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Peta-Protest mit Sarah Connor in BerlinSich einmal so wie ein Orca fühlen

Bei einer Aktion macht Sarah Connor gemeinsame Sache mit der Tierschutzorganisation Peta. Die Sängerin fordert vor einem Reisebüro: „Lasst mich frei!“

Ein Orca braucht auch viel Platz im Wasser Foto: Robin Utrecht/picture alliance/dpa

A uf dem trostlosen Asphalt von Berlin-Mitte steht ein Aquarium wie ein gläsernes Gefängnis, in das sich in einem verzweifelten Akt Sarah Connor zwängt. Mit panischen Bewegungen dreht sie sich in endlosen, qualvollen Kreisen, während die kalten Glaswände sie immer wieder gnadenlos zurückschleudern. Die Enge wird erdrückend, und ihre Kräfte schwinden zusehends. Als sie entlassen wird, taumelt sie, zitternd und durchnässt, zurück auf die Straße – gebrochen, als hätte sie selbst die Qualen eines eingeengten Orcas durchlebt.

Die Tierschutz­organisation beherrscht die Gefühlsklaviatur meisterhaft: schockierende Bilder, maximale Aufmerksamkeit!

In etwa so hätte man sich doch die PR-Inszenierung von Peta vorstellen müssen, nach der spektakulären Ankündigung für die Protestaktion mit der Sängerin: „Peta sperrt Sarah Connor in Aquarium ein!“ Denn die Tierschutzorganisation beherrscht die Gefühlsklaviatur meisterhaft: schockierende Bilder, gezielte Provokationen, maximale Aufmerksamkeit! Das Ziel? Die abgebrühte Menschheit für das Leid der Tiere zu sensibilisieren.

Das sollte auch am Dienstag der Fall sein, als sie gegen den Reiseanbieter TUI protestierte, der Eintrittskarten in Meereszoos verkauft, in denen Orcas und Delfine in Betonbecken eingesperrt werden, die die Peta als artwidrig einstuft. Die Forderung: „Stoppt den Verkauf von Eintrittskarten für Meereszoos!“

Peta ist bekannt für radikale und manchmal auch geschmacklose Aktionen wie etwa die geplante (und letztlich verbotene) Wanderausstellung unter dem Titel „Der Holocaust auf deinem Teller“. Hier wollte die Tierschutzorganisation Bilder von ausgehungerten KZ-Häftlingen neben Bildern von Hühnern und Kühen in der Massentierhaltung zeigen. Umstritten war auch der Versuch, an einem Gründonnerstag vor einigen Jahren in Ulm drei Ak­ti­vis­t*in­nen mit Masken von Lamm, Hase und Kalb an Kreuzen festzubinden, um das Leiden Jesu mit dem der Tiere gleich­zusetzen.

Spektakel soll Schlagzeilen machen

Wobei Ulm als Schauplatz eher die Ausnahme ist. Dorthin verirrten sich die Peta-Provokateure wohl eher wegen des reli­giö­sen Kontexts der Aktion, der in der Hauptstadt nur wenig Beachtung findet. Auch beim Connor-Orca-Protest ergibt die Wahl Berlins nicht unbedingt Sinn, denn der TUI-Hauptsitz liegt in Hannover. Aber das spielt keine Rolle, denn in Hannover sitzt keine sen­sa­tions­hun­gri­ge Hauptstadtpresse, die so ein Spektakel mit „Connor sorgt für Aufsehen!“-Schlagzeilen belohnt.

Ein Aufsehen, das sich auch Sarah Connor gern zunutze macht. Mit aufsehenerregenden Aktionen kennt sich die Sängerin aus: Nach ihrem Auftritt bei „Ich habe Frauen im Fern­sehen rein dienst­lich angefasst“-Gottschalk in einem durchsichtigen Kleid versteigerte sie das wie auch den Slip kurzerhand für stolze 5.050 Euro. Der Erlös ging an einen wohltätigen Zweck, versteht sich.

Auch an diesem Dienstag geht das Kalkül auf. Die Presse springt auf die PR-Nummer an. Etwa 30 Jour­na­lis­t*in­nen kämpfen um das beste Foto. Als Connor das Becken verlässt, folgt auf das Blitzgewitter eine RTL- und Sat.1-Liveschalte.

Nur gab es eigentlich gar keine Sensation. Die Kollaboration der „Protest-Prinzessin“ und der Peta-Hauptstadt-Provokateure war entgegen der Ankündigung doch alles andere als spektakulär. In der ernüchternden Realität legte sich Sarah Connor – die mit ihren blau lackierten Nägeln und Haarsträhnen einem Orca doch wirklich fast zum Verwechseln ähnlich sah – vollgekleidet auf eine Liege vor dem Reisebüro in Mitte. Ak­ti­vis­t*in­nen umrahmten sie mit einem Plexiglasrechteck, halbherzig mit Wellenstickern versehen. Voilà: ein „Aquarium“! Minutenlang räkelte sich die Sängerin mit einem „Lasst mich frei!“-Schild in der Hand, wie bei einem Playboy-Shoot.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Uhhh, da lief die Presse aber richtig heiß: Klick, klick, klick, das Fotogewitter war gar nicht zu stoppen. Noch schnell ein paar Selfies gemacht und auf Shirts signiert, und schon hat der Delmenhorster Popstar die Welt ein Stück weit verbessert. Danke Sarah.

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Lilly Schröder
Redakteurin für Feminismus & Gesellschaft im Berlin-Ressort Schreibt über intersektionalen Feminismus, Popkultur und gesellschaftliche Themen in Berlin. Studium der Soziologie und Politik.
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1 Kommentar

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  • Also ich würde mir wünschen, dass mehr Leute, deren Namen öffenlich sind, viel mehr für bzw. gegen etwas einsetzen. Daher verstehe ich die Geringschätzigkeit eher weniger, auch wenn ich generell nicht gut, dass Öffentlichkeit per se besser gehört und gesehen wird. Aber es ist zu spät, besser alles nutzen, was Öffentlichkeit für das Thema herstellt.