Petition gegen Krankenhaussterben: Auf Patienten statt Experten hören

Geldprobleme und Fachärztemangel bedrohen ländliche Kliniken. Gegen kostspielige Anforderungen seitens der Kassen wendet sich nun eine Petition.

Ein leeres Krankenbett auf einem Klinikflur

Kein Arzt zu sehen? Immerhin ist das Krankenhaus noch da Foto: dpa

Ein schlichtes schwarz-weißes Design, seitlich die Grafik eines Totengräbers und das Bild einer Kerze in Grabstein-Optik, inklusive Totenkopf: Die Webseite „Kliniksterben.de“ erweckt den Eindruck eines virtuellen Friedhofs. Die Toten? Kliniken. Beziehungsweise ein Archiv von Presseberichten, die über die drohende oder Realität gewordene Schließung von Krankenhäusern berichten.

Auch Rainer Hoffmann kennt die Seite. Der 73-Jährige war selbst Chefarzt und arbeitete vor seiner Rente mehrere Jahre im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in Rothenburg ob der Tauber. Als dort im vergangenen Jahr der Chefarztposten frei wurde, suchte das Krankenhaus fast zwölf Monate nach einem Nachfolger – es hatte sich niemand beworben. Und das, obwohl das MVZ mit 180 Betten schwarze Zahlen schreibt und derzeit nicht von einer Schließung bedroht ist.

„Die Politik im Verein mit den Krankenkassen gibt den Krankenhäusern der Grundversorgung keine Chance, obwohl sie in der Regel ihrem Versorgungsauftrag gerecht werden“, kritisiert Hoffmann. Immer öfter werden Klinikstandorte zusammengelegt oder wegen fehlender Einnahmen geschlossen. AOK-Vorstand Martin Litsch sagte im vergangenen Dezember dem Focus: „Von unseren knapp 2.000 Krankenhäusern in Deutschland ist sicherlich ein Viertel nicht notwendig.“

Deswegen hat Hoffmann eine Petition an den Bundestag gestartet: „Stopp dem Krankenhaussterben im ländlichen Raum.“ Über 11.000 Menschen haben seit Ende März unterzeichnet, der lokale Krankenhausförderverein Mediroth und die Stadtverwaltung verbreiteten das Anliegen. Denn nicht nur Geldprobleme und Fachärztemangel bedrohen ländliche Kliniken: Erst im April hatte der dafür zuständige Gemeinsame Bundesausschuss neue Mindestanforderungen für die stationäre Notfallversorgung von Krankenhäusern beschlossen. Die finanziellen Zuschläge des Bundes orientieren sich an diesen Standards in puncto Ausstattung sowie Fachpersonal.

Schulen, Hallenbäder, Krankenhäuser

Viele Kliniken auf dem Land sind auf diese Unterstützung angewiesen: 44 Prozent der ländlichen Krankenhäuser verzeichneten 2014 laut eines Berichts des Deutschen Krankenhausinstituts Verluste. „Wie der Betrieb von Schulen und Hallenbädern, sind Krankenhäuser im ländlichen Raum für den Erhalt der Lebensqualität von entscheidender Bedeutung“, sagt Hoffmann. Nicht jede kleine Klinik brauche die vorgeschriebenen Fachstationen und Spezialisten, um die medizinische Grundversorgung leisten zu können.

„Diese Mechanismen schaffen Kriterien, um manche Krankenhäuser über die Klinge springen zu lassen“, kommentiert der pensionierte Arzt die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses. Dem Ausschuss gehören je fünf Vertreter:innen von Krankenkassen und Krankenversicherungen, sowie drei unparteiische Mitglieder an. Das Gesundheitsministerium überprüft die erarbeiteten Vorschriften lediglich auf ihre rechtliche Grundlage. Patientenvertreter:innen haben nur eine beratende Funktion. Die Petition verlangt, dass die flächendeckende Sicherung der Krankenhausversorgung „nicht in erster Linie einem Expertengremium überlassen werden darf“. Marktabdeckung und Zufriedenheit von Patient:innen sollen in der Zukunft stärker von der Politik berücksichtigt ­werden.

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