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Pérez Molina gewinnt PräsidentenwahlEin General für Guatemala

Otto Pérez Molina gewinnt die Stichwahl ums Präsidentenamt von Guatemala. Menschenrechtler befürchten eine Militarisierung wie im mexikanischen Drogenkrieg.

Wahlparty: Peréz Molina im Kreise seiner Anhänger. Bild: dapd

SAN SALVADOR taz | Guatemala wird in den kommenden vier Jahren wieder von einem Militär regiert. Der 61-jährige General im Ruhestand Otto Pérez Molina hat am Sonntag die Stichwahl ums Präsidentenamt klar gewonnen. Nach dem vorläufigen Ergebnis kam der Kandidat der rechten "Patriotischen Partei" auf knapp 55 Prozent der Stimmen.

Sein Kontrahent Manuel Baldizón von der ebenfalls rechten "Partei der erneuerten demokratischen Freiheit" erreichte entsprechend rund 45 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag unter 50 Prozent. Schon den ersten Wahlgang hatte Pérez Molina mit 37 Prozent klar vor Baldizón (22 Prozent) gewonnen.

"Ich werde euch nicht enttäuschen", sagte Pérez Molina, nachdem er vom Wahlrat zum Sieger erklärt worden war. "Sicherheit und Gerechtigkeit werden meine Prioritäten sein." Vor vier Jahren noch hatte Molinas Programm einer Politik der "harten Hand" gegen die überbordende Kriminalität die Mehrheit der Guatemalteken erschreckt. Er verlor die Stichwahl gegen den sanften Sozialdemokraten Álvaro Colom.

Weil unter dessen Regierung die Kriminalität weiter zugenommen hat, trauen die Guatemalteken nun offenbar einem Militär eher zu, Jugendbanden und Drogenmafias in den Griff zu bekommen. Guatemala gehört mit 47 Morden pro 100.000 Einwohnern im jahr zu den gewalttätigsten Ländern der Welt.

Pérez Molina ist der erste General, der nicht durch einen Staatsstreich, sondern durch eine Wahl Präsident Guatemalas wird. Die Militärdiktatoren, die nach dem Sturz des Reformpräsidenten Jacobo Arbenz im Jahr 1954 das Land 32 Jahre lang regierten, hatten sich allesamt an die Macht geputscht.

Pérez Molinas düstere Vergangenheit

Unter ihrer Regie war Pérez Molina Anfang der achtziger Jahre für Militäroperationen in der mehrheitlich von Maya bewohnten Provinz Quiché verantwortlich. Seine Einheit soll dort mehrere Massaker an der Zivilbevölkerung verübt haben. Pérez Molina hat dies im Wahlkampf stets angestritten.

Im Vergleich zu seinem 20 Jahre jüngeren Kontrahenten Baldizón wirkt der General fast schon gemäßigt. Baldizón hatte im Wahlkampf öffentliche Hinrichtungen gefordert. Er wollte die Polizei auflösen und durch eine militärisch strukturierte Nationalgarde ersetzen.

Vielen Guatemalteken ist Baldizón suspekt. Der neureiche Jungunternehmer ist in seiner Heimatprovinz Petén innerhalb weniger Jahre zu einem mächtigen Mann aufgestiegen. Dort wird viel Geld mit Drogen verdient: über den Petén wird der größte Teil des von Kolumbien kommenden Kokains nach Mexiko geschleust.

Menschenrechtsorganisationen befürchten nun eine Militarisierung der Gesellschaft nach dem Vorbild des mexikanischen Kriegs gegen die Drogenkartelle. Pérez Molina hatte im Wahlkampf zwar versprochen, Polizei und Staatsanwaltschaft zu stärken. Er hat aber offen gelassen, ob er das Mandat der Uno-Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala (Cicig) verlängern wird, die dem Land bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens hilft.

Auch über die Zukunft von Generalstaatsanwältin Claudia Paz y Paz hat sich der zukünftige Präsident nur vage geäußert. Paz y Paz hat in den vergangenen Monaten die ersten Strafverfahren wegen Völkermords gegen die Schlächter des Bürgerkriegs angestrengt – ein Vorwurf, der eines Tages auch Pérez Molina treffen könnte. Als Präsident aber hat er das Recht, die Generalstaatsanwältin zu entlassen.

