Peinlicher Brief der IWF-Chefin Lagarde: Benutze mich!
IWF-Chefin Lagardes unterwürfiger Brief an den Präsidenten Sarkozy war persönlich. Nun wurden die Bitten nach Führung und Unterstützung öffentlich.
PARIS taz | Die französische Zeitung Le Monde hat einen Brief von Christine Lagarde an Nicolas Sarkozy abgedruckt, der im Nachhinein der derzeitigen IWF-Chefin höchst peinlich sein muss. Natürlich war das undatierte Schreiben, das dem Inhalt zufolge aber aus dem Jahr 2007 stammen muss, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Es wurde bei einer richterlichen Hausdurchsuchung im Rahmen der Ermittlungen zum Adidas-Deal zugunsten von Bernard Tapie gefunden und nun an die Medien weitergeleitet.
Der Brief sagt viel aus über das Klima von Macht und Intrigen um den im Mai 2007 zum Staatspräsidenten gewählten Sarkozy. Die heutige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) hatte sich nie damit gebrüstet, eine Feministin zu sein. Die Enthüllung von Le Monde aber liefert von ihr ein beschämendes Bild einer Frau, die für einen Platz an der Sonne – oder neben dem „Sonnenkönig“ – ihre totale Gefolgschaft anbietet.
Dass Lagarde wie viele andere dem neuen Staatschef ihre Dienste angetragen hätte, würde niemanden schockieren. Doch warum bloss tut sie das in diesem mehr als unterwürfigen Tonfall: „Benutze mich so lange, wie es dir passt und wie es deiner Aktion und deinem Casting entspricht. Wenn du mich brauchst, benötige ich deine Führung und Unterstützung: ohne Führung wäre ich ineffizient, ohne Unterstützung wäre ich nicht sehr glaubwürdig. Mit meiner immensen Bewunderung, Christine L.“.
Mit diesen Worten hat sich die sonst so selbstbewusst auftretende Frau allem Anschein nach nicht um einen untergeordneten Posten beworben. Die ehemalige New Yorker Geschäftsanwältin wurde jedenfalls 2007 zuerst kurz Ministerin für Landwirtschaft und Fischerei, wenig später aber von Präsident Sarkozy an die Spitze des Wirtschafts- und Finanzministeriums befördert.
Lagardes IWF-Position
Als 2011 IWF-Boss Dominique Strauss-Kahn wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer New Yorker Hotelangestellten zu Fall kam, schlug Sarkozy seine ihm ergebene Lagarde sogleich als Nachfolgerin vor. Im Nachhinein muss sie sich jetzt die Frage gefallen lassen, ob ihr schriftlicher Bückling vor dem allmächtigen Herrn im Elysée-Palast der Preis für diese Karriere war.
In ihrem Brief hatte sie ihm mit einer in der Politik unüblichen Selbstverleugnung und einem Seitenhieb gegen gewisse Günstlinge versichert: „Ich hege keinerlei persönliche politische Ambitionen, und ich habe nicht den Wunsch, ein dienstfertiger Ehrgeizling zu werden wie viele in deinem Umkreis, deren Loyalität neueren Datums und oft nicht von Dauer ist.“
Auf diese unverbrüchliche Loyalität kann der vor einem Jahr abgewählte Sarkozy heute noch zählen. Ihr Treueschwur hat eine Langzeitgarantie. Als Lagarde im Mai von der Finanzbrigade zur Rolle des Staatschefs beim sehr dubios anmutenden Schiedsgerichtsentscheids im Adidas-Streit und dem 400-Millionen-Geschenk für den Sarkozy-Freund und -Wahlhelfer Bernard Tapie befragt wurde, hielt sie eisern dicht:
„Wahlpolitische Fragen hatten keinen Einfluss auf meine Entscheidung im Adidas-Streit“, erklärte sie den Ermittlern, die dennoch wegen Verdachts auf „bandenmässigen Betrugs“ (im Interesse von Tapieund Sarkozy) ein Verfahren gegen Lagardes Ex-Kabinettsdirektor Stéphane Richard eingeleitet haben, der sich nun wesentlich gesprächiger als erweist.
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