Paul Newman gestorben: Schlitzohr und Weltverbesserer
Die Fähigkeit, das Glück zu teilen: Paul Newman besaß sie als Schauspieler und sozial engagierter Mensch. Am Freitag starb der Frauenschwarm.
Er war der gute Mensch von Hollywood. Keine Prätentionen, keine Affären, keine Abstürze, keine Skandale. Einer, der Schauspieler wurde, weil er erstens wegen Farbenblindheit für die Armee nicht taugte und zweitens keine Lust hatte, das erfolgreiche Sportartikelgeschäft seines Vaters zu übernehmen. Ein unverschämt gut aussehender Charakterdarsteller, der es zum Superstar brachte und der doch die Figuren, die er spielte, nicht mit seiner Star-Persona überstrahlte. Einer, der nicht wie der fast gleichaltrige Marlon Brando gewaltig über die Stränge schlug, aber auch keiner wie sein Freund Robert Redford, der sich stets weigerte, Rollen anzunehmen, die seinem Image als Strahlemann geschadet hätten.
Paul Newman war außerdem ein Superstar mit unbeugsamem Charakter. Ein Linker, der 1968 den Präsidentschaftsbewerber Eugene McCarthy mit seiner Anti-Vietnam-Agenda unterstützte. Auf der Liste der Feinde des Präsidenten, die Richard Nixons Berater 1971 zusammenstellten, schaffte er es nicht zuletzt deshalb auf Platz 19. "Eine meiner größten Leistungen", wie Newman lakonisch anmerkte.
Zudem war er ein legendärer Sammler von Geldern für gute Zwecke. Nach dem Drogen-Tod seines ältesten Sohnes Scott, der im Schatten des Vaters nie recht als Schauspieler reüssierte, gründete er ein Zentrum zur Hilfe für Drogenabhängige. Und 1982 rief er mit seinem Nachbarn und Anglerfreund, dem Autor A. E. Hotchner, die Firma "Newmans Own" ins Leben, die Newmans zunächst selbstgemachte Salat- und später auch Nudelsoßen und anderes vertrieb. Die Gewinne der Firma gehen komplett an soziale Einrichtungen und belaufen sich bis zum heutigen Tag auf weit über 200 Millionen Dollar.
Newman war ein Schwarm der Frauen, der Mütter wie der Töchter und aller anderen auch. In zweiter Ehe blieb er fünfzig Jahre lang mit derselben Frau, der Schauspielerin Joanne Woodward, verheiratet. Immer wieder spielten sie gemeinsam in Filmen. "Rachel, Rachel", in dem Woodward unter Paul Newmans Regie die Hauptrolle spielte, war 1968 sogar als bester Film für den Oscar nominiert. Auf den tatsächlichen Oscar musste Newman dann allerdings, nach vielen weiteren Nominierungen, fast zwanzig Jahre warten, bis er 1986 den gerne als späten Trostpreis verliehenen Ehren-Oscar erhielt und im Jahr darauf erst den richtigen als Darsteller in "Die Farbe des Geldes".
In Ohio war Newman, geboren 1925, aufgewachsen, nach der Ablehnung durch die Armee ging er für kleine Rollen im Fernsehen nach New York. Er spielte Theater, studierte - gemeinsam mit Marlon Brando und James Dean - am berühmten Actors Studio von Lee Strasberg und kam nach großen Erfolgen am Broadway zum Film. Sein Debüt, das Bibelepos "Der silberne Kelch", war ein Desaster, aber als Rocky Graziano in Robert Wise Boxerfilm "Eine Handvoll Dreck" (1956) und vor allem als männlicher Hauptdarsteller neben Elizabeth Taylor in der Tennessee-Williams-Verfilmung "Die Katze auf dem heißen Blechdach" (1958) etablierte er sich rasch als Star.
In den Sechzigern wurde er zum bestbezahlten Hollywood-Schauspieler seiner Zeit. Er drehte mit Alfred Hitchcock und Otto Preminger, aber er wagte und wollte stets mehr als jene Kollegen, die sich mit dem Geld und dem Status als Star begnügten. Paul Newmans Bandbreite als Darsteller war beachtlich und sie war kein Zufall. Entschlossen und mutig bewegte er sich in der Wahl seiner Rollen, Stoffe und Regisseure ins ungesicherte Terrain. Er überzeugte als Verkörperung des klassischen Hardboiled-Detektivs ("Harper" nach Ross McDonalds Lew-Archer-Serie) ebenso wie als Cowboy mit "Stacheldrahtseele" in Martin Ritts "Hud". In diesem Western spielt er einen egoistischen Tunichtgut und bewies, wie weit einer wie er (aber vielleicht außer ihm keiner) sich ins Amoralische vorwagen durfte, ohne den Rückhalt beim Publikum zu verlieren. In Filmen wie dem Spielerdrama "Haie der Großstadt", dem Western "Hombre" oder dem Gefängnisdrama "Cool Hand Luke" lotete er die Nuancen des Außenseiters der Gesellschaft aus, der nicht auf einen einfachen Nenner zu bringenden Figur, des eher irisierenden als - den blauen Augen zum Trotz - strahlenden Helden.
