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Patchworkfamilie in der ARDArschgeweih oder Cellostunden

Klassischer Plot: Nach der Geburt werden zwei Kinder vertauscht. Doch das Drama "Das geteilte Glück" mit einem Anwaltskind und einem Hartz-IV-Kind gelingt überraschenderweise.

Die wichtigsten Protagonisten des Films: Sebastian (Ludwig Skuras, li.) und Dennis (Andreas Warmbrunn). Bild: swr/hardy spitz

In den ersten Minuten wähnt man sich noch am Anfang einer überdrehten Filmkomödie. Da befragt die Krankenschwester gleich nach der Niederkunft die glücklichen jungen Leute: "Und wie solls heißen?" "Kevin", antwortet die Mutter. "Kevin", konstatiert die Schwester.

Zur Erinnerung: "Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose." Dieser - in der Abschlussarbeit einer Lehramtsstudentin zitierte - Kommentar einer Lehrerin ist inzwischen zum geflügelten Wort geworden. Andere Namen, mit denen Eltern ihren Kindern die (Schul-)Karriere verbauen, waren gemäß jener Studie Justin, Marvin oder Dennis. Deshalb hilft es dem Neugeborenen auch wenig, wenn im Film der stolze Lebensgefährte die Namenswahl sogleich korrigiert: "Noi, Dennis heißt mein Sohn, das des glei amol klar isch! Und do druff trink isch erscht mol oine!" Sagts und reißt noch am Kindbett die Bierdose auf. Der Film "Das geteilte Glück" spielt in Freiburg, Autor Stefan Drähnert hält "das Badische für einen im deutschen Fernsehen völlig untererzählten Dialekt".

Leider irrt der Biertrinker nicht nur bei der Namensfindung, sondern auch bei der Annahme seiner - biologischen - Vaterschaft. Nicht, dass die Frau ihm Hörner aufgesetzt hätte ("Auch wenns grad so aussieht: Ich hab nicht rumgvögelt, Mama!" / "Des häscht du schon mit 14!"). Nein, das Klinikpersonal hat einfach nur mal zwei kleine Babys vertauscht.

Als das neun Jahre später rauskommt, prallen Welten aufeinander. Der Junge, der eigentlich Dennis heißen sollte, heißt nun Sebastian. Und Sebastian heißt Dennis. Der falsche Sebastian wächst in einer bildungs- und kulturaffinen Mittelschichtfamilie auf, spricht hochdeutsch, hat alles, was er sich wünscht (Playmobil) und nicht wünscht (Cello). Den falschen Dennis hingegen hat es ins Hartz-IV-Hochhausghetto verschlagen, wo die Mutti vom einem neuen Discounter-Sofa träumt. Der Film erzählt davon, wie in Deutschland Herkunft und Lebenschancen zusammenhängen.

Besagte Hartz-IV-Mutti wurde von den Filmleuten mit Kippe, String und Arschgeweih ausgerüstet, hart am Rande der Klischeefalle. Dass die nicht zuschnappt, hat einen Grund, und der heißt: Petra Schmidt-Schaller. Petra Schmidt-Schaller wurde bekannt, als sie vor fünf Jahren in der eher öden Verfilmung eines eher öden Martin-Walser-Romans die drei anderen - höchst prominenten - Hauptdarsteller lässig überspielte.

Das tut sie nun wieder in diesem sehr guten Fernsehfilm: Die drei übrigen erwachsenen Schauspieler (Ulrike Grote, Udo Wachtveitl, Rüdiger Klink) sind hervorragend; Petra Schmidt-Schaller ist herausragend. Die quälende Zerrissenheit ihrer Unterschicht-Mutti, die ihren Dennis lieb hat, die seiner Zukunft nicht im Wege stehen will, die aber auch ihr eigenes Leben noch vor sich haben will, die über sich hinauswächst, muss jedem nicht völlig abgestumpften Zuschauer bis ins Mark gehen.

