Personalnotstand bei Rettungskräften: Rettungswagen leer
An Silvester können Feuerwehr und Co. für ausreichende Rettungskräfte auf den Straßen sorgen. Den Rest des Jahres über sieht es schlecht aus.
Das ist die dreifache Zahl von normalen Nächten. „Wir bringen auf die Straße, was rollen kann“, sagt Feuerwehrsprecher Vinzenz Kasch der taz. „In den vergangenen Silvesternächten hatten wir 1.700 Einsätze, die Coronazeit ausgenommen.“
Doch anders als bei den Rettungswagen und Notarzteinsatzwagen, die rollen können, ist beim Personal Not angesagt: 5.000 Mitarbeiter hat die Berliner Feuerwehr, 1.000 Stellen sind laut dem Landesvizechef der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft, Manuel Barth, derzeit unbesetzt, die meisten im Rettungsdienst.
Noch schwieriger sei die Personalsituation bei den Hilfsorganisationen, die im Auftrag der Feuerwehr Notfalleinsätze fahren, sagt Feuerwehrsprecher Vinzenz Kasch. Da sei es ein Glück, dass die Bundeswehr in Berlin als einzigem Bundesland Notfalleinsätze fahre. Das diene der Aus- und Fortbildung der Truppe und entlaste die Berliner Rettungsdienste erheblich.
Notstand an 364 Tagen
Noch ist die Feuerwehr in der Lage, durch Urlaubspläne und entsprechende Dienstplanungen die Einsätze der Rettungsdienste für die besondere Nacht abzusichern. „Aber wir haben an den 364 anderen Tagen im Jahr Personalnotstand“, sagt Gewerkschafter Manuel Barth. Eine neue Regelung seit April, derzufolge bei minderschweren Fällen Notfallwagen mit weniger Personal im Einsatz sind, hätte da bereits Abhilfe geschaffen, lobt er.
Auf die Frage der taz, wie man die Personalnot bei Rettungssanitätern beheben könne, antwortet Barth nicht mit der Forderung nach höheren Bezügen, wie man es von einem Gewerkschafter erwarten könnte. Stattdessen sagt er: „Wir müssen die Einstellungsverfahren entbürokratisieren und verkürzen. Derzeit dauert es sechs Monate und länger von der Bewerbung bis zur Einstellung eines neuen Mitarbeiters. Bis dahin haben die meisten Bewerber schon woanders einen Job gefunden.“
Dieses Problem räumt auch der Feuerwehrsprecher ein. Er sagt aber: „Unsere begonnene Ausbildungsoffensive wird bereits nächstes Jahr zu einer spürbar besseren Personalsituation führen.“ Dennoch bedürfe es auch in den kommenden Jahren mehr Auszubildender, um den zu erwarteten altersbedingten Abgang von Rettungssanitätern auszugleichen.
Kostenlos ins Schwimmbad
Kasch freut sich, dass im Doppelhaushalt 2024/25 mehr Geld für das Gesundheitsmanagement des Personals bereitsteht – etwa für Sportgeräte in den Feuerwehren und kostenloses Schwimmen in den Berliner Bädern. „Das ist für unsere Kollegen wichtig, denn sie müssen fit sein bis ins hohe Alter. Sonst fallen sie aus.“
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte letzten Sommer angekündigt, die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass neben Feuerwehr und Hilfsorganisationen auch private Firmen in der Notfallrettung eingesetzt werden können. Sie erhofft sich dadurch eine Entlastung des vorhandenen Personals. Doch Krankenkassen, das DRK, die Johanniter und die Malteser widersprachen: Stattdessen sollten die bisherigen Anbieter mehr Personal bereitstellen. Auh die Grünen warnten vor einer schleichenden „Privatisierung des Rettungsdienstes“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?