In den populärsten Filmen ist das Amoralische dann ganz ins Schlitzohrige verschoben. Das gilt vor allem für die Gangster-Komödien "Butch Cassidy und Sundance Kid" und "Der Clou", beide mit Robert Redford als partner in crime und beide unter den größten Boxoffice-Erfolgen aller Zeiten. Die Helden sind hier zwar Kleinganoven, als solche aber ganz unbezweifelbar Sympathieträger, denen man als Underdogs ihre Siege über die Reichen und Mächtigen gönnt. Und wie Newman als Butch Cassidy mit Katherine Ross auf dem Fahrrad zu Burt Bacharachs Ohrwurm "Raindrops Keep Falling On My Head" herumkurvt, das ist fraglos eines der ikonischen Bilder des Hollywood-Kinos der Sechziger.
Zu den einzigartigen und meistbestaunten Zügen der Karriere Paul Newmans gehört ihre Langlebigkeit. Während Marlon Brando, mit dem Newman in ihren Anfängen oft verglichen wurde, sich auf erratischen Bahnen bewegte, mal verschwand, dann verfettet wieder auftauchte, dann wieder verschwand; während manch einer, Burt Reynolds etwa oder Elliot Gould, in den Siebzigern zum Star wurde und dann seine Anziehungskraft verlor, blieb Paul Newman immer oben und drehte immer weiter.
Die Siebziger hat der begeisterte Rennfahrer zwar zu nicht geringen Teilen auf den Autorennstrecken der Welt verbracht. Im Jahr 1979 hätte er mit seinem Team um ein Haar sogar die 24 Stunden von Le Mans gewonnen. Bedeutende Filme drehte er trotzdem, zum Beispiel noch Robert Altmans damals mit Unverständnis aufgenommene Western-Dekonstruktion "Buffalo Bill" (1976), in der Newman als Westernheld, der seine eigene Geschichte auf die Bühne bringen will, die Legende des Buffalo Bill eigenhändig auseinandernimmt. In Sidney Lumets Gerichtsdrama-Klassiker "The Verdict" (1982), wohl der Apotheose all seiner gebrochenen Charaktere, spielt er einen korrupten Rechtsanwalt, der dem Alkohol verfallen, dessen Karriere am Ende ist und der sich mit letzter Kraft in einen aussichtslosen Prozess stürzt. Die von Lumet ganz ausdrücklich als Wunder gefilmte Erlösung des Anwalts hätte man wohl keinem anderen abgenommen als Paul Newman, der als Darsteller die Dämonen seiner Figuren umso überzeugender zu bekämpfen schien, je ferner sie ihm als Person womöglich lagen.
In den Neunzigern tauchte Newman unter anderem im unterschätzten Coen-Meisterwerk "Hudsucker - Der große Sprung" auf und erhielt für seine Rolle als sturer Alter in Robert Bentons "Nobodys Fool" den Goldenen Bären als Bester Schauspieler bei der Berlinale 1995. Sein letzter großer Film wurde das Gangster-Epos "Road to Perdition", aber noch im letzten Jahr gab es Pläne für eine späte Wiedervereinigung mit Robert Redford. Das Drehbuch zu "A Walk in the Woods" war fertig, kurz vor Drehbeginn sagte Newman jedoch ab. Den seit längerem kursierenden Gerüchten über eine Krebserkrankung widersprach der Schauspieler immer wieder. Vermutlich wollte er, dem aller Rummel zuwider war, sich einfach gegen die Zudringlichkeit des Boulevards schützen. Die Liebeserklärungen und Trauerbekundungen, die ihm zu seinem Tode nun tausendfach nachgerufen werden, hätte er gewiss mit einem verlegenen Scherz und Bescheidenheitsgesten über sich ergehen lassen. "Ich habe unverschämt viel Glück gehabt im Leben", hat Newman stets gesagt. Mag sein. Kaum einer aber war so sehr wie er bereit, das Glück, das er hatte, mit aller Welt, als wäre das selbstverständlich, zu teilen.
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