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Pfiffe für den sozialistischen PräsidentenHollandes Gegner im Land sitzen links

Die einst abgegebenen sozialistischen Wahlversprechen galten Dienstag nicht: Mit den Stimmen von rechts ratifizierte Frankreich den Fiskalpakt.

Gewerkschaftler protestieren gegen den Jobabbau in der Automobilbranche. Bild: dapd

PARIS taz | François Hollande wollte sich von Nicolas Sarkozys Firlefanzstil abgrenzen und ein „normaler“ Präsident sein. Auf den ersten Applaus folgen jetzt Pfiffe. Von der Realpolitik und den EU-Partnern in die Pflicht genommen, mag der sozialistische Staatschef in Europa keine Risiken eingehen. Ohne Überraschung hat die Nationalversammlung am Dienstag der Ratifizierung des europäischen Fiskalpakts zugestimmt.

Ein großer Teil der Stimmen kam von rechts. Das Argument der konservativen UMP: Zur Abstimmung gelangte „bis aufs Komma genau der Text“, den ihr Expräsident Sarkozy mit Kanzlerin Angela Merkel ausgehandelt hatte.

Den Sozialisten fiel die Billigung dieser Politik zur Vermeidung jeglicher Neuverschuldung der Mitgliedstaaten schwer. Der heutige Staatschef hatte als Präsidentschaftskandidat diesen Vertrag nicht gewollt und eine Neuverhandlung gefordert.

Diktat der Finanzmärkte

Er musste sich mit einem Wachstumspakt als Anhang begnügen, der weit hinter den Erwartungen der französischen Linken zurückbleibt.

Für die Linksfront aus Kommunisten und Jean-Luc Mélenchons Parti de Gauche war die Sache klar. Dieser Vertrag bedeute ein „Diktat der Finanzmärkte“ und des IWF, mit dem sich Frankreich auf lange Sicht binde und die haushaltspolitischen Instrumente für die Bekämpfung der Rezession und Arbeitslosigkeit durch staatliche Investitionen aus der Hand gebe.

Damit aber sei programmiert, dass die Regierung wegen der ihr auferlegten Sparpflicht auch die Sozialleistungen abbauen und so die ohnehin schon prekären Lebensbedingungen der Ärmsten verschlechtern werde. Vor und nach der Abstimmung war für die radikale Linke darum die kategorische Ablehnung gar keine Frage.

Gestern gingen erneut Tausende von GGT-Gewerkschaftsmitgliedern in mehreren Städten gegen die restriktive Haushaltspolitik auf die Straße.

Hollande weiß, dass der erste und stärkste Widerstand nicht von der bürgerlichen Opposition kommt, sondern von der Linken, die ihn zumindest in der Schlussrunde der Präsidentschaftswahlen unterstützt hatte und von ihm etwas anderes erwartet als die Fortsetzung der Sarkozy-Politik. Diese Ansicht teilen auch die Grünen (EELV), die mehrheitlich gegen den Fiskalpakt waren.

Sehr unbequem bleibt die Position der Fiskalpaktgegner innerhalb der Parti Socialiste. Die 22 sozialistischen Abgeordneten, die eigentlich aus Überzeugung dagegen votieren wollten, waren massiv unter Druck gesetzt worden, damit sie loyal zu ihrem Präsidenten stehen.

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3 Kommentare

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  • KI
    Karl Ilnyzckyj

    Der radikal-rechte Ex-Präsident Sarkozy sieht seine Politik durch den neuen "sozialistischen" Staatspräsidenten Hollande bestätigt.

    Im Wahlkampf hatte Hollande den neuen EU-Vertrag mit der "bleiernen Regel" noch abgelehnt und den politischen Wandel angekündigt.

    Jetzt sehen seine Wähler, dass sein Wort nichts wert ist.

    Aber wie steht es in der französischen Verfassung? "Alle Macht geht vom Volke aus".

    Bei den nächsten Wahlen in 18 Monaten werden viele seiner Wähler zuhause bleiben oder die Linke wählen.

  • VB
    Volker Birk

    Man sieht, dass die sogenannten "Spitzenpolitiker" in Wirklichkeit alle Marionetten des Kapitals sind. Es ist völlig bedeutungslos, wen man wählt. Das gilt auch für Hollande.

     

    Frankreich lernt jetzt eine Lektion in Sachen Macht. So ist sie, die marktkonforme Demokratie.

  • W
    Weinberg

    Präsident Hollande macht den Schröder und ist auf dem besten Weg, von den Franzosen bei der nächstbesten Gelegenheit abserviert zu werden.