Peace Brigades in Südamerika: Leben retten durch bloße Anwesenheit
In Lateinamerika schützen rund 30 deutsche Friedensaktivisten bedrohte Menschenrechtler. Ihre effektivste Waffe: die internationale Öffentlichkeit.
BERLIN taz Nur dank der Anwesenheit der Peace Brigades "bin ich noch am Leben", sagt die Guatemaltekin Nineth Montenegro de Garcia. Sie erhielt zahlreiche Morddrohungen, nachdem sie vor einiger Zeit eine Selbsthilfegruppe von Angehörigen Verschwundener begründet hatte, heute ist sie Parlamentsabgeordnete.
"Ich kann versichern, dass der Umstand, dass wir heute noch leben, ganz grundlegend mit der Arbeit der Peace Brigades zusammenhängt", bekundete auch Guillermo Perez Casas, ein Anwalt in Bogotá, der sich um die Aufklärung politischer Morde in Kolumbien bemüht. Zwei Stimmen von vielen. Zwei Menschenrechtsaktivisten von unzähligen, die die Freiwilligen der Peace Brigades International beschützt haben. Unbewaffnet. Ihre einzige, aber höchst effiziente Waffe ist die internationale Öffentlichkeit.
Die Arbeitsweise der 1981 in Kanada gegründeten Friedensorganisation scheint so durchdacht zu sein, dass es bis heute tatsächlich keine Toten gibt. Keine einzige der in ihr Begleitschutzprogramm aufgenommenen Einzelpersonen wurde umgebracht, auch niemand von den bislang insgesamt mehr als tausend Freiwilligen. Das Konzept der Peace Brigades beruht darauf, die "politischen Kosten" eines möglichen Attentats so zu erhöhen, dass potenzielle Täter abgeschreckt werden. Sobald die Freiwilligen jemanden zu begleiten beginnen, informieren sie per Telefon oder Hausbesuch alle möglichen Stellen: die nationalen Ministerien, UN-Organisationen, Botschaften, Menschenrechtsgruppen wie amnesty international. Geschieht etwas Gefährliches, wird eine internationale Alarmkette ausgelöst. Mögliche Attentäter wissen also, dass sie unter Beobachtung stehen.
Derzeit sind rund 90 Freiwillige aus vielen verschiedenen Herkunftsländern im mindestens einjährigen Einsatz, darunter 27 Deutsche. Sie begleiten Menschenrechtsverteidiger, indigene Organisationen, Frauengruppen und Umweltaktivisten in Kolumbien, Mexiko, Guatemala, Indonesien und Nepal.
Die Arbeit der Deutschen finanziert sich über drei Programme der Bundesregierung: über den "Zivilen Friedensdienst" und den "Weltwärts"-Dienst des Bundesentwicklungsministeriums sowie die "Internationalen generationsübergreifenden Freiwilligendienste" des Bundesfamilienministeriums.
In Kolumbien, dem Schwerpunktland der Organisation, arbeiten zurzeit neun Deutsche in vier regionalen Einsatzteams. In der Hauptstadt Bogotá begleiten sie neben Anwälten auch Organisationen, die politische Gefangene betreuen oder Massaker aufzuklären versuchen.
In der Region Urabá beschützen die jungen Deutschen Friedensgemeinden wie San José de Apartadó, deren Mitglieder öffentlich erklärt haben, weder mit Militärs noch mit der Guerilla zusammenzuarbeiten. Die Kommune von San José erlebt deshalb ständig Repressalien, Überfälle und sogar Morde - auch, weil es sich ökonomisch lohnt, die örtliche Bevölkerung aus dieser fruchtbaren und rohstoffreichen Gegend zu vertreiben.
Den Mail-Botschaften der Gemeinde ist zu entnehmen, dass Militärs allein im Juli in mindestens acht Fällen Schulkinder und Bauern bedrohten. Im Juni kündigte eine Gruppe von 100 Paramilitärs den Tod all derjenigen an, die nicht bereit seien, mit ihnen zusammenzuarbeiten und Koka anzupflanzen. Ohne die Friedensbrigaden wäre San José wohl längst dem Erdboden gleichgemacht worden.
Beweisbar aber ist das nicht. Denn ein Problem haben die Peace Brigades mit allen Projekten der zivilen Konfliktbearbeitung gemein: "Unsere Arbeit ist schwer messbar. Wenn nichts passiert, kann man nie sagen, woran es gelegen hat", sagt eine frühere Freiwillige. UTE SCHEUB
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