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Peak Oil und ÖlkriseDas ist hundsgefährlich!

Saudi-Arabien verweigert der Opec die Drosselung der Förderquote und spornt Deuter zu Spekulationen an: Sollen Staaten destabilisiert werden?

Der taumelnde Ölpreis trifft die boomende US-Produktion von Fracking-Öl ins Mark. Bild: dpa

Saudi-Arabien hat sich durchgesetzt. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) wird ihre Erdölförderung vorerst nicht drosseln. Das verzweifelte Betteln der Habenichtse – Nigeria, Iran, Venezuela –, die, um den abgestürzten Ölpreis zu stabilisieren, unbedingt die Förderquote reduzieren wollten, blieb unerhört.

Der Ölpreis reagierte mit einem weiteren Absacker, die Aktiennotierungen von Luftfahrtgesellschaften und Autokonzernen schossen in die Höhe. Schon vor der entscheidenden Sitzung am Donnerstag in Wien hatte der saudische Ölminister Ali al-Naimi den Kurs festgezurrt: Der Markt soll es richten, irgendwann werde sich der Ölpreis von selbst stabilisieren, sagte al-Naimi. Das wird er auch, die Frage ist nur, auf welchem Niveau.

Die Opec war sich noch nie einig. Und der Grad der Solidarität untereinander tendiert wie gewohnt gegen null. In dem zerstrittenen Kartell bestimmen die Saudis die Richtung. Als „Swing-Producer“ kann das steinreiche Land mit dem Auf und Ab des eigenen Ausstoßes das weltweite Ölangebot und damit auch den Preis in gewissen Grenzen beeinflussen.

Doch Riad bleibt stur. Und die geopolitischen Weltendeuter in den Medien und Finanzzentren überschlagen sich mit wilden Spekulationen: Wird hier ein neuer Machtkampf zwischen der saudischen und der US-amerikanischen Ölindustrie ausgetragen? Ein Ringen um die weltweite Vorherrschaft auf den neu geordneten Ölmärkten?

taz.am wochenende

Der eine will sich einen Bart wachsen lassen, doch es wächst noch nicht mal Flaum. Der andere schwor in Syrien schon den Treueeid auf den IS. Wie zwei junge Islamisten vom Märtyrertod träumen, der eine vor dem Rechner, der andere vor Gericht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 29./30. November 2014. Außerdem: Die Menschen in der Republik Moldau sind hin- und hergerissen zwischen Russland und der EU. Protokolle von fünf Moldawiern vor der Parlamentwahl am Sonntag. Und: Was passiert eigentlich auf Gangbang-Partys? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Fracking nicht mehr profitabel

Tatsächlich trifft der taumelnde Ölpreis die boomende US-Produktion von Fracking-Öl ins Mark. Mit dem gegenwärtigen Fasspreis von weit unter 80 Dollar ist Fracking nicht mehr profitabel, an den meisten Standorten sind die Produktionskosten deutlich höher.

Was dabei gern übersehen wird: Selbst bei einem Ölpreis von 100 Dollar machten die führenden US-Fracking-Firmen Milliardenverluste. Das Defizit der 80 größten Unternehmen lag 2013 bei insgesamt 50,6 Milliarden Dollar. Entsprechend sind die Neuinvestitionen in die Ausbeutung von Schiefergas und -öl dramatisch eingebrochen. Der Slowdown des Frackings hat bereits begonnen, die Wachstumskurve krümmt sich.

Natürlich nehmen es die Saudis als hübschen Mitnahmeeffekt billigend in Kauf, wenn jetzt einige Frackingfirmen in die Knie gehen. Oder wenn Russland, die andere große Fördernation, in diesem Jahr durch den seit Juni um 35 Prozent gesunkenen Ölpreis mehr als 100 Milliarden Dollar verliert. Dagegen sind die Verluste infolge der EU-Sanktionen wegen der Ukrainekrise Peanuts. Aber warum soll Saudi-Arabien als großer Wohltäter die Probleme der anderen lösen? Dieselben anderen, die ja ihre eigene Produktion auch nicht zurückfahren, sondern eher noch ankurbeln, um den Preisverfall durch höheren Output auszugleichen.

Außerdem wissen die Saudis sehr genau, dass ein grenzenloses Absinken der Ölnotierungen ausgeschlossen ist. Träume von der Rückkehr eines Fasspreises von 30 oder 40 Dollar werden für immer Träume bleiben. Die Produktionskosten für Öl sind weltweit gewaltig gestiegen. Öl aus der Tiefsee, Öl aus Teersanden und Öl aus Schiefergestein sind teuer; sie erfordern einen Handelspreis von über 80, ja teilweise über 100 Dollar.

