Pasta entfacht postkoloniale Debatte: Dumme Nudeln
Eine italienische Firma benennt ihre Pasta nach Tatorten kolonialer Massaker – und reagiert erst nach öffentlicher Empörung.
Namen, haben US-Forscher:innen mal herausgefunden, sind wichtiger als viele meinen. Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Menschen Dinge und Menschen bevorzugten, deren Namen dem eigenen ähneln: Und zwar, weil wir die Tendenz hätten, die eigene Person und alles, was damit zusammenhängt, großartig zu finden – das gelte insbesondere auch für Vorlieben beim Essen.
Wenn nun in Italien gerade ein Sturm im Nudeltopf um Benennungen des Nationalheiligtums Pasta vor sich hin köchelt, so können wir aus der obigen Einleitung eine These zur Analyse herleiten. Wie eine Pastasorte genannt wird, ist marketingmäßig kein Zufall, sondern zielt bewusst oder mit ganz viel gutem Willen auch unbewusst auf auszulösende positive Geschmacksgefühle.
Wem aber läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn Nudeln nach Tatorten kolonialer Schlächtereien benannt werden? Es geht um „Abissine rigate“ „Tripoline“ und „Tripoline lunghe“ des Nudelherstellers La Molisana im süditalienischen Campobasso.
Die vor hundert Jahren gegründete und 2011 wiederbelebte Marke hat nach Angaben der Firmenleitung auf historische Produktbezeichnungen zurückgegriffen, diese aber nun nach Protesten wieder geändert. Und zwar indem sie für den italienischen Markt nun schlicht die selben Namen verwendet wie schon bislang für den Verkauf im Ausland, also „Conchiglie rigate“, „Farfalline“ und „Mezze fettucce ricce“.
Alles wieder al dente?
Dass die brutale und erst in jüngster Zeit kritisch thematisierte italienische koloniale Vergangenheit in Libyen (Tripolitanien) und Äthiopien (vor hundert Jahren Abessinien) jenseits der Alpen oder gar auf der anderen Seite des Mittelmeers positive Geschmacksgefühle ausgelöst hätte, davon war eben dann doch keiner der Verantwortlichen ausgegangen.
Auch der Werbetext, in dem die Verbindung zum Faschismus durchaus bewusst betont wurde und von Produkten die Rede war, die „ferne exotische Orte hervorrufen und ein koloniales Aroma haben“, wurde geändert.
Nun ist also alles wieder al dente – und die einzige Frage, die immer nach solchen Affären bleibt: Warum hat man es in Campobasso nicht schon vorher besser gemacht? Aber die ist nun wirklich nicht auf Italien oder auf Pasta beschränkt – im Gegenteil: Wer nicht auch schon im eigenen Namen Begriffe hat verkochen lassen, der werfe die erste Nudel.
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