Pflegerin und Aktivistin Ariane Müller: Zurück auf Schicht
Die Krankenschwester Ariane Müller engagiert sich für bessere Arbeitsbedingungen. Das Klinikum Bremen-Mitte beurlaubte sie, ruderte dann aber zurück.
Eigentlich hätte die 67-Jährige im Sommer 2020 schon in Rente gehen können. Sie hatte sich aber entschieden, weiterhin am Klinikum Bremen-Mitte in Teilzeit zu arbeitet. Nun hätte man erwarten können, dass gerade in einer Zeit, in der so viel von der desolaten Personalsituation im Gesundheitswesen die Rede ist, Müller für ihr Engagement eine besondere Auszeichnung bekommt.
Hat sie auch, aber nicht von ihrem Arbeitgeber. Ariane Müller wurde als eine von elf Frauen als „Bremer Frau des Jahres 2021“ ausgezeichnet. Ein Preis, initiiert 1999 vom Bremer Frauenausschuss. Geehrt wurde Müller für ihr besonderes Engagement als Krankenschwester.
Das KBM „würdigt“ Ariane Müllers Engagement am 16. Dezember mit einer Beurlaubung der KBM bei vollen Gehalt. Als Betriebsrätin und Vertrauensperson wurde sie öfter zu Gesprächen mit Vorgesetzten hinzuzogen, wo sie Kolleg*innen unterstützte. Einen solchen Termin hat Müller als Teil der Arbeitszeit abgerechnet. Dafür wurde ihr von der Pflegedirektion Betrug vorgeworfen.
Müller betonte im Gespräch mit der taz, dass sie an solchen Gesprächen auf Wunsch der Kolleg*innen öfter teilgenommen und als Teil ihrer Arbeitszeit abgerechnet habe. „Es gibt sogar Briefe an den Betriebsrat, dass die Kolleg*innen mich dabei haben wollen, weil ich als Betriebsrätin vertrauenswürdig bin“, berichtet Müller. Sie sieht den Grund für ihre kurze Sanktionierung aber auch in ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit. Schließlich hatte sie kürzlich angekündigt, auf der Liste der Unabhängigen Betriebsgruppe „Uns reicht’s“ am KBM für die Betriebsratwahl im März 2022 anzutreten.
Ariane Müller, Krankenschwester
Seit 2005 engagiert sie sich bei „Uns reicht’s“ vor allem gegen den Stellenabbau und für bessere Arbeitsbedingungen. Damit erfährt sie zunehmend Zuspruch von den Kolleg*innen. Schließlich habe es allein an ihrer Station in der letzten Zeit fünf Burn-out-Fälle gegeben. Mittlerweile regt sich bundesweit Widerstand gegen die schlechten Arbeitsbedingungen im Carebereich, wie die Pflegebranche auch benannt wird.
Müller hat bereits 2017 mit Kolleg*innen aus verschiedenen Krankenhäusern das Pflegebündnis Bremen gegründet. Vorbild waren das Hamburger Pflegebündnis und die Berliner Krankenhausbewegung, die im Sommer 2021 mit mehrwöchigen Streiks bessere Arbeitsbedingungen erstritten hatten. Müller betont, dass es ihr wichtig ist, Mitarbeiter*innen zu erreichen, die nicht in der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di organisiert waren. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad im Carebereich liege bei unter 15 Prozent.
Die zentrale Forderung des Bremer Pflegebündnisses ist die Einstellung von mehr Personal. Auf einer Intensivstation soll eine Pflegekraft maximal zwei Patient*innen betreuen. In der Realität sei eine Pflegekraft heute oft für drei Patient*innen zuständig, kritisiert das Bündnis. Zudem sollen nach dem Willen der engagierten Carearbeiter*innen im Nachtdienst mindestens zwei Pflegekräfte anwesend sein. Heute muss eine Pflegekraft den Dienst oft allein übernehmen. „Wir haben die Macht, für unsere Forderungen auch in den Streik zu treten“, betont Müller.
Dass ihre Beurlaubung nach wenigen Tagen aufgehoben wurde, sieht sie als einen Erfolg einer Solidaritätskampagne, die in wenigen Tagen aktiv geworden ist. Unterstützung bekam sie nicht nur von Ver.di und von Kolleg*innen, sondern auch von einigen Patient*innen, die sie betreut hatte. „Mit Solidarität können wir etwas erreichen“, lautet Müllers knapper Kommentar zum schnellen Ende ihrer Beurlaubung.
Sie freut sich auf die vier Nachtschichten an Weihnachten, die sie schon lange geplant hatte. Müller hofft, dass die Liste „Uns reicht’s“ bei den Betriebsratswahlen im KBM mindestens gut abschneidet. Der Zuspruch unter den Kolleg*innen sei groß. Vielleicht hat die Klinikleitung durch die Beurlaubung von Müller unfreiwillig noch Werbung für die Liste der Aufmüpfigen gemacht.
Stefanie Beckröge, die beim Bremer Klinikverbund für die Kommunikation zuständig ist, erklärte auf Nachfrage taz, dass man zu internen Personalangelegenheiten keine Stellung nehme.
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