Personalnot im öffentlichen Dienst: Sparen an der Sicherheit
Der Niedersächsische Beamtenbund schlägt Alarm: Polizei, Zoll, Justiz, Steuerfahndung, Gewerbeaufsicht – all diese Bereiche klagen über Überlastung.
Sechs Einzelgewerkschaften, alle aus dem Sicherheitsbereich, hat der NBB-Landesvorsitzende Alexander Zimbehl für ein gemeinsames Pressegespräch zusammengetrommelt. Die Botschaft: Die Kollegen bei der Polizei, im Strafvollzug, im Justizdienst an den Gerichten, in der Steuerfahndung, beim Zoll und in der Gewerbeaufsicht sind an der Belastungsgrenze.
Beim Strafvollzug etwa gab es schon 2017 einen anerkannten Personalbedarf von 200 Stellen, sagt Oliver Mageney vom Verband Niedersächsischer Strafvollzugsbediensteter. Eine Zielgröße von rund 50 zusätzlichen Stellen pro Jahr sei damals mit der Großen Koalition vereinbart worden. Nun, zum Ende der Legislaturperiode, verzeichne der Stellenplan ganze sechs Stellen Zuwachs.
Gleichzeitig seien die Anforderungen immer höher geworden: Eine wachsende Anzahl an psychisch kranken Inhaftierten oder traumatisierten Geflüchteten mache den Alltag in den Haftanstalten nicht einfacher.
Unbesetzte Stellen sind in allen Bereichen ein Problem
Dazu komme der massive Sanierungsstau: „Das betrifft ja nicht nur die Unterbringung der Gefangenen, das sind eben auch unsere Arbeitsbedingungen“, sagt Mageney. Niemand wolle einfach nur Verwahrvollzug machen, aber wenn sich nichts ändere, sei der gesetzliche Resozialisierungsauftrag nicht mehr zu erfüllen.
Justizministerin Barbara Havliza (CDU) wehrt sich gegen die Kritik. Sie spricht von fast 80 neuen Stellen im Justizvollzugsdienst und großen Anstrengungen in der Nachwuchswerbung.
Ein Problem, mit dem fast alle Bereiche zu kämpfen haben: Man bekommt die frei werdenden Stellen nicht besetzt, weil private Arbeitgeber bessere Angebote machen. Der öffentliche Dienst ist in Krisenzeiten zwar als sicherer Arbeitgeber gefragt, zugleich rollt aber die gewaltige Pensionierungswelle der Babyboomer durch die Verwaltungen.
Das betrifft nicht nur die hochspezialisierten Fachkräfte, sondern auch die unteren Gehaltsgruppen. Seit Jahren streitet der NBB mit dem Land um eine ausreichende Alimentierung, wie es bei Beamten heißt, weil man glaubt, dass die unteren Einkommen nicht genügend Abstand zur sozialen Grundsicherung aufweisen.
Auch Zoll und Steuerfahndung sind betroffen
2018 gab das Bundesverfassungsgericht den Musterklägern in Teilen recht, das Land musste nachbessern. Mit dem Ergebnis ist der NBB immer noch nicht zufrieden, er strebt eine weitere Klärung vor dem Bundesverfassungsgericht an.
Besonders ärgerlich ist der Personalmangel in den Bereichen, die im Grunde in der Lage wären, ihre Kosten wieder einzuspielen, betonen die Gewerkschafter. Das betrifft zum Beispiel den Zoll oder die Steuerfahndung.
Auch hier steigen die Anforderungen, während die Arbeitsbedingungen nicht Schritt halten. „Wir fahren mit unseren Privat-Pkw zu den Außeneinsätzen, weil es keine Dienstfahrzeuge gibt“, klagt Marianne Erdmann-Serec von der Deutschen Steuergewerkschaft.
Zur Gefahrenabschätzung, ob man es beispielsweise mit Reichsbürgern oder organisierter Kriminalität zu tun habe, müsse man jedes Mal die Kollegen von der Polizei bemühen – eine eigene Abfrage zu laufenden Strafverfahren oder Vorstrafen ist nicht gestattet.
Auch beim Zollfahndungsdienst entspreche die Personaldecke längst nicht dem, was an neuen Aufgaben dazugekommen sei, sekundiert Olaf Wietschorke von der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft.
Möglicherweise, räumen die Gewerkschafter am Rande ein, würde auch eine rigorosere Aufgabenkritik und die Schrumpfung des einen oder anderen Wasserkopfes etwas bringen. Sie haben aber den Eindruck, dass die Politik den Ernst der Lage verkennt.
Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) weist die Forderungen prompt zurück: „Aufgrund des nachlassenden wirtschaftlichen Wachstums und der Gefahr der Rezession ist es das falsche Signal, den Staatsapparat aufzustocken und mehr Personal in Landesbehörden einzustellen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär