Philippinischer Präsident Marcos Jr.: „Alter Wein in neuen Schläuchen“
Die erste 100-Tage-Bilanz des philippinischen Staatschefs fällt dürftig aus. Nicht einmal einen Gesundheitsminister hat Marcos Jr. bislang ernannt.
![Portrait des philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos jr. Portrait des philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos jr.](https://taz.de/picture/5841681/14/Marcos-Praesipent-Philippinen-1.jpeg)
Denn Präsident Ferdinand „Bongbong“ Marcos Jr. preist die Regierungszeit seines Vaters, der 1965 gewählt worden war und von 1972 bis 1986 die Philippinen diktatorisch regierte, als „goldenes Zeitalter“. Zu dessen 105. Geburtstag am 11. September beschwor Marcos Jr. bei einer privaten Gedenkfeier der Familie die „Wiedergeburt seiner Träume, seiner Weisheit und seiner Liebe für das Land“ als Grundlage der eigenen Präsidentschaft.
Möglicherweise ist die staatlich sanktionierte Geschichtssäuberung schon in den Budgetkürzungen für kulturelle Institutionen im ersten Haushalt der Marcos-Präsidentschaft vorgesehen: Das Nationalarchiv muss mit 25 Prozent weniger Mitteln auskommen, die Nationale Geschichtskommission mit 27 Prozent, die Nationalbibliothek mit knapp 23 Prozent und die Nationale Kommission für Kultur und Sport mit satten 84 Prozent.
Um die Menschenrechte und Pressefreiheit war es in den ersten 100 Tagen der Marcos-Regierung wie schon in der Regierungszeit seines Vorgängers Rodrigo Duterte schlecht bestellt. Zwei Journalisten wurden bereits erschossen, 14 weitere wegen Verleumdungen angeklagt, erhielten Morddrohungen, wurden schikaniert oder als „Rote“ diffamiert.
Noch nicht alle Kabinettsposten besetzt
„Die ersten 100 Tage der Präsidentschaft von Ferdinand Marcos Jr. lassen sich am besten als ‚alter Wein in neuen Schläuchen‘ charakterisieren“, sagt Phil Robertson, der Asien-Experte von Human Rights Watch, der taz.
Viele in den Philippinen sind irritiert, dass auch 100 Tage nach der Vereidigung des Präsidenten noch immer nicht alle Kabinettsposten besetzt sind. Obwohl die Philippinen besonders stark von der Coronapandemie betroffen sind, hat Marcos noch immer keinen Gesundheitsminister oder -ministerin ernannt.
Für große Bedenken unter Menschenrechtsorganisationen sorgte der inzwischen 62-jährige Marcos mit der Berufung eines loyalen Unterstützers zum Vorsitzenden der staatlichen Menschenrechtskommission. Offenbar versuche Marcos mit der „Kastration“ der Menschenrechtskommission die unabhängige Institution daran zu hindern, die Menschenrechtspolitik seiner Regierung zu kontrollieren, befürchtet Robertson.
In den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft verkündete Marcos Jr. aber auch manche wohlklingenden Politikinitiativen. In seiner Rede vor der UN-Vollversammlung im September in New York stellte er den Kampf gegen den Klimawandel in den Vordergrund, sind doch die Philippinen eines der am stärksten von der Erderwärmung betroffenen Länder.
Den Drogenkrieg seines Vorgängers Duterte will Marcos Jr. fortsetzen, aber mit dem Schwerpunkt auf Prävention und Rehabilitation statt der Ermordung mutmaßlicher Drogenkrimineller.
Vor dem Hintergrund der weltweiten Krisen hat Marcos, der zugleich Agrarminister ist, auch die Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit der Philippinen zu einer Toppriorität erklärt. Aber seinen Worten müssen noch Taten folgen.
Außenpolitisch setzt Marcos auf einen unabhängigen Kurs, obwohl er sich wieder stärker an den traditionellen Verbündeten USA annähert, mit dem sich Duterte überworfen hatte.
„In Bezug auf unseren Platz in der Gemeinschaft der Nationen sollen die Philippinen weiterhin allen ein Freund sein. Und ein Feind für niemanden“, sagte Marcos in seiner ersten Rede an die Nation am 25. Juli. Darin betonte er aber auch mit Verweis auf den anhaltenden territorialen Streit um Inseln und Riffe mit China im Südchinesischen Meer „nicht einmal einen Quadratzentimeter des Territoriums des Landes“ an eine „ausländische Macht abtreten“ zu wollen.
Für Unmut sorgte der einst als „Partyboy“ bekannte Marcos Jr. mit einem Luxustrip zum Formel-1-Rennen nach Singapur Ende September, während in der Heimat Tausende Menschen unter den Folgen des Taifuns „Noru“ litten. Er bezeichnete gegenüber heimischen Medien sein fröhliches Wochenende an der Rennstrecke als Förderung der philippinischen Wirtschaft: „Man sagt, Golfspielen ist der beste Weg, um Geschäfte anzubahnen. Ich aber sage, es ist die Formel 1.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen