Pflegenotstand wegen Corona: Ex-Zivis in die Krankenhäuser!
Hunderttausende Männer haben einst Sozialdienst abgeleistet. Der Staat sollte ihnen die Möglichkeit geben, ihre Fähigkeiten jetzt wieder einzusetzen.
Bald könnte es in Deutschland aussehen wie derzeit bei unseren italienischen und spanischen Nachbarn. Das Personal, das in den Krankenhäusern arbeitet, braucht dann jede Entlastung, die möglich ist. Wir haben hierzulande ein Potenzial, das man genau für einen solchen Fall aktivieren sollte: Millionen von ehemaligen Zivildienstleistenden haben grundlegende Kenntnisse und Erfahrungen, die sie jetzt einsetzen könnten.
Sie könnten im Bereich der Kinder- und Altenbetreuung eingesetzt werden, bei administrativen Tätigkeiten in Gesundheitsämtern und Krankenhäusern mitarbeiten und bei Krankentransporten. Sie könnten Pfleger*innen entlasten, indem sie deren Verpflichtungen bei Patient*innen übernehmen, die nicht mit Corona infiziert sind.
Die vielen Tätigkeiten, über die man als Zivi früher einmal gestöhnt hat, kann man denjenigen abnehmen, die im Auge des Sturms stehen: Essen austeilen, Betten verteilen, Bettpfannen entleeren… Ein kleiner Dienst, aber eine derzeit wichtige und nötige Entlastung, während nebenan um das Leben unserer Mitmenschen gekämpft wird.
Es wäre an der Zeit, dass die Politik den Weg dafür freimacht, dass Zivildienst-„Reservisten“ auf freiwilliger Basis in ihrer Freizeit die Möglichkeit erhalten, sich zur Verfügung zu stellen. Natürlich ist es gerade in einer solchen Ausnahmesituation unerlässlich, dass bestimmte Sicherheitsregeln eingehalten werden. Noch haben wir Zeit, die dafür nötigen Schulungen vorzubereiten und durchzuführen.
Unabhängig davon, wie man zur Dienstpflicht steht, muss man anerkennen: Wir haben über mehrere Jahrzehnte junge Männer für solche Situationen ausgebildet, während deren Jahrgangsgenossen für den Ernstfall des Krieges geübt haben. Dieses Potenzial jetzt nicht zu nutzen wäre eine tragische Ressourcenverschwendung.
Ich habe selber Zivildienst geleistet und bin sehr dankbar für diese Erfahrung. Ich wäre froh, mich in dieser Situation mit dem einbringen zu können, was ich dort gelernt habe: fachlich und menschlich.
Leser*innenkommentare
Syngen Smyth
In der Druckausgabe der TAZ vom 27.03. steht neben diesem Artikel etwas Information zu dem Autor, Clemens Schneider. Er "ist Direktor der wirtschaftsliberalen Denkfabrik 'Prometheus - Das Freiheitsinstitut' mit Sitz in Berlin."
Bei lobbypedia.de kann man dann nachlesen, wessen Geisteskind diese Idee (Ex-Zivis gegen Corona zu mobilisieren) ist:
"Prometheus ist eine von dem als libertär geltenden FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler gegründete Denkfabrik, die mit gezielten Kampagnen an einem gesellschaftlichen Wandel arbeiten will.
Prometheus ist Teil des Atlas Network. Dieses Netzwerk gründet, fördert und koordiniert weltweit neoliberale und libertäre Organisationen. Zu seinen Sponsoren gehören ExxonMobil, Philip Morris und die Stiftungen der US-Milliardäre Charles G. Koch und David H. Koch.
Das Schulungsmaterial Unsere Wirtschaft wurde von der 'Foundation for Economic Education' (FEE) erstellt und ins Deutsche übersetzt. Die FEE ist eine libertäre Denkfabrik, die in erheblichem Umfang von den Stiftungen der Gebrüder Koch finanziert wird und Verbindungen zum Cato Institute hat."
LittleRedRooster
@Syngen Smyth "(...) wessen Geistes Kind diese Idee (Ex-Zivis gegen Corona zu mobilisieren) ist (...)" (Syngen Smyth)
Vielen Dank dass Sie mir die Arbeit abgenommen haben. Ich habe das Gleiche nämlich Gestern Abend auch auch via Netz-Recherche herausgefunden und wollte mich gerade jetzt an die Arbeit machen um diese wichtige Information zu posten.
Diese "wirtschaftsliberale" (neoliberale) Denkungsart, wie sie eben gerade auch solche "Denkfabriken" (lächerlich!) verzapfen, haben in den letzten Jahrzehnten eine Schneise der Verwüstung gerade auch in unsere Sozial-und Gesundheitssysteme geschlagen, bzw. den ideologischen Überbau dafür geliefert. Und nun, da das Kind in den Brunnen gefallen worden ist und abzusaufen droht kommt dieser feine Herr Direktor auch noch auf die Idee bunte Gummientchen hinterher zu werfen um davon abzulenken.
Wer jetzt den Einsatz von Zivildienstlern als Ersatz von ausgebildeten Pflegekräften propagiert der täuscht sich nicht nur arg über deren Wirkungsfähigkeit, er will offenbar auch nichts anderes als die bestehenden mangelhaften Verhältnisse zementieren.
Der Legende nach brachte also Prometheus den Menschen das Feuer der Weisheit. Merkwürdigerweise brennen aber seither ständig die Hütten - nie die Paläste.
