Personalkarussell bei der Deutschen Bank: Altlasten-Entsorgung
Das Flaggschiff des bundesrepublikanischen Kapitals tauscht seinen Chefjuristen aus – und zeigt, dass es im Umgang mit Skandalen nichts gelernt hat.
Das Flaggschiff des deutschen Kapitals steckt in einer tiefen Krise: Aktuell schlägt sich die Deutsche Bank mit rund 7.000 Rechtsstreitigkeiten herum, einige könnten Strafzahlungen in Milliardenhöhe nach sich ziehen. „Dieses Thema zu lösen ist meine persönliche Priorität“, erklärte John Cryan kürzlich in einer Telefonkonferenz mit Analysten. Die Börsenbeobachter werden das gerne gehört haben, denn der ständige Ärger mit Justizbehörden gefällt den AnlegerInnen gar nicht. Sie wollen Milliarden als Dividende ausgezahlt bekommen und nicht als Strafzahlung verschwinden sehen. Seit 2012 hat die Bank mehr als 8 Milliarden Euro für Strafen und Rechtskosten gezahlt.
Cryan ist vor fünf Wochen als Nachfolger von Anshu Jain in die Frankfurter Zwillingstürme eingezogen. Jain wurde immer wieder seine Verwicklung in die Libor-Affäre vorgeworfen, einem der größten Skandale in der Finanzwelt. Es geht um einen Zinssatz, der für KundInnen auf der ganzen Welt darüber entscheidet, ob sie für ihre Immobilienkredite mehr oder weniger zahlen müssen. Manager von Großbanken haben den Zinssatz hoch- und runtergefahren – je nachdem, worauf sie gerade gewettet hatten und womit sie und vor allem ihre Arbeitgeber mehr verdienen konnten.
Solche Manipulationen sind verboten. Sie kamen ans Licht, als sich der Liborzinssatz in der Finanzkrise merkwürdig entwickelte. Die Aufregung war groß, die Verantwortlichen der Deutschen Bank erklärten ihre Bereitschaft, die Manipulationen zu durchleuchten und Konsequenzen zu ziehen. So etwas hat seinen Preis, wenn es auffällt: 2,2 Milliarden Euro musste die Deutsche Bank an Strafe zahlen, mehr als jede andere der rund ein Dutzend beteiligten Banken. Das sind auch für die Deutsche Bank keine Peanuts.
Seltene Indiskretion
Der Finanzaufsicht hatte vor allem die Rolle eines Mannes nicht gefallen: des Deutsche- Bank-Chefjuristen Richard Walker. Er gilt als exzellenter Kenner der US-amerikanischen Justiz, die für die Aufarbeitung der Libor-Affäre maßgeblich verantwortlich war. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hatte ihn wegen mangelnder Aufklärung ausdrücklich kritisiert – so etwas ist in der diskreten Welt der Hochfinanz selten.
Jetzt hat der neue Chef Cryan gezeigt, wie er mit der Libor-Affäre weitermacht: so wie seine Vorgänger. Richard Walker wird seinen Posten räumen – zum Jahresende und, so die Verlautbarung aus der Chefetage, auf eigenen Wunsch. Doch vorerst darf er als interner Berater und im erweiterten Vorstand bleiben. Cryan will den 64-Jährigen offenbar nicht beschädigen und ihm einen honorigen Abgang verschaffen, zu der vermutlich auch eine hübsche Summe mit vielen Nullen gehört. Eine Krähe hackt der anderen eben kein Auge aus, auch und gerade nicht in der Finanzwelt.
Die Deutsche Bank geht mit ihren Megaskandalen immer noch um, als wären es Kavaliersdelikte. „Der neue Chef der Deutschen Bank organisiert die Rechtsabteilung neu, um Altlasten schneller abzuarbeiten“, schreibt das wirtschaftsfreundliche Handelsblatt.
Doch wenn das wirklich so wäre, müsste er mit sich selbst beginnen. Er war früher Finanzchef bei der UBS, einer Bank, die ebenfalls in den Skandal um die Manipulation des Liborzinssatzes verwickelt war. Außerdem saß er lange im Aufsichtsrat der Deutschen Bank und hätte als Kontrolleur durchaus Einfluss auf Verschleierung und Aufklärungsblockade nehmen können.
Der Deutschen Bank ist nicht klar, dass sie auf Bewährung ist. Wenn sie ihre kriminelle Vergangenheit nicht in den Griff bekommt, wird sie verschwinden. Macht nichts. Schade ist nur, dass dann all die anderen Verbrechen ungesühnt bleiben, die sie auf dem Kerbholz hat – von ihrer Verwicklung in den Nationalsozialismus über die Unterstützung des südafrikanischen Apartheidstaats bis zu Rüstungsexporten. Auch das sind Altlasten.
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