Parteitag in Karlsruhe: Kommt ein Seehofer zur CDU
Auf dem Parteitag der CSU hatte Horst Seehofer die Bundeskanzlerin brüskiert. Nun erschien er zum Gegenbesuch in Karlsruhe.
Nach dem Eklat beim CSU-Parteitag ist das nun der Gegenbesuch bei der CDU, auf dem Parteitag in Karlsruhe. Der Saal lacht, Horst Seehofer hat das Eis gebrochen. Mit den Delegierten. Aber auch mit der Parteiführung?
Gut drei Wochen zuvor hatte der CSU-Vorsitzende Angela Merkel rüde abgekanzlert. Beim CSU-Parteitag in München ließ Horst Seehofer die CDU-Chefin minutenlang neben sich auf offener Bühne stehen, um seine Haltung zur Flüchtlingsthematik zu referieren.
Mit einer Mischung aus Brutalität (“damit das klar ist“) und Anbiederung (“das weißt du auch, liebe Angela“) führte er den Parteitagsgast vor. Seehofers Botschaft: „Wir sind der festen Überzeugung, dass die Zustimmung der Bevölkerung nicht auf Dauer zu haben ist, wenn wir nicht zu einer Obergrenze der Zuwanderung kommen.“ Als er endlich fertig war, ging Merkel nach rechts, unter gerade noch höflichem Applaus, von der Bühne ab.
Der Effekt dieser Brüskierung war erstaunlich. Seehofer, der sich am selben Tag seiner Wiederwahl als Parteivorsitzender stellen wollte, hatte sich offensichtlich verkalkuliert. Statt als entschiedener Vertreter bayerischer Interessen gegenüber der Unionschefin verstanden zu werden, war sein ungehobeltes Benehmen den Delegierten eher peinlich. Bei seiner Wahl erzielte er sein bisher schlechtestes Ergebnis: desaströse 87 Prozent.
Dauerthema Obergrenze
In Karlsruhe nimmt Seehofer die versöhnliche Geste Merkels an und gratuliert ihr zu ihrem Erfolg auf dem Parteitag. Aber die Lust an der Provokation ist natürlich trotzdem da. „Mir ist der Rat gegeben worden, du kannst doch auch über etwas anderes reden“, sagt er. Grinst er. Und spricht natürlich doch nur über das eine Thema: die Obergrenze.
Die CSU hatte vor einigen Wochen einen eigenen Leitantrag zur Flüchtlingspolitik verabschiedet. Den vergleicht Seehofer nun mit dem gestern verabschiedeten Gegenstück der CDU. Natürlich halte auch die CSU von Abschottung „gar nichts“, sagt Seehofer. Habe die Partei auch nie betrieben. „Dass Bayern blüht, verdanken wir sowohl den einheimischen Bayern als auch den Menschen, die dazu gekommen sind“, sagt er und meint damit die Zuwanderer des letzten Jahrhunderts: Heimatvertriebene und Spätaussiedler. Mitmenschlichkeit in beiden Parteien? „Übereinstimmung, abgehakt“, sagt er. Ein großes Integrationspaket, das beispielsweise Wohnungsbau vorschlägt, Ausbildung regelt, sei schon längst beschlossen. Die Bayern also schneller als die CDU. Übereinstimmung, abgehakt.
Es ist erstaunlich still im Saal. Die Delegierten lauern. Schlägt er noch einmal zu? Wann? Seehofer bleibt bei seinen Späßchen. Das Geld für das Integrationsprogramm stellt der Bund. „Ich bedanke mich mit großer Liebenswürdigkeit – das muss man ja neuerdings dazu sagen – bei der Bundesregierung, bei der Bundeskanzlerin, beim Bundesfinanzminister.“
Die Kamera schwenkt auf Merkel, die guckt verkniffen, die Delegierten lachen. Schäuble heizt das Publikum mit wedelnden Armen an. Die Pointe geht an Seehofer: „Ich fürchte, das Geld wird mir an anderer Stelle wieder abgezogen“. Er lacht.
Fotomoment für Seehofer
Dann kommt er aber doch zur Obergrenze. Er spricht von der Flüchtlingswelle, davon, dass sie zu groß sei, um sie nicht zu stoppen. „Deshalb, liebe Angela, bin ich sehr froh, dass ihr nochmal diese Botschaft aufgenommen habt.“ Er spricht die CDU-Formulierung an, nach der die Zahl der Flüchtlinge reduziert werden soll. Die Hand legt Seehofer auf sein Herz. Aber klar, der CSU-Antrag, in dem die Obergrenze deutlicher steht als in der CDU-Variante, der gelte weiterhin. Nur die Zusammenarbeit, die sei nun möglich.
Horst Seehofer dankt der Bundestagsfraktion, den Unions-Ministern, Volker Kauder und anderen. Dann winkt er sie alle nochmal zu sich, die Spitzenkandidaten der kommenden Landtagswahlen, Angela Merkel. Ein Fotomoment. In der Mitte steht, natürlich, Horst Seehofer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?