„Easy oil is gone!“

Zur gleichen Zeit nimmt die hochprofitable Förderung aus den normalen, „konventionellen“ Ölquellen in rasendem Tempo ab. Ein großer Teil der heutigen Ölförderung stammt immer noch aus den alten Ölfeldern, die in den 1950er und 1960er Jahren entdeckt wurden. Diese Felder haben ihren Peak – den Höhepunkt der Förderung – aber längst überschritten.

„Easy oil is gone!“, sagen die Ölexperten – das Zeitalter des leicht zu fördernden, billigen Öls ist für immer vorbei; die zweite, die ungemütliche Halbzeit des Ölzeitalters hat begonnen. Das kontinuierliche Wegbrechen der alten Produktionsbasis wird vom US-Boom beim Fracking derzeit noch ausgeglichen und zugleich maskiert. Die USA sind dank Fracking zur drittgrößten Fördernation (nicht zur größten, wie immer wieder falsch behauptet wird!) aufgestiegen.

Doch eine Wiederholung der Frackingblase in einem anderen Land, etwa in China, ist in diesem Ausmaß höchst unwahrscheinlich. So wird nach dem Platzen der US-Blase und dem starken Rückgang der Ölgewinnung durch Fracking schon am Ende dieses Jahrzehnts die Fratze des alten Problems zum Vorschein kommen: ein weltweites Sinken der Ölförderung und eine Menschheit, die darauf nicht vorbereitet ist. Weil die Vokabeln „Endlichkeit“ oder „Verknappung“ in der Welt des Immer-mehr nicht existieren.

Der Absturz des Ölpreises wird von vielen als ein segensreiches Weltkonjunkturprogramm angesehen: Die Verbraucher sparen Milliarden an Benzin- und Heizkosten, die sie für Konsumgüter ausgeben können. In den USA wird zudem bejubelt, dass der niedrige Ölpreis einigen Schurkenstaaten wie Iran oder Venezuela das Licht ausblase und Wladimir Putin ins Armenhaus zurückschicke.

Der Ölpreis destabilisiert die Welt

Doch jenseits aller tumben Chauvinismen ist dieser Ölpreis vor allem eines: hundsgefährlich. Er destabilisiert die Welt, er treibt einige Förderländer direkt in den Staatsbankrott, er verleitet zu alter Verschwendungssucht mit hohem Ölverbrauch und schadet so auch dem Klima. Er verlangsamt den Umbau weg vom Öl und verschleiert die Knappheit einer Ressource, die eine Million Mal so schnell verbraucht wird, wie sie entstanden ist. Schließlich treibt der Preissturz, der auch den Rubel in den Abgrund rollen lässt, einen unberechenbar gewordenen russischen Präsidenten immer mehr in die Enge.

Auch die Internationale Energieagentur in Paris – der globale Energiewachhund – ist nicht glücklich über den niedrigen Ölpreis. Der Sirenenton der „Executive Summary“ des letzten Weltenergieberichts 2014 ist unüberhörbar, der Jubel über die Erfolge des Frackings längst verklungen. Die IEA sieht „das Weltenergiesystem unter Stress“, fordert mehr Energieeffizienz und mahnt seit Jahren dringende Investitionen im Ölsektor an.

Doch bei schwachen Ölnotierungen werden genau diese Investitionen zurückgefahren oder ganz unterbleiben – so wie die Konzerne Statoil und BP jetzt ihre Ölsandprojekte gecancelt haben. Der hohe Ölpreis hatte Investoren gelockt und hatte die Nachfrage gedämpft. Jetzt dreht sich der Spieß um, bis die Kurse an den Ölmärkten wieder ein dreistelliges Niveau erreichen. Würde der Ölpreis die ökologische Wahrheit sagen, wären 200 Dollar je Barrel angemessen.

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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • " ... Würde der Ölpreis die ökologische Wahrheit sagen, wären 200 Dollar je Barrel angemessen."

    Hier wäre es im Sinne des Lesers angebracht, zur Stärkung der Argumente, vom Öl weg zu kommen, zu erwähnen aus welcher Quelle diese Information stammt und wie sie zustandekommt.

  • Deutschland sollte sich sobald wie möglich und so weit wie möglich von Import-Ressourcen unabhängig machen.

    Die Volatilität(Unberechenbarkeit) dieser Märkte wird immer größer werden.Erneuerbare und Recycling sind Pflicht um die wirtschaftliche Stabilität zu erhalten.