Bernd Schlüter
Völlig falsch. In den Krankenhäusern werden Leute benötigt, die eine gewisse Immunität gegen das Virus erworben haben. Von diesen gibt es immer noch viel zu wenige. Die ehemaligen Zivildienstleistenden sind außerdem männlich und viel zu alt. Die denkbar ungeeignetste Gruppe für diese Aufgabe. Der größte Teil des Krankenhauspersonals und der von Verkäuferinnen mit viel Personenkontakt ist weiblich und jung. Sie retten uns und werden weiterhin unsere Rettung sein, neben der steigenden Anzahl von Männern, die diese Grippe sicher überstanden haben.
Es fehlt an Beatmungsgeräten. Die dürfen vorübergehend einfacher sein, sie müssen nur in ausreichender Anzahl gebaut werden. Mund zu Mund-Beatmung scheidet nämlich aus, auch, wenn unsere Zivildienstleister noch so opferungsbereit sind.
fabian_hh
@Bernd Schlüter Ich habe als einer der letzten Zivildienst im Rettungsdienst gemacht und bin jetzt 27 Jahre alt. Da damals der Zivildienst nur noch 6 oder 9 Monate ging, musste man, um in den Rettungsdienst zu kommen, ein Freiwilliges Soziales Jahr machen und dieses als Zivildienst anerkennen lassen.
Ich fühle mich jetzt noch nicht als zu alt, um im Gesundheitswesen zu arbeiten^^ Sicher wird es auch Personen im Rentenalter geben, die einst Zivildienst leisteten - diese müssen sich ja nicht unbedingt bei einem freiwilligen Programm melden.
Zur manuellen Beatmung gibt es übrigens Beatmungsbeutel.
Ich finde diesen Artikel/Kommentar von Clemens Schneider sehr gut!
Peter Müller
Sehr gute Idee, auch wenn viele Kommentartoren das hier ins Lächerliche ziehen. Wenn es schlecht läuft, müssen wir uns vielleicht noch ganz andere Maßnahmen überlegen. Die ganzen Kids, die jetzt ohnehin nichts zu tun und sowieso Ferien hätten, können in der Landwirtschaft die Erntehelfer ersetzen. Mal richtig arbeiten, bevor es von der Schule nonstop in die Uni und/oder das Sabbatical in Australien oder Neuseeland geht.
Martin_25
@Peter Müller Wir brauchen keine Kinder an Erntehelfern solange durch die Krise so viele Erwachsene nach hause geschickt werden. Was fehlt ist eine brauchbare Entlohnung oberhalb von 9,35€
Linksman
Die sogenannte Denkfabrik des Schreibers heißt also "Prometheus".
Zitat aus Wikipedia: "In der ältesten antiken Überlieferung bei Hesiod ist Prometheus ein listiger und hochmütiger Betrüger, der zu Recht für seinen Frevel bestraft wird." Noch Fragen?
76530 (Profil gelöscht)
Gast
@Linksman Danke für den erlesenen Hinweis.
Im hiesigen Fall erübrigt bereits die verbale Selbstbestrafung eine Bestrafung durch Andere.
wrd
Es ist Freiwilligen unbelassen, sich beim Gesundheitsamt der Kommune zu melden und einsetzen zu lassen.
Die versicherungsrechtliche Frage sollte für den Fall einer einsatzbedingten Infektion ehrenamtlicher Helfer bekannt gegeben werden.
Und letztlich... wäre für jene, die "systemrelevante Tätigkeiten" ausüben und daher gezwungen sind zu arbeiten, nicht eine einheitliche, am Ausmaß des Risikos orientierte Gefahrenzulage eine Selbstverständlichkeit?
Martin_25
@wrd Richtig. Es ist erstaunlich, wie Zivis einfach als Verfügungsmasse betrachtet werden. Die Wehrpflicht ist Geschichte. Wer bei entsprechenden Rahmenbedingungen freiwillig helfen will kann das gerne tun.
76530 (Profil gelöscht)
Gast
Ich habe jetzt eine halbe Stunde lang den Hinweis darauf gesucht, dass der Kommentar aus der Rubrik "Die Wahrheit" stammt. Leider vergeblich.
Mal ganz abgesehen von allem Anderen: ich habe mit Anfang 20 Zivildienst gemacht - als er noch Ziviler Ersatzdienst hieß und 18 Monate dauerte.
Bald werde ich 68.
P.s. Was macht noch mal eine Fabrik aus? Vor allem eine Denk-Fabrik?
S.R.
Ohne jetzt auf den Inhalt dieses Beitrags einzugehen: Dieser neoliberale Schwachkopf schreit in einer kritischen Situation also nach staatlichem Interventionismus. Das widerspricht seinen Grundpositionen und denen seiner "Denkfabrik" (= Lobbyorganisation) diametral, wenn man den im Internet verfügbaren Infos glauben darf. Unglaublich.
Hanne
Der Zivildienst war immer deswegen länger als der Dienst bei der Bundeswehr, weil die "Reservezeit" quasi der Gerechtigkeit halber gleich direkt mitgemacht wurde.
Bundeswehrdienst war kürzer, dafür mit Option von Seiten des Staates, die ehemaligen Wehrdienstler später nochmal einzusetzen im Fall der Fälle. Zivildienst war länger, weil danach kein Einsatz mehr vorgesehen ist/war.
Es kann also nur freiwillig gehen, wenn ehemalige Zivis nun zurück in die Pflege können sollen.