Verantwortung und Lebenshunger, diese Pole lotet Schmidt-Schaller so durch und durch emphatisch, glaubwürdig, wahrhaftig aus, dass es eine Straftat, ein echtes Unterlassungsdelikt, wäre, sie dafür nicht mit sämtlichen Filmpreisen auszuzeichnen, die das Land zu vergeben hat. Kein Witz!

Und der stellenweise sehr witzige Film ist keine Komödie. Der Mittelschicht-Vater ist von Beruf Anwalt und macht Ernst: "Ich will nicht, dass unser Sohn fettgefüttert wird! Den ganzen Tag vor der Glotze hängt!" Er will beide Jungs haben, bei sich in seiner wohlsituierten, heilen Welt. Auf seine Weise ist er genau so skrupulös und egozentrisch wie die Hartz-IV-Mutti, wie alle vier falschen, echten Elternteile.

Wie aber soll diesem Dilemma nur beizukommen sein? Das ist die spannende - und von "Tatort"-Regisseur Thomas Freundner spannend inszenierte - Frage dieses Films.

"Das geteilte Glück", ARD, Mi. 2.2., 20.15 Uhr.

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8 Kommentare

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  • B
    Badenerin

    @orginal-freiburger

    "Der Film ist eine Beleidung für den Südbadischen Dialekt"

     

    Warum ist der Nordbadische Dialekt eine Beleidigung für den Südbadischen ?

     

    Sicher, er ist deftiger, direkter und etwas barocker als der Südbadische und der Schwäbische und somit nicht jedermanns Sache.

    Ich finde es auch nicht diskriminierend, dass nur die Unterschichtsfamilie Dialekt redet.

    Es ist doch eine dünkelhafte Mittelschicht, die Dialektsprechende diskriminiert und sich mit Hochsprache abzugrenzen versucht.

  • B
    Badener

    Unseren grausamen Dialekt muss man nicht bekannter machen; er wird dadurch nicht besser.

     

    Übrigens, ich kann alles ausser schwäbisch.

  • OF
    Orginal Freiburger

    Der Film ist eine Beleidung für den Südbadischen Dialekt. Zum Ersten durch die Differenzierung von fast Assozialen zur Mittelschicht( evtl höhere), bei der die ärmere Famileie Dialekt spricht.Das sich somit fast zu Dialekt gleich ungebildet,dumm usw. ergibt. Was der Film aber vorallendingen falsch zeigt, ist der Dialekt, der in dem Film bei den Hauptdarsteller gesprochen wird. Dieser ist nicht der in Freiburg und umbegung anssäisige Dialekt(Hoch- und Niederallemanisch) sondern norbadischer, südhessischer Dialekt der sich wesentlich unterscheidet.

  • H
    Hubert

    Ich als Göttinger kann und will das nicht. Nichts gegen Baden, aber das ist für weiter weg als Polen oder Holland.

  • A
    atypixx

    @ E. Wutbürger

     

    Danke für politische Korrektheit und den linken Zeigefinger schon am frühen Morgen.

  • S
    @Schwabe

    Ha jo!

     

    Als gebürtiger Berliner kann ich sehr wohl zwischen badisch und der Sprache der Kehrwoche unterscheiden. Das Eine klingt nach Lebenslust, Nähe zu Frankreich (kulturell und kulinarisch) und das Andere nach Schwäbischer Alb und Prenzlauer Berg!

  • EW
    E. Wutbürger

    Hartz-4-Kind ??? Was ist das für eine Titulierung ? Für mich bedeutet das eine klassische Diskriminierung. Bleibt die Frage, wann Menschen die von diesem unsäglichen Gesetz betroffen sind ein derartiges Brandzeichen verpasst bekommen.

    Im Übrigen: Finanziell schwach (gemacht durch Dumpinglöhne etc.) bedeutet nicht gleichzeitig sozial schwach zu sein. Sozial schwach sind die Abgeordneten der Regierungsparteien, die dieses Gesetz erst möglich gemacht haben.

  • S
    Schwabe

    Ob außerhalb von BW überhaupt jemand einen Unterschied zwischen Badisch und Schwäbisch bemerkt wage ich zu bezweifeln... ;-)