Pawel Durow und Mark Zuckerberg: Da ist jede Menge Geld in der Luft
Telegram-Gründer Pawel Durow ist vorerst frei. Doch es ruckelt weiterhin im Verhältnis von Start-up-Milliardären und traditioneller Kapitalfraktion.
E ine spannende Woche im Wolkenkuckucksheim der Internetmilliardäre liegt hinter uns. Einer, Pawel Durow, Exilrusse und Gründer des Messengers Telegram, ist nach Vorwürfen der Duldung und Förderung illegaler Aktivitäten auf seiner Plattform nur gegen eine Kaution von 5 Millionen Euro auf freiem Fuß. Fürs Erste muss er sich zweimal in der Woche auf einer Polizeiwache melden. Der reichste Mann der Welt, Elon Musk, erklärt diese Zudringlichkeit der französischen Justiz zu einem Angriff auf die Meinungsfreiheit.
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg beklagt sich derweil in einem Brief über unlautere Einflussnahme der Biden-Administration auf Inhalte seiner Plattform. Konkret geht es um Versuche, die Verbreitung von Berichten über den Sohn des Präsidenten, Hunter Biden, einzuschränken und in der Hochphase der Pandemie Posts, die sich auf Covid beziehen, zu regulieren.
Zuckerberg behauptet, jeden Eindruck von Einflussnahme auf Wahlen vermeiden zu wollen. Sein Brief ist sicher nicht unabsichtlich an republikanische Mitglieder des US-Abgeordnetenhauses gerichtet. Die verbreiten den knapp zweiseitigen Wisch fleißig weiter, selbstverständlich ausschließlich im Interesse der Meinungsfreiheit und nicht aus Wahlkampfkalkül. An der Seitenlinie applaudiert auch hier: Elon Musk.
Dessen Unterstützung der Republikanischen Partei Trump’scher Prägung geht inzwischen so weit, dass er mit Chris Young in dieser Woche einen gut vernetzten republikanischen Berater und Lobbyisten engagierte. Young soll laut New York Times die politischen Ambitionen Musks koordinierter voranbringen.
Der Tesla-, SpaceX- und Twitter/X-Chef weiß genau, was für ihn in den kommenden Jahren auf dem Spiel steht: jede Menge Geld. Er folgt deshalb dem Vorbild seines alten Bekannten, des Paypal-Gründers und Facebook-Finanziers Peter Thiel. Der gibt bereits seit mehr als 20 Jahren erhebliche Summen für politischen Einfluss aus. Kampagnen und Kandidaturen, je weiter rechts, umso lieber, finden immer wieder ihren Weg zu Thiel.
Stabilität produzieren, Risiken vorbeugen, Profite fördern.
Denn ökonomische und politische Macht ziehen sich an, gehen ineinander über, auch wenn sie bisweilen miteinander konkurrieren. Die politischen Systeme und ihre Eliten wachsen über Jahrzehnte, teils Jahrhunderte eng verwoben mit den Interessen der ökonomischen Sphäre. Die gegenseitigen Einflüsse und Abhängigkeiten wirken meist automatisch, oft subtil.
Man kennt sich und weiß um die gemeinsame Aufgabe: Stabilität produzieren, Risiken vorbeugen, Profite fördern. Die vergleichsweise junge Gruppe der Start-up-Milliardäre ist dabei einerseits ein Unsicherheitsfaktor, der die eingeübten Abläufe empfindlich stören kann. Anderseits sind sie aber auch mächtige Verbündete der traditionellen Kapitalfraktion bei der Einhegung politischer Projekte, die das ungestörte Profitwachstum gefährden.
Regulierungsversuche innerhalb der EU jedoch zielen gegenüber den digitalen Plattformen vor allem auf deren rowdyhaftes Erscheinungsbild. Der Wunsch nach staatlicher Kontrolle bewegt sich hier immer wieder im Grenzbereich zwischen der vernünftigen Sanktion krimineller Inhalte und kritikwürdiger Zensur. Nicht selten spielt bei behördlichen Eingriffen ein autoritärer Überwachungsreflex mit.
