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Pferde gegen den Krieg„Wir sind nicht unschuldig“

Der Friedensritt macht in Bremen Station um direkt bei Lürssen gegen die Beteiligung an der Aufrüstung der Konfliktparteien im Jemen-Krieg zu protestieren

Von Vegesack trabt der Friedensritt diese Woche weiter in die Bremer City Foto: (Arbeiterfotografie)
Interview von Florian Schlittgen

taz: Frau Radermacher, Krieg, dass ist für Sie nicht nur Sache der Länder, die ihn führen?

Ute Radermacher: Nein, vor allem ist es Sache der Länder, die die Waffen exportieren. Das verursacht oder verschärft Konflikte, die dann zivile Opfer verlangen. Auch Deutschland rüstet sich und vor allem andere Nationen auf. Wir sind nicht unschuldig.

Dagegen lehnen Sie sich mit einer interessanten Protestform auf – zentrale Rolle spielen Pferde.

Genau. Wir veranstalten jedes Jahr einen Friedensritt. Auf Pferden und auf dem Fahrrad prangern wir Rüstungsexporte an und übermitteln eine Friedensbotschaft.

Was haben Pferde aber mit Frieden zu tun?

Frieden heißt nicht nur Frieden unter den Menschen, sondern auch mit den Geschöpfen und der Natur. Da gehören Pferde dazu. Außerdem besitzen wir alle Pferde.

Das Hobby verband sich also mit politischen Aktivismus?

Konflikte müssen ausgetrocknet werden. Das geht nur, wenn wir aufhören, ihreParteien mit Waffen zu beliefern

Das Ganze entstand schon in den 80ern, neben anderen Ini­tiativen. Es gab Ärzte für den Frieden, Sportler für den Frieden und halt auch Reiter für den Frieden. Ein Teil davon ist eingeschlafen, andere existieren fort. Dazu gehört auch der Friedensritt. Zudem reiten wir nicht einfach irgendwo hin. Uns ist wichtig, mit anderen Initiativen zusammenzuarbeiten, wie jetzt mit dem Bremer Friedensforum.

Im Interview: Ute Radermacher

59, ist Tierärztin und seit 1988 beim Friedensritt aktiv, den sie mitorganisiert.

Es wird also nicht nur vom Sattel aus protestiert?

Nein. Am Samstag gab es eine große Kundgebung in Bremen Vegesack, und gestern haben wir den Bunker Valentin besucht. Der Besuch der Gedenkstätte war uns ein großes Anliegen, da wir uns auch als antirassistische und antifaschistische Bewegung verstehen.

Und was ist für die kommenden Tage geplant?

Am Donnerstag unterstützten wir die Mahnwache des Friedensforums auf dem Marktplatz. Das ist eine Straßenaktion mit Kleinkunst und Musik. Hier wird auch die Geschichte der Bremer Stadtmusikanten fortgesetzt, inklusive eines Pferdes im Esels-Kostüm.

Und anstelle des Räubers werden Rüstungsunternehmen vertrieben?

So ungefähr, man kann aber auch Räuber bekehren! Es geht uns schließlich um Rüstungskonversionen, da wir die Unternehmer, nicht aber die Arbeiter bekämpfen wollen. Die, die ihr Geld mit der Herstellung von Waffen verdienen, sollten lieber etwas anderes produzieren.

Zuvor sind sie von einer Stadt zur nächsten geritten. Jetzt wird ausschließlich in Bremen protestiert. Ist die Lage hier besonders brisant?

Die Rüstungsproduktion ist hier enorm. Der Friedensritt begann daher auch mit einem Protest vor der Hauptverwaltung der Lürssen-Werft.

Aktuell geht es um vier von insgesamt 48 Patrouillenbooten der Lürssen-Werft fürs sunnitische Königshaus Saudi-Arabiens. Die gelten doch aber als Partner gegen den Terror?

Das Problem mit dem Terror ist, dass der nicht mit Waffen zu bekämpfen ist. Es ist viel einfacher, zum Terroristen zu werden, wenn es im eigenen Land keine Perspektiven gibt. Wer Konflikte anheizt, zerstört Alternativen. Die militärische Intervention von Saudi-Arabien im Jemen führt nicht zu einer Verbesserung der Lage.

Machen Sie Saudi-Arabien als Hauptakteur für den dortigen Bürgerkrieg verantwortlich?

Das ist eigentlich nichts Verdecktes: Es ist ein Stellvertreterkrieg, der dort geführt wird. Auf der einen Seite gibt es Saudi-Arabien, auf der anderen den Iran, der die schiitische Huthi-Bewegung unterstützt. Wer leidet, ist das Volk. Es gibt dort Hungersnöte und die Seeblockade der Saudis verhindert die Einfuhr dringend benötigter Medikamente. Wir helfen niemanden, wenn wir eine Seite hochrüsten.

Verlangen Sie schärfere Export-Repressionen oder einen Exportstopp?

Auf jeden Fall einen Exportstopp. Konflikte müssen ausgetrocknet werden. Das geht nur, wenn wir aufhören, ihre Parteien mit Waffen zu beliefern. Zudem besteht die Gefahr, dass die in ganz andere Hände geraten. Auch das Land, das beliefert wird, kann sich unterschiedlich entwickeln. Dann wird vielleicht auf das eigene Volk geschossen, mit Waffen aus Deutschland. Da tragen wir eine Verantwortung.

Die Bundesregierung wirbt auf ihrer Seite mit einer „zurückhaltenden“ und „verantwortungsvollen“ Rüstungsexportpolitik – das sehen Sie anders?

Das sehe ich ganz anders. Sie sagen zwar, dass sie nicht in Krisengebiete exportieren, tun es aber. Ich wüsste auch kein Beispiel in der Geschichte, wo der Export von Waffen jemals einen Konflikt besänftigt hat.

Welche Alternative schlagen Sie vor?

Es muss verhandelt werden. Dafür ist es notwendig, Eigeninteressen aufzudecken und zu reflektieren. Nicht nur bei den anderen. Das ist die einzige Chance, den Ländern und den Menschen eine neue Perspektive zu geben.

Nun sind Gruppen wie die von Teheran geförderte radikal-islamische Huthi-Bewegung dafür bekannt, den Krieg zu wollen. Würde der Rückzug von militärischen Interventionen nicht in einer humanen Katastrophe enden?

Andersherum: Wenn es Kräfte gibt, die gewaltbereit dagegenhalten, schaukelt sich der Konflikt immer weiter hoch. Die Lösung kann nur in der Deeskalation liegen, ohne Waffen. Das heißt natürlich auch, mit allen Gruppen an einen Tisch zu sitzen. Das ist nicht einfach. Das ist sogar sehr schwer. Ich sehe aber keine Alternative.

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