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Petition für StraßenkinderSie werden nicht gesehen

Wer kein Zuhause hat, kann beim Lockdown nicht zu Hause bleiben. Eine Petition fordert, Hotels für Straßenkinder zu öffnen.

Spenden für Menschen ohne Obdach. Kinder und Jugendliche unter ihnen haben es besonders schwer Foto: Robert Michael/dpa

In Michael Endes Buch ist Momo ein Mädchen, das andere Kinder um sich schart und den Menschen zuhört. Umgekehrt hören ihr die Erwachsenen nicht zu, wenn sie erzählt, dass graue Männer ihnen die Zeit stehlen. Diese Geschichte kennen viele. Die Message: Was Kinder sagen, interessiert Erwachsene nicht.

Das gilt bis heute, besonders auch für Kinder, die auf der Straße leben. „Die Gesellschaft sieht sie nicht, will sie nicht sehen“, sagt Florian B. Er war als Jugendlicher zwei Jahre obdachlos. Heute arbeitet er bei der Initiative „Momo, the voice of disconnected youth“. Diese Initiative ist aus den Bundeskonferenzen der Straßenkinder heraus entstanden; der Jugendhilfeträger Karuna koordiniert sie. Straßenkinder sollen so Einfluss auf Jugendhilfeträger, Politik und öffentliche Meinung nehmen können. Denn was in der Jugendhilfe falsch läuft, wissen sie oft am besten.

Die Coronakrise trifft die obdachlosen Jugendlichen besonders. Denn viele Versorgungsstrukturen, wie sie die sozialen Einrichtungen für Obdachlose bieten, fallen praktisch weg. Gleichzeitig funktionieren auch Überlebensstrategien von Straßenkindern wie Schnorren oder Flaschensammeln in menschenleeren Straßen nicht.

Hinzu kommt, dass viele Straßenkinder in der Illegalität leben und sich zum Schutz in Gruppen zusammenschließen. Seit den Kontaktsperren ist das ein Problem, zu Hause bleiben ist die Devise. Aber was, wenn man keines hat?

Jugendhilfeeinrichtungen versuchen zwar in die Bresche zu springen, aber auch die, die geöffnet haben, stehen vor Problemen. In Hamburg wurde gerade eine Notunterkunft nach einem Coronafall unter Quarantäne gestellt.

Neue Gesichter auf der Straße

Der Berliner Senat hat Hotels angemietet, um Opfer häuslicher Gewalt unterzubringen. Das fordert Momo jetzt bundesweit auch für die Unterbringung von Straßenkindern. Die von der Initiative verfasste Petition „Straßenkinder vor Corona und sexuellem Missbrauch schützen“ richtet sich an Jugendfamilienministerin Giffey und andere Verantwortliche. Nach drei Wochen hat die Forderung mehr als 7.000 Unterschriften; eine politische Reaktion gab es bisher nicht.

Unter der Petition veröffentlicht Momo Botschaften von Straßenkindern. „Die Obdachlosenheime sind überfüllt“, sagt ein Jugendlicher. Besser wäre laut André Neupert, dem Projektleiter des Berliner Momo-Büros, allerdings sowieso, wenn Straßenkinder getrennt von Erwachsenen untergebracht würden, da sie oft unter Traumata litten. Sie verließen ihr Zuhause, weil sie dort Vernachlässigung, sexuellen Missbrauch oder Gewalt erlebt hätten. Jetzt aber gingen viele Jugendliche Zwangsbeziehungen ein, „nur um ein Dach über dem Kopf zu haben“, heißt es in der Petition.

Die Bundesfamilienministerin berichtete Anfang April von einem Anstieg der Anzeigen in Berlin wegen häuslicher Gewalt um 10 Prozent. Neupert sieht die Auswirkungen schon: „Es gibt jetzt neue Gesichter auf der Straße“, sagt er.

taz am wochenende

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Die nächste Bundeskonferenz der Straßenkinder soll am 19. Mai stattfinden – digital. Auch Bundesfamilienministerin Giffey wird dabei sein. Die Momos wollen dann einen direkten Appell an sie richten, Notunterbringungen, aber auch langfristige Lösungen zu finden. „Es gibt so ein bisschen Bewegung in unsere Richtung“, sagt Florian, „weil wir lautstark auf uns aufmerksam machen.“

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2 Kommentare

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  • Ja, das geht Kindern weltweit so. So fordern die Gewerkschaften arbeitender Kinder in der Dritten Welt schon lange, dass in fairer Kinderarbeit produzierte Gegenstände hier im Fairen Handel verkauft werden können. Die Hälfte der Kinder arbeitet zwar durchaus unter ausbeuterischen Bedingungen. Das sind viel zu viele, aber es bedeutet auch: Längst nicht alle leiden unter ihrer Arbeit. Unser Bild ist da viel zu einseitig. Viele von ihnen könnten sich ohne eigene Arbeit den Schulbesuch gar nicht leisten.

    Hier ein Bericht aus Nicaragua, 1990:

    „Mit der wachsenden Menge an Aktivitäten gerieten die Kinder in das Dilemma, nicht mehr genug Zeit für alle organisatorischen Angelegenheiten zu haben, zumal sie durch ihre Arbeit, die Schule und teilweise die Familie sehr stark zeitlich in Anspruch genommen wurden. Um diesem Dilemma zu begegnen, sollten in der Zentrale der Kinderbewegung zwei „erfahrene“ und vertrauenswürdige Erwachsene eingestellt werden, die sich kontinuierlich um die „bürokratischen Sachen“ kümmern.

    Die Bewerber*innen -- in der Mehrzahl Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen auf Jobsuche -- sahen sich der ungewöhnlichen Situation ausgesetzt, vor einer Auswahlkommission, die ausschließlich aus Kindern bestand, ihre Eignung zu demonstrieren und Frage und Antwort zu stehen. Dies kostete die meisten schon einige Überwindung, aber als sie auch noch mehr als eine Stunde auf die Entscheidung der Kommission warten, d.h. sich dem Urteil der Kinder unterwerfen mussten, räumten fast alle geradezu panikartig das Feld.

    Daran zeigt sich, wie tiefverwurzelt selbst unter Erwachsenen, die den Kindern zugewandt waren und sich für ihre Rechte einsetzen wollten, die Überzeugung war, dass nicht Kinder über Erwachsene, sondern Erwachsene über Kinder zu entscheiden und das letzte Wort haben müssen.“

    Manfred Liebel, Kinderrechte aus Kindersicht. Wie Kinder weltweit zu ihrem Recht kommen, Lit Verlag, Berlin 2009, Seite 195f.



    www.pronats.de

  • Dort hätten sicher auch die Flüchtlinge aus den Lagern und Containercamps Platz, um den Abstand der Bewohner zu vergrössern