Philippinische Kopfjäger von Gottes Gnaden

■ Auf den philippinischen Inseln Cebu und Mindanao bekämpft ein dubioser pseudo–religiöser Kult die „kommunistische Gefahr“ mit rabiaten Mitteln: Reporter wurden eingeladen, um enthauptete Guerilleros zu besichtigen

Von Mark Fineman

Manila (wps) - Donnerstag mittag zwölf Uhr im Militärcamp von Cebu City, der zweitgrößten philippinischen Stadt: 13 Gläubige fallen auf die Knie und beten um Stärke im Heiligen Krieg gegen den Kommunismus. 15 Minuten lang murmeln sie heilige Sprüche, fingern an Amuletten herum, die ihre Körper - so glauben sie - unverwundbar gegen Gewehrkugeln machen sollen. Sie sprechen ihrem bärtigen Meister, der sich für einen wiederauferstandenen Jesus hält, Mut zu. Fünfmal täglich wird das Ritual wiederholt, denn nur so kann ihr gewalttätiger Kampf gegen die linke Guerilla gewonnen werden. Dies zumindest glauben die Anhänger des merkwürdigen Kultes Sagrado Corazon Senor, der allein auf der Insel Cebu 2.000 Mitglieder hat und landesweit angeblich auf 150.000 Anhänger kommt. Sie ziehen mit Macheten und Speeren, Vogelschleudern und Steinen zu Felde und halten sich für die unbesiegbaren Soldaten Christi. Manchmal versorgt das Militär sie auch mit Feuerwaffen. Denn die Truppe, so sagen Generäle, hat viele Dörfer „von Rebellen gesäubert“, in denen Regierung und Armee nichts mehr zu melden hatten. Kirchenführer und Menschenrechtsgruppen haben demgegenüber immer wieder geäußert, daß die Aktivitäten der inzwischen 260 paramilitärischen Gruppen eher mit denen der Todesschwadronen in Lateinamerika zu vergleichen seien. Und mit Sicherheit ist Sagrado Corazon Senor eine der am meisten umstrittenen. Nicht umsonst heißt die Sekte im Volksmund nach ihren Initiationsriten Tadtad, zu deutsch etwa „Hack–Hack“. Bevor ein Bewerber in die Gemeinschaft aufgenommen wird, testen die Priester seinen Glauben, indem sie mit scharfen Macheten auf seine Arme einschlagen. Ist der Glaube stark genug, hinterläßt die Behandlung angeblich kaum einen Kratzer, doch weniger Engagierte sind nach dem Test gleich amputiert. Bereits mehrmals wurden in letzter Zeit auf den Inseln Cebu und Mindanao auch enthauptete Kämpfer der linken New Peoples Army gefunden. Vermutete Täter: die Tadtads. Derlei Behandlung ist nach Ansicht der Sektenführer keineswegs unfair. So gab Sektenführer Kilat in Cebu jüngst zu Protokoll: „Es gibt nur zwei Sorten von Armeen in der Welt: die Soldaten Christi und die des Teufels. Wir bekämpfen die Kommunisten, weil sie gottlos sind und die Macht wollen. Deswegen sind sie sicher die Soldaten des Satans.“ Präsidentin Aquino ist Derartiges zwar suspekt, doch eindeutige Anordnungen blieben bislang aus: Vor drei Wochen ordnete sie die Auflösung aller Paramilitärs an, doch schon am folgenden Tag erklärte sie auf Druck des Militärs, zunächst solle eine Studie Klarheit über Aktivitäten der einzelnen Gruppen schaffen. Erst seit die Tadtads auf der Insel Cebu in der vergangenen Woche versehentlich mehrere Regierungssoldaten (die sie für Guerillas hielten) attackierten und übel zurichteten, bezweifeln auch liberalere Teile der Armee den Nutzen der Sekte. Oberhauptmann Jesus Magno, der für die Provinz Davao del Sur auf Mindanao zutändig ist, ordnete am Wochenende erstmals die Entwaffnung der Tadtads in seinem Distrikt an. Die selbsternannten Soldaten Christi hatten Reporter eingeladen, um ihnen die zuvor abgeschlagenen Köpfe von Guerilleros vorzuführen, tranken das Blut ihrer Opfer und posierten danach gutgelaunt vor der Kamera (siehe Foto). Der philippinische Verteidigungsminister Rafael Ileto hat am Montag vor der „wachsenden Gefahr“ des kommunistischen Rebellenkampfes gewarnt und die Filipinos aufgerufen, diese „ernste Bedrohung“ gemeinsam zu bekämpfen. Ileto sagte am Montag, der Kampf gegen Kommunisten dürfe sich nicht nur auf den Dschungel oder Reisfelder beschränken, sondern müsse auch in Schulen und Kirchen geführt werden.