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3 Kommentare

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    Karl-Heinz Brodbeck

    Zur Präsidentschaftswahl in Guatemala am 06.11.2011:

    Die Guatemalteken durften sich bei der gestrigen Stichwahl zwischen Baldizon und Perez Molina zwischen Pest und Cholera entscheiden. Das haben sie sich selbst zuzuschreiben, da sie im ersten Wahlgang einen moralisch integren und politisch fähigen Kandidaten wie Suger aussortiert haben, wie schon vor 4 Jahren. Gewählt werden hier schon immer die Kandidaten, die am meisten versprechen. Nur so kam der "Jungunternehmer" Baldizon zu seinen knapp 45 % Wählerstimmen, v.a. auch mit Hilfe der Anhänger der ehemaligen Präsidentschaftsgattin Sandra Torres, die von Beginn der letzten Amtsperiode des nun ausscheidenden Präsidenten Colom als Kandidatin aufgebaut wurde. Der in der TAZ als "sanft" und "Sozialdemokrat" bezeichnete Amtsinhaber war unterm Strich eine erbärmliche Marionette und absolut regierungsuntauglich. Seine Gattin gebärdete sich als Freundin der Armen, ihr Programm "La familia progresa" hatte zwei Funktionen: 1. Stimmenfang bei den Armen und Analphabeten für die nun ohne sie verlaufene Wahl, da der oberste Gerichtshof ihre Kandidatur nicht zuließ, obwohl sie sich aus taktischen Gründen Anfang des Jahres von ihrem Mann scheiden ließ 2. Machterhalt des Torres-Colom-Clans 3. Unterschlagung von Geldern, die für das Sozialprogramm vorgesehen war (Punkt 3 ist eine noch unbewiesene Behauptung).

    Der designierte Präsident ist ehemaliger General und hat natürlich aus der Bürgerkriegszeit Dreck am Stecken. Man kann verstehen, dass er für die indigene Bevölkerung nicht wählbar war. Aber das Land braucht dringend einen Präsidenten, der mit der Korruption aufräumt und der Drogenmafia ernsthaft den Kampf ansagt. Ob Perez Molina dieser Mann ist, wagt niemand vorherzusagen. Die Drogenmafia kontrolliert hier längst alle Instanzen und ist ein "Staat im Staat". Auch Perez Molina werden gute Beziehungen zur Mafia nachgesagt. Vermutlich kann dieses Krebsgeschwür nur beseitigt werden, wenn die USA - der Hauptabnehmer aller Drogen und damit Krebs-Verursacher - ihre Drogenpolitik endlich liberalisieren. Aber das ist wiederum politisch nicht opportun in diesem verlogenen bigotten Land.

  • L
    Lola

    Neuigkeiten direkt aus Guatemala Stadt: In der letzten Woche vor der ersten Wahl wurde bereits die neue nationale Polizeiflotte präsentiert. Das historische Zentrum wurde bereits militarisiert und erst letzte Woche die ersten 26 Menschenrechtler wegen früheren aktiven Widerstandsaktivitäten von Militärs angeklagt. In den letzten fünf Monaten schrieb die nationale Militärassoziation mehrere offene Briefe, die sie in der nationalen Presse verteilen ließen, und in der ganz offen zum, wenn nötig, bewaffneten "Widerstand gegen die neuen Rechtsaktivitäten der feindseligen ex guerrilleros" aufrufen. Abgesehen von den zu erwartenden "Sicherheitspolitiken", die nichts weiter als Milliardenverträge mit der US-Waffenindustrie beinhalten, war die ganze Wahlkampagne schon eine Riesenfarce. Nebst patriotischen Parolen, Einschüchterungen und wie fast selbstverständlich bei einer Impunitätsrate von 98%, unaufgeklärten Wahlmorden, Wahlkäufen, und vor allem einer aggressiven Medien-und visuell eigentlich allgegenwärtigen Präsenz, war eigentlich leider schon seit langem klar, wer das Rennen, oder besser gesagt, die Zahlen machen würde. Und obendrauf, hielf die Presse ordentlich mit: Señor Presidente hieß er nämlich schon lange vor gestern. Wie sarkastisch dieser "Ex"-General Perez Molina wirklich sein kann, bewies er mit dem Ende seiner Wahlkampagne: genau dort, wo er - beweislich: http://www.youtube.com/watch?v=Lko0lLyMyhc - in den achtziger Jahren an mehreren Massakern im Generalkommando beteiligt war, in der Quiche-Provinz, schloss er diese ab.

    Neuerdings verweist Perez Molina auf seine Pläne für sogenannte "Entwicklungsprogramme" für die Landbevölkerung, sprich zu erwartende massive militarisierte Enteignungen, und "Sozialprogramme", sprich die Anklage und zu erwartende Verfolgung von Menschenrechtlern. In Guatemala hat man Angst vor dem Präsidenten. Aber man hat keine Wahl. Gestern wurde nicht gewählt, es wurde bestimmt.

  • C
    Claus

    Dass die Generäle nach 1954 allesamt per Staatsstreich an die Macht kamen, stimmt so nicht. Ydigoras 1958, Arana 1970, Laugerud 1974 und Lucas 1978 wurden durch - unfreie und teils massive gefälschte - Wahlen zu Präsidenten, aber geputscht haben sie nicht.