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Peer Steinbrück vor dem Bundestag"Lauter! Lauter!"

Zum ersten Mal seit seiner Abwahl redet Ex-Finanzminister Peer Steinbrück vor dem Parlament. Sein Comeback enttäuscht selbst die SPD-Konservativen. Ein Ortstermin.

Kandidat für attraktive Ämter? Peer Steinbrück. Bild: reuters

BERLIN taz | Er sitzt ganz vorne, so weit wie lange nicht. Sogar Sigmar Gabriel hat in der Reihe hinter Peer Steinbrück Platz genommen, als die Kanzlerin zum Euro-Rettungsschirm spricht. Steinbrück ist wieder da. Er tritt gleich gegen Merkel an, er zischt noch schnell ein Glas Parlamentsmineralwasser weg. Gleich wird er sie halten, die erste Rede seit seinem Abgang von der ganz großen Politik. Das Comeback.

Und dann das.

"Lauter!" - "Lauter!" - "Bitte lauter!", tönen die Rufe aus den hinteren Reihen der FDP. Peer Steinbrück spricht leiser als die Kanzlerin zuvor, seine Sätze sind sehr lang. "Europa befindet sich am Scheideweg", sagt er, "wir sollten die Debatte nicht auf der Ebene kleinlicher Nationalismen führen." In seinem Buch "Unterm Strich" schreibt Steinbrück, seine Frau Gertrud habe ihm einige Phrasen vom Komplizierten ins Leserliche redigiert. Vor diesem wichtigen Auftritt hatte Gertrud anscheinend keine Zeit.

Es ist Steinbrücks erste Rede, seit er nach der Bundestagswahl 2009 sein Amt als Bundesfinanzminister aufgeben musste. Es war kein einfaches Amt. Steinbrück war kurz davor, die Neuverschuldung in Deutschland auf null zu bringen, das wäre eine Sensation gewesen. Dann kam die Finanzkrise, in den USA brach die Bank Lehman Brothers zusammen und in München fast die Hypo Real Estate. Plötzlich kam es auf Steinbrück an. Er schnürte im Morgengrauen Rettungspakete, damit die Märkte am Morgen glücklich sind, und gab im Kanzleramt Pressekonferenzen. Das prägt, es gibt das Gefühl von Unverzichtbarkeit. Steinbrück war mehr als ein Finanzminister.

Seinem gefühlten Status entsprechend trat er gegen Merkel an diesem Donnerstagmorgen auch wieder mit den ganz großen Linien deutscher Europa- und Finanzpolitik an.

Weil es seine erste Rede war, haben viele mit großer Spannung darauf gewartet. Besonders in der SPD. Denn dort gibt es eine Reihe von Stimmen, die sagen, dass einer wie Steinbrück der heutigen SPD fehlt. Einer mit der Rhetorik von Sigmar Gabriel und der Glaubwürdigkeit von Frank-Walter Steinmeier.

Nur, irgendwie springt der Funke nicht über. "Ich will gleich zu Beginn konzedieren, Frau Bundeskanzler, dass das heute und morgen zur Abstimmung anstehende Paket im Europäischen Rat keine kleinkarierte oder von oppositionellen Reflexen geprägte Kritik verdient", sagt Steinbrück. Es folgt eine Grundsatzrede, die von Libyen bis zur Atompolitik reicht. Im Plenum schieben die Abgeordneten auf ihren iPads herum. "Er hat vielleicht manche Erwartungen enttäuscht", hieß es nach der Rede vorsichtig aus der SPD-Fraktion.

Steinbrück ist in den vergangenen Monaten zur Projektionsfläche für allerlei sozialdemokratische Ideen und zum Kandidaten für viele attraktive Ämter geworden. Manche hätten ihn gerne als Bürgermeister in Hamburg gesehen, andere als Präsidenten der Europäischen Zentralbank und wieder andere als Kanzlerkandidat.

Letztere Debatte hatte Parteichef Sigmar Gabriel selbst befeuert, als er sagte, dass Peer Steinbrück alle Ämter zuzutrauen seien. Das ist natürlich Kalkül: Indem Gabriel einen anderen Namen hochhält, ist der Druck für ihn nicht so groß, sich selbst zu der Herausforderung Kanzlerkandidatur zu bekennen.

Der etwas behäbige Auftritt dürfte diese Debatte wohl jetzt beenden. SPDler aus dem Steinbrück-Lager, wie der wirtschaftspolitische Sprecher Garrelt Duin, sagen zwar: "Steinbrück hat bewiesen, dass es notwendig ist, dass er wieder mehr in der ersten Reihe zu sehen ist." Aber der Applaus ist flach, nicht frenetisch.

Als Steinbrück fertig ist, sagt er: "Vielen Dank fürs Zuhören." Er setzt sich wieder in die erste Reihe, Sigmar Gabriel klopft ihm auf den Rücken. Klopf, klopf. Morgen sitze ich wieder vorne, hat er sich wohl gedacht.

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6 Kommentare

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  • S
    snoopy

    "Koryphäe" Steinbrück, scheint ja nach dem Banken-Fiasko nicht mehr so großspurig zu sein. Deutschland durch Bankenzockerei von Neuverschuldung zu befreien,scheint der SPD ja nicht gelungen. Die SPD sollte ja eigentlich die letzte Partei sein, anderen Parteien Lehren zu erteilen. Es gäbe keine Kanzlerin Merkel ohne die fiese Politik Schröders-, der "Politik mit der Hand in der Hosentasche" machen wollte. Und danach sah seine Politik auch aus. "Wir werden es besser machen als Kohl" besser ja, aber nur noch besser für die, denen es schon bestens ging. Schröder war das größte Übel, was die SPD je hatte. Und alle, die zur Schrödergang gehörten,dürften nicht mehr gewählt werden.

  • K
    kottelmann

    evtl.sollte man noch darauf hinweisen dass von steinbrück in seinen 4 jahren als finanzminister keine nennenswert kritischen äusserungen (ganz zu schweigen von taten!)zu spekulativen börsengeschäften,die letztlich zur finanzkrise führten, zu vernehmen waren...

    augenscheinlich waren "ja alle ganz überrascht..."

    sich danach mit macherfresse hinzustellen+ sich als krisenmanager zu verkaufen kann man ihm schon noch übelnehmen...

  • A
    atypixx

    Weil Steinbrücks Sätze komplex sind, wenn er über komplexes redet, kann er nicht Kanzler werden? Ist das hier die BILD?

  • M
    Max

    Meint ihr ernsthaft diese Rede:http://www.youtube.com/watch?v=x7CunwEyX-c ?

    Keine Angst, er wird nicht Bundeskanzler ;)

  • G
    Gunter

    Die Spezialdemokraten entäuschen, seit es sie gibt.

  • H
    holzauge

    Der Begriff Finanzminister ist viel zu allgemein. Treffender sollte es künftig 'Finanzmarktminister' heißen. Dann weiß man gleich, wem er wirklich dient und wohin er Hunderte Milliarden € schiebt, die es noch gar nicht gibt und die womöglich nie erwirtschaftet werden, jedenfalls nicht von ihm.

    Was an Steinbrück und seiner Politik eigentlich spezialdemokratisch sein soll, erschließt sich mir nicht. Der optische Unterschied zu einem landläufigen amerikanischen Hardcore-Neocon mag darin liegen, dass er keine quietschgelben Schuhe trägt. Das Interessante an ihm ist die kaltschnäuzige Verantwortungslosigkeit, mit der er in kürzester Zeit kapitale und nachhaltige Schäden an der deutschen Kapitaldecke verursacht - zugunsten von korrupten Bankeninteressen .