort aktiven Behindertenverbände ist, richtet sich die Marzahn-Hellersdorfer Variante an die Betroffenen und deren Betreuer. Hauptthema der ersten Sitzung: die Verfügbarkeit von Mobilitätshilfediensten. Die werden in Berlin durch das Land bereitgestellt. Als Mobilitätshelfer werden dabei ausschließlich Arbeitslose eingestellt, die ihre Tätigkeit im Rahmen einer sogenannten AGH-MAE (also einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung) ausüben. Das Problem: Wenn die Arbeitslosigkeit in Berlin zurückgeht - und das tut sie ja gerade -, stehen potentiell weniger Menschen zur Verfügung, die den Hilfedienst leisten können.
Für das Bezirkskollegium ist die mangelnde Bereitstellung von Mobilitätsdiensten ein Problem, um das sich der Senat zu kümmern habe. Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD) fordert die Behinderten gar dazu auf, eine Resolution für mehr Mobilitätshilfe an den Senat zu richten. Dem wird entgegnet, dass auch der Bezirk eigenes Personal einstellen könne, um Menschen mit Behinderungen mehr Mobilität zu ermöglichen. "Es kann keine Entschuldigung geben, dass kein Geld da ist", sagt Angela Besuch, Vorsitzende des Behindertenbeirats im Bezirk.
Viele Betroffene sind unzufrieden mit ihrer Mobilitätssituation: "Ich möchte meine Wohnung verlassen können, wann ich möchte. Das heißt Gleichstellung", sagt Lisa Schmidek, die nach einem Zeckenbiss an Borreliose erkrankte und nun im Rollstuhl sitzt. Für sie war die erste Parlamentssitzung kein Erfolg: "Die Antworten der Politiker haben mich nicht überzeugt. Ich fürchte, ich werde noch einige Jahre warten müssen, bis meine Alltagssituation sich verbessert."
Auch die Flashmob-Aktion mit den "Inklusionsschirmen" kommt nicht bei allen Besuchern gut an. Angela Besuch: "Das soll Symbolcharakter haben, aber ich habe Bauchschmerzen, wenn ich das sehe. Das lenkt nur von den Problemen ab, die eigentlich diskutiert werden müssten."
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