Paternoster-Führerschein: „Das ist ein Beinahe-Wahnsinn“
Guntram Schneider von der SPD ist Arbeits-und Sozialminister in NRW. Er findet, Bürgerinnen und Bürger sollten Paternoster fahren dürfen.
Am 1. Juni tritt eine Verordnung von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in Kraft, nach der nur noch eingewiesenes Personal einen Paternoster benutzen darf.
taz: Herr Schneider, sind Sie schon einmal Paternoster gefahren?
Guntram Schneider: Selbstverständlich.
War das nicht ein großes Risiko? Die Benutzung ist ja nach Ansicht des Bundesarbeitsministeriums sehr gefährlich.
Mir ist jedenfalls nichts passiert und das ist auch schon was länger her, lange vor dieser Verordnung. Die haben wir jetzt, weil einige Länder Probleme und Unfälle gemeldet haben. In NRW ist mir bislang nichts bekannt.
Derzeit sind noch etwa 240 Personenumlaufaufzüge in Deutschland in Betrieb, davon mehr als 50 in Nordrhein-Westfalen, unter anderem im Finanzministerium und im WDR. Dürfen die künftig nur noch mit einem „Paternoster-Führerschein“ benutzt werden?
Es gilt die Bundesverordnung.
Guntram Schneider (SPD), 63, ist Arbeits- und Sozialminister in NRW.
Halten Sie es für nötig, Arbeitgeber zu verpflichten, „dafür zu sorgen, dass Personenumlaufaufzüge nur von durch ihn eingewiesenen Beschäftigten benutzt werden“?
Diese Regelungswut hat ursprünglich Ursula von der Leyen losgetreten, quasi als Abschiedsgeschenk als Arbeitsministerin. Danach kam leider die Verordnung. Jetzt haben wir den Salat. Es ist eine Sache, aus Fürsorgepflicht und Arbeitsschutzgründen die Beschäftigten eines Betriebes zu schützen. Eine andere Sache ist es, Besuchern vorzuschreiben, was sie tun dürfen und was nicht. Ich darf ja auch Rolltreppen fahren. Das ist auch nicht immer ungefährlich.
Welche Chancen sehen Sie, dass der Paternoster doch noch für die Allgemeinheit gerettet werden kann?
Ich werde mich jedenfalls wo es geht dafür einsetzen, dass Bürgerinnen und Bürger auch künftig Paternoster fahren dürfen. Wir prüfen gerade, ob niedrigschwellige Einweisungen wie Ampelschaltungen am Paternoster oder etwa Gefahrenpictogramme reichen. Andrea Nahles hat ja jetzt auch bis Jahresende eine Novelle der Novelle angekündigt, mit der Landesausnahmen möglich werden sollen. Wir werden im Bundesrat aktiv für eine Änderung eintreten. Und dann wollen wir mal sehen, ob wir den Beinahe-Wahnsinn nicht doch noch stoppen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“