Petition gegen Internetsperren: Blogosphäre gegen "Guttenzwerg"
Über 70.000 unterzeichnen eine Onlinepetition gegen Internetsperrungen. Wirtschaftsminister zu Guttenberg macht das "betroffen" - und bringt so Netzaktivisten gegen sich auf.
Schäublone und Zensursula waren gestern. Die Netzgemeinde hat einen neuen Lieblingsgegner: Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Der hatte sich am Freitag in der "Tagesschau" negativ über die Unterzeichner einer äußerst erfolgreichen Internetpetition geäußert, die sich gegen das Sperren von Internetseiten zur Bekämpfung von Kinderpornografie wendet. "Es macht mich schon sehr betroffen, wenn pauschal der Eindruck entstehen sollte, dass es Menschen gibt, die sich gegen die Sperrung von kinderpornografischen Inhalten sträuben", sagte er. "Das ist wirklich eines der wichtigsten Vorhaben in vielerlei Hinsicht."
Dabei betont der Text der Petition, dass der Kampf gegen Kinderpornografie "absolut nicht in Frage" gestellt werden soll. Die 70.000 Unterzeichner wandten sich vielmehr gegen die Art und Weise, wie Internetseiten gesperrt und indiziert werden sollen. Man befürchte eine "Gefährdung des Grundrechtes auf Informationsfreiheit", heißt es in der Petition. Und weiter: "Eine Sperrung von Internetseiten hat so gut wie keinen nachweisbaren Einfluss auf die körperliche und seelische Unversehrtheit missbrauchter Kinder."
Darum schäumen die Netzaktivisten über Guttenbergs Äußerung. Sie fühlen sich verleumdet und überschütten den Minister in zahllosen Blog- und Twitter-Einträgen mit Häme und Ärger. Es mache ihn betroffen, wenn Politiker sich nicht zu schade seien, tausenden Bürgern die Unterstützung von Kindesmissbrauch zu unterstellen, ätzte Spreeblick-Blogger Johnny Haeusler. Bei Twitter etablierte sich innerhalb von wenigen Tagen der Spitzname "Guttenzwerg". Andere entwerfen im Stil der "Stasi 2.0"-Schäublone ein Scherenschnitt-Konterfei zu Guttenbergs mit der Unterzeile "ahnungslos, aber betroffen".
Mit der Onlinepetition hat die sonst so diffuse deutsche Netzgemeinde es geschafft, über Twitter, Blogs und soziale Netzwerke innerhalb von vier Tagen die nötigen 50.000 Mitunterzeichner für ein gemeinsames Vorgehen gegen das Gesetzesvorhaben von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und zu Guttenberg zu mobilisieren. Ein großer Erfolg, der von der Szene bejubelt wurde.
"Ich wollte, dass möglichst viele Leute verstehen, dass durch das Gesetz Inhalte unkontrollierbar zensiert werden können", erklärte die Initiatorin der Petition, die Berlinerin Franziska Heine (29). Die Angst vieler Netzaktivisten ist, dass das Thema Kinderpornografie lediglich dazu benutzt wird, ein Gesetz über Indexlisten und Netzsperren einzuführen, die nicht kontrolliert werden können und die auf andere Bereichen ausgeweitet werden können - so wie es eine Reihe von Politikern auch reflexartig gefordert hatte.
Die Äußerung zu Guttenbergs zeigt, dass die Regierung kein offenes Ohr für ihre Argumente hat. Und stärkt das Klischee vom "Internetausdrucker" - Politiker, die über Netzpolitik entscheiden, aber kaum Ahnung davon haben. Gerade im Wahlkampfjahr kein gutes Signal. Denn hier frustriert die Koalition gerade die Leute, die man derzeit über einen Web 2.0-affinen Wahlkampf à la Obama verzweifelt zu begeistern versucht. Ohne auch nur annähernd dessen Glaubwürdigkeit zu erreichen.
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