Peter Neururer über Fußballtrainer: „Der Feuerwehrmann langweilt mich“
Die Chancen eines neuen Trainers im Abstiegskampf, Fehler, die in der Bundesliga gemacht werden und unanständige Kollegen. Peter Neururer im Gespräch.
taz: Herr Neururer, wir möchten uns mit Ihnen über das Phänomen „Feuerwehrmann“ unterhal…
Peter Neururer: … Das ist doch ein Klischee, das langweilt mich nur noch. Und ich weiß auch nicht, wie Sie auf mich kommen.
Sie waren gerade mit Hannover 96 in Verhandlung und wurden als Feuerwehrmann gehandelt.
Mit Hannover ist alles völlig korrekt verlaufen. Ich bin nur nicht so schnell aus meinem Vertrag mit dem VfL Bochum rausgekommen. Und gleichzeitig ist in der Öffentlichkeit klar geworden, dass ich prinzipiell als Erstligatrainer zur Verfügung stehe.
War denn Tayfun Korkut schon beurlaubt, als Hannover den Kontakt zu Ihnen gesucht hat?
Ja, ich führe grundsätzlich keine solchen Gespräche, wenn ein Kollege noch im Amt ist. Das ist eine Frage des Anstands.
Aber Ihnen ist das schon passiert?
Ja, es gibt leider solche Typen.
Jahrgang 1955. Hat seit Ende der achtziger Jahre diverse Erst- und Zweitligamannschaften trainiert, darunter Schalke 04, Hertha BSC und den VfL Bochum. In Bochum wurde er im Dezember 2014 von seinen Aufgaben freigestellt.
Wer?
Einer, der mein Nachfolger beim VfL Bochum werden sollte, zum Beispiel. Er ist jetzt Trainer des 1. FC Nürnberg.
Werden die Sitten im Fußballlehrergeschäft rauer?
Das ist der Fall, und zwar ganz allgemein: Wie oft habe ich schon erleben müssen, dass der Kollege X, wenn er eine Mannschaft übernommen hat, erst mal öffentlich erklärt, dass die Mannschaft in einem ganz schlechten körperlichen Zustand sei. Da könnte ich innerlich brechen, wenn ich so etwas höre.
Warum macht ein Trainer so etwas?
Zunächst mal ist so ein Satz eine Unverschämtheit. Darüber hinaus soll er dem Neutrainer auch gleich ein Alibi verschaffen, wenn er nicht mehr aus der Mannschaft holen kann. Und dann ist es natürlich auch der Nachweis, dass er selbst keine Ahnung hat: Wenn die Mannschaft wirklich in so einem schlechten Zustand ist, dann hätte er es doch wissen müssen und sie nicht übernehmen dürfen!
Sagt das nicht auch etwas über die Kompetenz derer, die ihn verpflichten?
Ich habe große Ehrfurcht vor Menschen, die etwa in der Wirtschaft etwas erreicht haben. Die haben Ahnung in ihrem Bereich. Der Fußball aber ist ein eigenes Geschäft, man muss Ahnung davon haben.
Geben Sie ein Beispiel!
Peter Knäbel zum zwischenzeitlichen Cheftrainer zu machen war ein Fehler. Der war vor 15 Jahren mal Spielertrainer beim FC Winterthur. Mit so wenig Erfahrung glaubte er, er den HSV in einer entscheidenden Phase übernehmen zu können. Das kann man aber nicht nebenbei machen.
Wie ist es bei den anderen Klubs?
Nehmen Sie doch mal die Bundesliga. Lassen wir die Bayern mal außen vor, die zeigen ja, dass sie vieles richtig machen. Nehmen wir Bayer Leverkusen. Die haben seit Jahren mit Rudi Völler einen exzellenten Fußballexperten, und der Erfolg gibt ihnen recht. Dann haben wir noch den VfL Wolfsburg, wo mit Klaus Allofs ein Fußballfachmann die Geschäfte führt. Auch mit Erfolg. Aber dann kommt nicht mehr viel. Es gibt kaum noch Fußballsachverstand in den Führungsetagen der Bundesligaklubs.
Viele Führungsetagen suchen derzeit „Feuerwehrmänner“. Hat das damit zu tun, dass sie so wenig Ahnung haben?
Ach, der „Feuerwehrmann“, der „Retter“, was wird von dem erwartet?
Klassenerhalt.
Und wenn er das nicht schafft?
Dann ist er gescheitert.
Aber warum? Der Trainer ist doch immer das schwächste Glied in der Kette. Wenn der in der Schlussphase eine Mannschaft übernimmt, dann übernimmt er doch auch die Fehler der Vorgänger.
Sie waren selbst schon öfter als „Feuerwehrmann“ tätig. Jetzt sagen Sie, als Trainer könne man eigentlich nichts machen. Das ist doch ein Widerspruch.
Doch, man kann als Trainer ganz viel machen. Aber es kommt auf ein paar Dinge an: Wie ist der Zustand der Mannschaft, was waren die Zielvorstellungen vor der Saison und wie weit weg ist man davon, und wie kann die Mannschaft mit Misserfolgserlebnissen umgehen? Da kann man noch einiges bewegen.
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