Pilger-Dokumentation: Viele Wege führen nach Mekka
"Der Weg nach Mekka" folgt der Biografie des Islam-Konvertiten und späteren pakistanischen UN-Botschafters Muhammad Asad - bis zu den Konflikten von heute.
Konvertiten haben keinen guten Ruf. Islam-Konvertiten schon gar nicht. Von Innenminister Schäuble ist die Aussage überliefert, deren angeblich steigende Zahl habe "etwas Bedrohliches", und sein Parteikollege Wolfgang Bosbach wollte sie kürzlich am liebsten alle in einer staatlichen Datei registrieren lassen.
Auch Muhammad Asad, der 1900 in Lemberg als Leopold Weiss zur Welt kam, war ein Islam-Konvertit. Der Sohn eines Rabbiners reiste in den Zwanzigerjahren zu seinem Onkel nach Jerusalem, kritisierte den Zionismus und fühlte sich zugleich vom Leben arabischer Beduinen angezogen. Später siedelte er nach Saudi-Arabien über, wirkte an der Staatsgründung Pakistans mit und ging 1951 als UN-Botschafter dieser ersten "islamischen Republik" nach New York. Im April wurde in Wien ein Platz nach ihm benannt.
Die Dokumentation "Der Weg nach Mekka" folgt Asads Biografie entlang der wichtigsten Stationen seines Lebens. Heimelige Pilger-Romantik oder religiösen Kitsch muss man dabei jedoch nicht fürchten. Regisseur Georg Misch ist auch kein Michael Moore, der lediglich eine vorgefasste These bebildert. Stattdessen nimmt er den Zuschauer mit auf eine faszinierende Reise zu den Bruchlinien unserer Zeit - zwischen Juden, Muslimen und "dem Westen", vor allem aber innerhalb der Religionen selbst.
Wir folgen einem alten Historiker mit Fellmütze ins Lemberger "Museum der Religionen", lauschen einer Predigt in einer Wiener Moschee und stoppen mit palästinensischen Pilgern auf der Reise nach Mekka an einem israelischen Checkpoint. Im pakistanischen Lahore treffen wir Plakatmaler, die zum Nationalfeiertag ein riesiges Asad-Porträt entwerfen sowie eine gemischte Lesegruppe, die seine Koran-Übersetzung diskutiert.
Rede und Gegenrede sind das Prinzip dieses Films, und in den gegenläufigen Ansichten über Asad wird dieser schillernde Intellektuelle lebendig. Für die einen war er ein "muslimischer Aufklärer" und "Modernisierer", für die anderen ein gefährlicher Grenzgänger oder schlicht "naiv". So hat jeder seinen eigenen Muhammad Asad.
In der saudischen Wüste begegnen wir Beduinen, die sich noch gut an den Freund ihrer Großeltern erinnern, der wie einer der ihren auf dem Kamel reiten konnte, und in Tanger zwei alten jüdischen Damen, mit denen er sich in Marokko regelmäßig zum Kaffee traf. Doch der Privatmann Muhammad Asad bleibt relativ unscharf.
Dafür tritt seine politische Bedeutung umso deutlicher hervor. Denn jeder Streit über Asad ist im Grunde ein Streit über den "richtigen" Islam. So macht der Film nicht nur deutlich, dass es so viele Wege nach Mekka gibt, wie es Muslime gibt. Sondern auch, wie sehr seine tolerante Auffassung in den letzten Jahrzehnten in die Defensive geraten ist. Noch an seinem Grab in Granada, so endet der Film, streiten sich ein Friedhofsgärtner und ein Imam über die richtige Auslegung des Islam. DANIEL BAX
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