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Parteitreffen im NetzEin müder Abklatsch

Die Grünen nennen eine digitale Fragestunde ihrer Landeschefs zum Wahlprogramm 2021 Parteitag – verdient hat es die Veranstaltung nicht.

Hier noch abstandslos beim echten Partei 2019: Berlins Grünen-Chefs Nina Stahr und Werner Graf Foto: dpa

Berlin taz | Einen Vorteil hat die Sache ja: Das, was als digitaler kleiner Parteitag im Netz angekündigt ist, offiziell „Landesausschuss“, beginnt pünktlich um 19.30 Uhr. Das ist bei den Berliner Grünen bei analogen Parteitagen durchaus schon mal anders. Aber das war's dann auch.

Es gibt zwar wie sonst eine Tagungsleitung, an diesem Mittwochabend Vorstandsmitglied Hanna Steinmüller, bloß dass Tagungsleiterin hier „Moderatorin“ heißt. Und es gibt auch zu Beginn Beiträge der beiden Parteivorsitzenden, Nina Stahr und Werner Graf – die leiten ein und erzählen gut eine halbe Stunde lang, wie die Partei ihr Programm für die Abgeordnetenhauswahl im September 2021 erarbeiten will.

Was dann folgt, ist allerdings der müde Abklatsch eines Parteitags. Wo sich sonst Diskussion, Aufeinander-Eingehen oder Widerspruch, Zwischenrufe ergeben, gibt es nun allein Fragen. Die sind per Chat an Moderatorin Steinmüller zu schicken, die sie dann vorliest – „es ist technisch nicht möglich, dass wir Euch dazu schalten.“

Im Bild bleiben also dauerhaft Stahr, Graf und die Moderatorin. Unsichtbar blieben die anderen knapp 270 Parteimitglieder, die laut Steinmüller gerade an dieser Veranstaltung teilnehmen. Das ist nicht weiter schlimm, denn vor allem Graf ist gut gelaunt, lacht viel in die Kamera vor ihm, und Stahr wirkt so gut frisiert, als hätte sie auf die Schnelle schon einen der raren Friseurtermine erwischt.

Keine politische Diskussion

Doch was nun folgt, ist eben ein Frage-Antwort-Spiel, keine politische Diskussion – mit der Grünen-typischen Besonderheit, dass auch digital nicht zwei Männer hintereinander fragen dürfen. Der Titel fürs künftige Wahlprogramm erhebt die Grünen schier in den Rang eines auserwählten Volks: „Die Zukunft ruft nach uns“, ist die Präsentation auf dem Bildschirm überschrieben – im grünen Selbstverständnis kommt dafür offenbar keine andere Partei in Frage.

Elf Facharbeitsgruppen sollen im Zukunftsrat an dem Programm arbeiten, bis Ende Juli können Kreisverbände, Arbeitsgemeinschaften, aber auch Gruppen von 20 einzelnen Mitgliedern Ideen einreichen – mindestens zehn dieser 20 müssen allerdings Frauen sein, sonst kann aus der Idee nicht ins Programm, sei sie auch noch so toll. „Call for paper“, nennt die Partei diesen Aufruf, sich zu beteiligen.

Bis Anfang Januar soll daraus ein Programmentwurf des Landesvorstands werden, über den ein Parteitag im nächsten März zu beschließen hat. Im August 2021 soll ein kleineres komprimiertes Papier folgen, das die Partei wiederum selbstbewusst „Das grüne Regierungsprogramm bis 2026“ überschreiben will. Grund dafür gibt es durchaus: Bis zu Corona-bedingten Umwälzungen in Wahlumfragen zugunsten der CDU waren die Grünen über Monate stärkste Partei in Berlin, und mit Blick auf die rot-rot-grüne Koalition gilt das noch immer.

Ambitionierter als vorher gegenüber Journalisten

Gegenüber den Mitgliedern gibt sich die Parteiführung allerdings ambitionierter als noch am Morgen in einer Videokonferenz mit Journalisten. Hieß es dort zum Wahlziel, man wolle nach der für den 19. oder 26. September erwarteten Berlin-Wahl „ein relevanter Player sein“, sagt Graf nun, man spiele jetzt in einer Liga, die den Regierenden Bürgermeister stelle.

Kein Mitglied fragt in diesem digitalen Austausch allerdings danach, was die Journalisten am Morgen in dem Pressegespräch am längsten beschäftigte – wer denn am Ende für die Grüne Regierungschefin werden soll? Es sei natürlich wichtig zu wissen, wer die Partei letztlich in den Wahlkampf führe, hatte Landeschefin Stahr da eingeräumt, dann aber nachgelegt: „Es geht nicht darum, ob Person A, B oder C im Rathaus sitzt, sondern es geht darum, diesen Planeten zu retten.“

Das klang nach kompletter Austauschbarkeit der inoffizellen Kandidatinnen, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und Fraktionschefin Antje Kapek – was Stahr natürlich so auch nicht verstanden wissen wollte.

Danach fragt aber am Abend keins der Mitglieder, von denen laut Graf auch nach über einer Stunde immer noch 250 zugeschaltet sind. Von Interesse ist vielmehr, wie Stahr oder Graf zu diesem oder jenem Thema stehen – bis Moderatorin Steinmüller reingrätscht und zu verstehen gibt, das spiele doch eigentlich keine Rolle, weil über das Programm nicht die beiden, sondern die ganze Partei entscheide. Graf wendet sich auch gegen ein Programm voller Corona-Hilfsideen – „wir wollen kein Ausnahmesituationsprogramm, sondern eins, das abgeleitet von Visionen ist.“

Nach eineinhalb Stunden passiert, was bei echten Parteitagen auch kaum vorkommt: Es ist exakt zu einer festgelegten Uhrzeit Schluss. Was zugegebermaßen doch noch ein weiterer Vorteil dieses digitalen Treffen ist.

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