Die unmittelbare Ökonomie der Plattformen spielt dabei nur insoweit eine Rolle, als sie die Berechnungsgrundlage für die angedrohten Strafzahlungen bei Regelverstößen darstellt. Die Verhaftung Durows lässt sich vor diesem Hintergrund auch als eine Drohgebärde interpretieren. Sie greift weniger das Geschäftsmodell seines Unternehmens an, sondern könnte einfach nur den staatlichen Anspruch auf zum Beispiel Nutzerdaten, Inhalte von Chats und dergleichen etwas handfester untermauern.
In den USA hingegen mit einer historisch gewachsenen, sehr viel liberaleren Auslegung der Redefreiheit droht den digitalen Plattformen derzeit eine anders gelagerte Gefahr. Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung der Antimonopolpolitik, sowohl durch demokratische als auch republikanische Administrationen, haben unter Präsident Biden mit der Federal Trade Commission (FTC) und dem Justizministerium zwei Bundesbehörden die Gangart gegenüber Monopolen erheblich verschärft.
So sind zum Beispiel die wettbewerbsverzerrenden Machtpositionen von Amazon und Google auf dem Werbemarkt und im Internethandel Ziel von Interventionen sowohl der FTC-Chefin Lina Khan als auch des Bundesanwalts Jonathan Kanter.
Profite und Macht der Plattformen beschränken
Nach einem Wahlsieg der Demokraten im November könnten beide gegebenenfalls ihre Arbeit fortsetzen. Noch unklar ist, ob die von Biden vorgeschlagene empfindliche Besteuerung von Kapitalerträgen auch von einer Harris-Administration weiterverfolgt würde. Alles in allem haben Musk, Zuckerberg und Bezos also Milliarden Gründe, ihren politischen Einfluss auszubauen.
Zumindest was die tiefe Feindschaft gegen Lina Khan angeht, finden sich dabei Verbündete sogar über Parteigrenzen hinweg. Barry Diller, milliardenschwerer Medienunternehmer und Großspender der Demokraten, erklärte in einem Interview vor der Democratic National Convention, dass er von Kamala Harris im Falle eines Wahlsiegs schon erwarten würde, dass Khan gehen müsste.
In der Summe sehen sich die Techmilliardäre also auf beiden Seiten des Atlantiks mit unterschiedlichen Entwicklungen konfrontiert, die Profite und Macht der Plattformen beschränken können. Noch dazu mit der zumindest impliziten Drohung, ab einem gewissen Grad der Unbotmäßigkeit persönlich zur Rechenschaft gezogen zu werden. Das wohlfeile Gerede von Meinungsfreiheit und Demokratie wird so zu einem leicht durchschaubaren Versuch zu vernebeln, dass es in Wirklichkeit nur ums Geld und die eigene Unantastbarkeit geht. Die extreme Rechte scheint dabei, wie historisch schon wiederholt unter Beweis gestellt, der natürliche Verbündete des Kapitals zu sein.
Und Durow? Der kann sich jetzt überlegen, ob er den Rücken wenigstens in Europa frei bekommt mit ein bisschen Entgegenkommen gegenüber den französischen Ermittlungsbehörden. Seine Alternative ist die Rückkehr nach Russland, wo selbst die Leben milliardenschwerer Oligarchen im Zweifel von der Gnade Putins abhängen.
Der kann geduldig beobachten, ob und wann der Moment gekommen ist, da die reichsten Männer des Planeten in seine Einflusssphäre gelangen, denn er weiß: Die mit viel Geld erkaufte Freiheit über den Wolken ist zwar grenzenlos, aber auch der teuerste Privatjet muss gelegentlich zum Auftanken in der realen Welt landen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“