Partylärm in Bremen: Saturday Night Viertel
„Leben im Viertel“ beschuldigt den Beirat, sich nicht um die Feierei im Stadtteil zu kümmern. Der bestreitet den Vorwurf vehement.
„Sogenanntes Feiern und die Begleiterscheinungen“ nennt die Wähler*innengemeinschaft „Leben im Viertel“ (LIV) das. Wenn es nach ihr ginge, würde sich der Beirat Östliche Vorstadt in seiner Sitzung am heutigen Dienstag intensiv mit dem Thema befassen.
Laut einer Presseerklärung aus der letzten Woche unterstütze man 74 Bürger*innenanträge, welche das Thema unter dem Titel „Situation im Viertel – vorläufige Bilanz des Sommers 2021, Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Lage für die AnwohnerInnen, Perspektiven für eine positive Entwicklung Viertels“ als zentralen Punkt für den Abend setzen wollten. Der Beirat habe dies jedoch abgelehnt, ebenso eine Sondersitzung eine Woche später.
Damit weigere er sich „weiterhin – wie schon seit Monaten – das Thema öffentlich zu diskutieren“. Untätigkeit lautet der Vorwurf von LIV; darüber hinaus sieht die Wähler*innengemeinschaft „die Parteien, die seit 'ewigen Zeiten’ die Beiratsmehrheit bilden, in erheblicher Verantwortung für die Zuspitzung der Problemlagen im 'Viertel’, weil sie auf ortspolitischer Ebene nichts gegen die negativen Entwicklungen unternommen haben und die rechtsfreien Räume schönreden und verniedlichen“.
Ein WC auf dem Osterdeich
Die Beiratssprecher von Grünen und Linker und auch die CDU haben kein Verständnis für die Beschwerde. Denn das Thema stehe ohnehin auf ihrer Agenda und werde bereits bearbeitet, sagt Steffen Eilers von den Grünen: die Sperrung des Sielwalls, ein WC auf dem Osterdeich, nächtliches Müllsäcke-Verteilen durch Beiratsmitglieder selbst.
Wähler*innengemeinschaft „Leben im Viertel“
Ersteres wirke sich bereits auf die Stimmung aus, so die Wahrnehmung von Eilers. „Es ist friedlicher und das Publikum gemischter.“ Mit einer finalen Bewertung der Maßnahme müsse man aber noch warten; nach sechs Wochen Sommerferien sei das schwierig.
Vor den Ferien habe man sich zudem mit Bewohner*innen der Linienstraße getroffen, vor rund zwei Wochen mit Fehrfeld-Vertreter*innen, erzählt Eilers. Auch daraus hätten sich weitere Maßnahmen ergeben: So soll der Eingangsbereich der Linienstraße heller beleuchtet werden, mit der Verwaltung sei dies bereits abgestimmt. „Auch die Kioske gegenüber sind angesprochen worden, was Schmutz und Musik angeht.“
A propos Krach: Wenn nachts Leute mit einer Box herum liefen, solle die Polizei nicht einfach dran vorbei fahren, sondern eingreifen, sagt Eilers. „Nicht mit massiver Polizeipräsenz, das ist nicht die Lösung.“ Aber eine „gewisse Durchsetzung von Regeln, die zum Teil nicht ernst genommen werden“, dürfe es schon sein. Darüber sei man mit der Innenbehörde in Kontakt.
Der Unterstellung, man gehe einer Konfrontation aus dem Weg, widerspricht auch Helmut Kersting, Beiratssprecher von der Linkspartei, vor dem Hintergrund der vielen Aktionen. Er möchte mit dem Beirat noch mehr Orte für junge Leute entwickeln, um das geballte Geschehen im Viertel zu dezentralisieren.
Die von der LIV übernommene Forderung, die Sitzung am heutigen Dienstag dem Thema komplett zu widmen oder eine Sondersitzung einzuberufen, verkenne die Möglichkeiten der Beiratsarbeit. „Das geht so kurzfristig nicht“, sagt Eilers.
Thema soll noch in diesem Jahr wieder auf den Tisch
Das weiß auch Peter Kadach, Beiratsmitglied für die CDU. „Wir müssen Dienstag über das neue Hulsberg-Viertel sprechen, weil da Fristen zu beachten sind. Das wird den ganzen Abend in Anspruch nehmen.“ Das sei auch LIV bekannt, sagt Kadach, der mit seiner Partei auch mit der Linienstraße in Kontakt gewesen sei.
Dass LIV versuche, sich als Interessenvertreterin aller darzustellen, verstehe er nicht. Der Beirat sei viel näher an den Anwohner*innen dran. „Die Menschen haben nichts dagegen, dass gefeiert wird.“ Manche seien genervt, manche hätten auch Verständnis. Wirklich neu seien nur „ausufernde Zustände“, wenn etwa Bedrohungen und Belästigungen dazu kämen oder „Notdurft vor der Haustür“ verrichtet werde.
Das Thema noch in diesem Jahr zu behandeln, können sich alle drei vorstellen. Kadach spricht von Oktober oder November. „Auf einer regulären Beiratssitzung.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz