Partyszene in Berlin: Utopie in Gefahr

Berliner Clubs ächzen unter hohen Mieten. Die Szene reagiert und organisiert sich. Wie viel das bringt – und wer trotzdem auf der Strecke bleibt.

Eine Diskokugel hägt an der Decke

Diskokugel im Club Golden Gate: Viele Berliner Clubs bangen um ihre Zukunft Foto: Annette Riedl/dpa

Berlin taz | Die Partyszene in Berlin sorgt sich um ihr Nachtleben. Um ihre utopischen Freiheiten zu bewahren, macht die quirlige Szene etwas fast Triviales: Sie organisiert sich. Und die gemeinsame Schlagkraft braucht sie. Immobilienpreise und hohe Mieten setzen den Berliner Clubs genauso zu wie Regulierungen. Vorüber ist der Zauber der Wendejahre, in denen es viel Platz gab, Räume noch nicht erschlossen und die Behörden nachsichtig waren.

Illustration von Ali Arab Purian

🐾 Von der Kneipe an der Ecke bis zum solidarischen Garten in Bogotá: Junge Au­to­r*in­nen haben sich auf die Suche nach utopischen Ideen begeben. Die dabei entstandenen Artikel haben sie in einer Sonderausgabe der taz veröffentlicht.

Heute tun sich die Berliner Clubs deshalb vor allem in der Clubcommission zusammen, welche die Interessen der Club- und Par­ty­be­trei­be­r*in­nen der Stadt vertritt. Die Commission gibt es schon seit 2001, aber durch Corona gewann sie in den letzten Jahren noch mal an Bedeutung. In der Pandemie konnte sie die Politik überzeugen, mit Subventionen zu helfen.

Um die finanziellen Zuschüsse zu rechtfertigen, hat die Commission die Berliner Clubs zu Kultureinrichtungen erklärt. Nachtclubs sind demnach mehr als hedonistische Events, sondern Treffpunkte und musikalische sowie künstlerische Impulsgeber.

In Berlin hat das funktioniert, sagt Lewamm Ghebremariam, die im Vorstand der Clubcommission sitzt: „Wir sind als Kultur akzeptiert.“ Aber geht durch das Anwanzen an die Politik nicht Freiheit verloren? „In der Hochkultur gibt es auch viel Förderung“, wiegelt sie ab. „Uns ist bewusst, wenn Clubs jetzt schließen, dann machen die nie wieder auf. Die Förderung ist ein Rettungsring.“

Diese Umdeutung zum Kulturraum hält Martin Schenk von Waldow für schwer. In seinem Böse Buben Club fehlen die nötigen Flächen, ein Bühnenprogramm aufzusetzen etwa sei unmöglich. Stattdessen gibt es in dem Club am Südkreuz „Freiheit hinter verschlossenen Türen“, wie er sagt. Männer kommen vorbei, um auf Sexpartys ihre Fetische auszuleben und sexuelle Freiheit zu erleben.

Lewamm Ghebremariam, Vorstand Club Commission

„Uns ist bewusst, wenn Clubs jetzt schließen, dann machen die nie wieder auf.“

Zur Zukunft der Clubszene hat Schenk von Waldow eher eine fatalistische Haltung. Preiswerte Flächen gebe es in Berlin nicht mehr und die Einkaufspreise seien inzwischen so hoch wie in Paris oder New York. Da hilft es auch nicht, dass er mit seinem Club in der Commission und beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband organisiert ist. Als Sexclub werde man bei Verbänden oft in die Schmuddelecke gestellt und als Verein wirtschaftlich nicht ernst genommen.

Die Clubcommission indes sieht in ihrer Awareness Akademie ein weiteres Zukunftsprojekt. Lewamm Ghebremariam hat sie mitbegründet. In den Fortbildungskursen geht es darum, sicheres Feiern mit sensibilisiertem Personal zu garantieren und die Feierkultur der Clubs achtsamer zu gestalten. Am Ende sollen alle befreiter feiern können. Aber auch dieses Projekt nützt laut Clubbesitzer Schenk von Waldow nur wenig: Das Böse Buben setzt bereits auf die Hilfsbereitschaft der Besucher untereinander, mehr brauche es bei ihnen nicht.

Kann man jetzt nur noch den freien Wendejahren nachtrauern? Die sind halt vorbei, sagt Martin Schenk von Waldow schlicht. Auch Ghebremariam findet, dass die Rückschau nichts bringt: „Ich glaube nicht, dass wir jetzt weniger frei sind als damals. Es werden immer neue Leute in die Stadt kommen und sie bereichern.“ Selbst wenn die Lage aktuell prekär ist, bleibt sie optimistisch: „Die Zeiten werden sich auch wieder ändern, genauso wie die Clubs.“

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