Parteitag der Konservativen in England: Mit dem Brexit zu „Globalbritannien“
Verhandlungen über den EU-Austritt ab März 2017, erklärt Premierministerin Theresa May auf dem konservativen Parteitag.
Spätestens Ende März 2017, sagte May auf ihrer Parteitagsrede am Sonntag, will Großbritannien den Artikel 50 der EU-Verträge aktivieren, der die Absichtserklärung eines EU-Mitglieds zum Austritt regelt und für die Austrittsverhandlungen eine Zweijahresfrist festlegt.
Und in der Sitzungsperiode 2017/18 soll das britische Parlament ein EU-„Aufhebungsgesetz“ (Great Repeal Act) beschließen, das die EU-Mitgliedschaft aufkündigt und mit dem die Gültigkeit von EU-Regeln in Großbritannien automatisch erlischt.
Der Teufel steckt aber im Detail. Erstens: Vor der Aktivierung des Artikels 50 wird es keine Parlamentsabstimmung geben – eine zentrale Forderung der EU-Befürworter. Ungewohnt scharf verwahrte sich May dagegen:
Deutliche Akzente
Wer nach der Brexit-Volksabstimmung erst noch ein Parlamentsvotum wolle, bevor der EU-Austrittsbeschluss eingereicht werde, „steht nicht für Demokratie ein, sondern versucht, sie zu untergraben. Sie versuchen nicht, den Brexit richtig zu machen, sondern ihn abzutöten, indem sie ihn verzögern. Sie beschimpfen die Intelligenz des britischen Volkes.“
Das war eine klare Kampfansage. Die Pro-EU-Fraktion wird in diesen Tagen vom ehemaligen konservativen Finanzminister Kenneth Clarke verkörpert, der pünktlich zum Parteitag seine Memoiren veröffentlichte. In einem Interview erklärte der 76-Jährige die Brexit-Volksabstimmung zu einer „reinen Meinungsumfrage“, von der man keine Notiz nehmen sollte. Aus derselben Haltung heraus bereiten namhafte Politiker eine Klage gegen die Regierung vor, die zur Aktivierung des Artikels 50 ein Parlamentsvotum erzwingen soll.
Mays Ankündigung eines EU-Aufhebungsgesetzes ist geeignet, ihren Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen und die radikale Brexit-Fraktion, die vernehmlich mit den Hufen scharrt, ruhig zu stellen. Die britische EU-Mitgliedschaft ohne Verhandlungen per Federstrich zu beenden – das war die Empfehlung der Rechten vor dem Referendum. May trägt dem nun Rechnung, aber mit wichtigen Akzentverschiebungen.
Ein globales Britannien
So soll das Gesetz erst während der Austrittsverhandlungen verabschiedet werden und erst in Kraft treten, wenn der Austritt vollzogen wird. Damit wäre es eigentlich überflüssig, aber auch hier steckt der Teufel im Detail:
Das Gesetz soll laut May alle bestehenden EU-Direktiven („acquis communautaire“) in die britische Gesetzgebung überführen, sofern sie nicht schon drinstehen. „Indem wir den ‚acquis‘ in britisches Recht umwandeln, werden wir Unternehmern und Arbeitnehmern die größtmögliche Sicherheit bieten, während wir die Europäische Union verlassen“, so May. „Nach dem Brexit werden die gleichen Regeln und Gesetze gelten wie vorher. Jede Gesetzesänderung wird genauer Prüfung und ordentlicher parlamentarischer Debatte unterzogen.“
Nach dem Brexit bleibt alles beim Alten, außer man beschließt, es zu verändern. Das ist das Gegenteil der Anti-EU-Forderung, wonach nach dem Brexit alles erlischt, außer man beschließt es zu behalten. Die EU-Befürworter können einem solchen Brexit-Gesetz kaum widersprechen. Die EU-Gegner können es aber auch nicht wirklich niederstimmen. Damit hätte May wohl doch ihre parlamentarische Mehrheit sicher.
Nun ist viel Lobbyarbeit zu erwarten. In einem Bereich hat sich May schon festgelegt: „Arbeitnehmerrechte werden rechtlich garantiert bleiben“, sagte sie – eine Antwort auf die zentrale Forderung der Labour-Opposition, was den Brexit angeht. Das künftige Verhältnis zur EU ist allerdings offen. Die Stimmung bei den Konservativen ist eher gegen einen Verbleib im Binnenmarkt, wie ihn die Finanzindustrie fordert.
May und auch Außenminister Boris Johnson nutzten ihre Parteitagsauftritte zu Plädoyers für ein „global“ ausgerichtetes Großbritannien. „Die Welt braucht Globalbritannien mehr denn je“, rief Johnson in einer sprachlich brillanten Rede, „als Vorkämpfer für die Werte, an die wir glauben, als Anstifter für Wandel und Reform und ökonomische und politische Freiheit in einer Welt, die ihren Glauben an diese Werte verloren hat.“ In alter Form lästerte Johnson: Die EU sei gegen ein weltweites Elfenbeinhandelsverbot, obwohl ihr Ratspräsident Tusk (Englisch für Stoßzahn) heißt.
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