  • Saudi-Arabien kann sich auch als größter Förderer nicht dauerhaft gegen die OPEC stellen, auch wenn deren "Restmitglieder" wirtschaftlich am Boden sind. Der Beitritt Russlands zur OPEC wäre jetzt ein deutliches Signal, denn die Öl- Schwämme ist offensichtlich gegen Russland gerichtet.

    Die Trosselung der Fördermenge ist das einzige Mittel, dem Abweichler zur Raison zu bringen. Dass die OPEC nicht auf Unterstützung der USA und EU setzen kann, versteht sich von selbst; Sie müssen es allein schaffen: Der Beitritt Russlands zur OPEC wäre jetzt ein deutliches Signal, denn die Öl- Schwämme ist offensichtlich gegen Russland gerichtet und die Saudis machen sich dabei zum willigen Erfüllungsgehilfen des Westens; Sanktionen durch die Hintertür.

    Dabei kommt jetzt einer verstärkten Allianz Russlands, Irans und Venezuelas größte Bedeutung zu, da diese, hoffe ich, in solchem Machtkampf nicht auf Tagespolitik setzen werden. Ich wünsche ihnen dazu Erfolg - Es ist Zeit für eine Oel- Krise !

    • @lions:

      Fracking gab es schon vor der Ukraine Krise. Der Preisverfall war also abzusehen. Auch für Russland. Das ist das einzig Offensichtliche.

       

      Für mich ist die nationalistische Aggression Russlands in der Ukraine nur eine Nebelgranate der Machthabenden um vom eigenen Versagen abzulenken: Dem Aufbau einer Wirtschaft, die nicht auf Öl basiert.

       

      Eine Allianz Russland, des Irans und Venezuelas wird es nur im Sinne von Kartellen geben. Aber diese mentale Allianz bei Ölpreisen bestand schon immer. Gazprom ist nicht die Caritas.

       

      Den Bürgern der Länder wird es auf Dauer wenig helfen, wenn sie weiterhin am Öl-Tropf ihrer Regierungen hängen wollen, die ansonsten keine weitere Fantasie zeigen.

    • @lions:

      Da sieht man, wie man Internationale Politik immer als die ultimative Geheimverschwörung gegen Russland interpretieren kann.

      Erstens sei angemerkt, Saudi-Arabien braucht Geld, wass sie durch eine höhere Förderungsleistung erziehlen wollen. Aber wenn sich Saudi-Arabiens Ölförderung gegen jemanden richten, dann gegen America, nicht gegen Russland. Russland leidet stark unter den sinkenden Ölpreis, aber America/Kanada hat dadurch mit einem Schlag weite Teile seiner Förderung verloren, da die Förderungskosten über den Fasspreis liegen und was noch viell schlimmer ist, America hatte gehoft in ein paar Jahren die EU mit Americanischen Gas versorgen zu können und dadurch langfristig gesehen Russland aus dem Europäischen Markt zu drängen. Das funktioniert jetzt nicht mehr ohne weiteres.

      Nein, die Saudis wollen nicht Russland schaden, sondern den neuen Player America rauskicken.

      Nur weil die Sonne über Moscau untergeht heist dass noch lange nicht, das America Russland das Licht abgestellt hat.

    • @lions:

      die "Oel- Schw(ä)mme" nehme ich zurück- Igittigitt.

  • "Doch eine Wiederholung der Frackingblase in einem anderen Land, etwa in China, ist in diesem Ausmaß höchst unwahrscheinlich." Warum sollte das so sein? Da hätte ich mir eine Begründung gewünscht.

     

    "Die USA sind dank Fracking zur drittgrößten Fördernation (nicht zur größten, wie immer wieder falsch behauptet wird!) aufgestiegen." Diese "falsche" Behauptung macht unter anderem Ihr TAZ-Kollege Hermannus Pfeiffer in seinem Kommentar "Schlechte neue Welt". Wer hat hier nun falsch recherchiert?

  • 'In den USA wird zudem bejubelt, dass der niedrige Ölpreis einigen Schurkenstaaten wie Iran oder Venezuela das Licht ausblase und Wladimir Putin ins Armenhaus zurückschicke'

    ein Schelm der böses denkt'

  • "Der Markt soll es richten" - ja, aber wann, wenn überhaupt, wird es der Markt richten? Und was wird bis dahin passiert sein? Das, was jetzt passiert, ist gewollt und geplant, damit werden bestimmte Ziele verfolgt. Was, wieviel und zu welchem Preis durch die Adern der globalen Wirtschaft gejagt wird, geschieht nicht zufällig.

    Leider werden wir Michels und Michaelas das erst viel später beim Ergebnis erkennen, bis dahin bleiben uns nur Vermutungen und klammheimliche Freude über den niedrigen Preis an der Tankstelle.