Pfarrer über deutsche Männer in Thailand: „Denn er ist der Farang“
Bernhard Liebe ist Pfarrer in Pattaya. Er betreut auch deutsche Männer, die in Thailand gescheitert sind. Arm und einsam sind sie dann am Schluss.
taz: Herr Liebe, Sie sind evangelischer Pfarrer in Pattaya, dem „Bordell des Westens“, wie die thailändische Stadt genannt wird. Ein ungutes Gefühl?
Bernhard Liebe: Eines der ersten Fotos, die ich nach meiner Ankunft in Thailand gemacht habe, zeigt einen alten weißen Mann mit einer bildhübschen jungen Thailänderin. Ein typisches Bild hier, an das man sich aber rasch gewöhnt.
Nehmen Sie die Prostitution jetzt hin, weil Sie sich daran gewöhnt haben?
Nein, natürlich nicht. Aber die Männer, die sich mit Prostituierten einlassen, möchte ich weder bewerten noch verurteilen. Die Prostitution ist hier offensichtlich, aber genauso tabuisiert. Die Behörden tun so, als sei das normal. Solange nichts Kriminelles passiert, nehmen sie die Prostitution hin.
Schätzungen zufolge leben bis zu 15.000 Deutsche in Pattaya. Alles männliche Sextouristen?
Nein. Es gibt deutsche Ehepaare, die sich im Ruhestand hier eine Dauerresidenz eingerichtet haben: Sie fliehen vor dem europäischen Winter, im Sommer sind sie zu Hause in Deutschland. Manche deutsche Männer haben thailändische Frauen geheiratet und leben mit ihnen ganz bürgerlich zusammen. Mitunter in den Orten, aus denen die Frauen ursprünglich stammen. Andere sind mit ihren Ehen in Deutschland gescheitert und suchen nach großer Enttäuschung in Thailand ein neues Leben. Aber viele Deutsche, die hier dauerhaft leben, sind in der Tat Männer, die früher mal Sextouristen waren. Viele von ihnen sind mittlerweile schon recht alt.
67, evangelischer Pfarrer in Pattaya. Früher hat er u. a. als Klinikseelsorger gearbeitet und in Gotha, Thüringen, einen Hospizverein geleitet.
Wie funktionieren deutsch-thailändische Ehen?
Die Ehen beruhen vielfach auf einer simplen Geschäftsgrundlage: Die thailändische Frau kümmert sich um den deutschen Mann. Sie führt den Haushalt, kauft ein, kocht. Und er ist nicht allein. Dafür bezahlt er. Denn er ist der Farang – so werden in Thailand weiße Ausländer genannt –, der in den Augen der Einheimischen Geld hat. Die meisten Farangs kommen mit ihrem Ersparten her.
Solche Ehen gehen so lange gut, solange er zahlen kann. Aber was geschieht, wenn das Ersparte aufgebraucht ist? Und auch die Rente nicht mehr ausreicht, um das Leben in Thailand zu bezahlen?
So billig, wie manche glauben, ist es in Thailand dann doch nicht. Viele Männer wundern sich, dass sie plötzlich arm sind. Sobald das eintritt, sind viele Frauen weg. Sie gehen zurück zu ihren Familien, in Armut mit einem Deutschen wollen sie nämlich nicht leben. Da ist die familiäre Bande stärker.
Was machen die Männer dann?
Sie versuchen zunächst, allein zu leben. Manche werden durch ein erneutes Scheitern der Ehe krank und können meist die Arztkosten hier nicht bezahlen. Es gibt in Thailand zwar eine Art Krankenversicherung, aber die ist für Deutsche, die hier ohne Auslandskrankenversicherung leben, sehr teuer. Und viele Deutsche, die hier ankommen, denken: Eine Krankenversicherung brauche ich nicht, das Geld spare ich besser. Vor Kurzem habe ich einen Mann betreut, der wegen eines Hirntumors operiert werden musste. Innerhalb weniger Wochen hatte er über 100.000 Euro Schulden durch die Behandlungen im Krankenhaus. Er musste das Haus verkaufen, das er mal für sich und seine thailändische Frau gebaut hatte. Die Frau ist weg und er ist allein.
Warum geht er nicht zurück nach Deutschland?
Was soll er dort? Er hat, so wie die meisten Männer, die nach Thailand heiraten, sein Leben in Deutschland komplett aufgegeben. Diese Männer haben keine Wohnung mehr in Deutschland und in der Regel auch keine Freunde und keine Familie.
Aber die Männer könnten sich zu Hause zumindest medizinisch behandeln lassen.
Manche sind am Ende so alt und krank, dass sie selbst den Flug in die alte Heimat nur schwer überstehen würden oder keine Flugtauglichkeitsbescheinigung bekommen. Das sind zum Teil tragische Geschichten.
Sind die Männer nicht selbst schuld?
Von Schuld möchte ich nicht sprechen. Die Männer bedenken nicht, wenn sie in jungen Jahren hierherkommen, dass sie auch mal alt und pflegebedürftig werden. Sie glauben, ihr Leben hier ist sicher – in jeder Hinsicht.
Das ist naiv.
Sie kommen nicht auf den Gedanken, dass es ihnen mal schlecht gehen könnte. So verhalten sich viele von ihnen auch. Manche schaffen es nicht einmal, in den vielen Jahren, die sie hier leben, Thailändisch zu lernen. Damit gelten sie als Analphabeten und stehen in der Hierarchie ganz unten.
Wie verständigen sich denn die Männer mit ihren thailändischen Frauen?
Mit Händen und Füßen. Der Alltag regelt sich häufig von selbst, weil die Frau alles macht. Aber wenn sie weg ist, bricht für die verlassenen Männer alles zusammen. Manche wären ohne Thailändisch nicht einmal in der Lage, sich ein Flugticket zu kaufen.
Studien zufolge sind deutsche Männer, die thailändische Frauen heiraten, schüchterner, fettleibiger, älter und weniger gebildet als andere. Ein Klischee?
Sicher ein Klischee. Manche sind in der Tat nicht besonders gebildet und einige sogar recht frauenfeindlich. Sie kommandieren ihre Frauen herum und sprechen schlecht über sie, selbst wenn sie neben ihnen stehen.
Das lassen sich die Frauen gefallen?
Nicht alle. Viele Frauen hier sind sehr geschäftstüchtig und eben keine hilfsbedürftigen, verschüchterten Wesen, wie sich das manche deutsche Männer so vorstellen. Ohnehin stehen deutsche Männer hier nicht allzu hoch im Kurs. Das wissen aber viele gar nicht so genau und erliegen der Hoffnung, hier für Geld alles kaufen zu können, selbst die Frauen. Aber sehr häufig wendet sich bald das Blatt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu