piwik no script img

Parteiprogramm-EntwurfGrüne Grundlagen

Hamburgs Grüne wollen sich neu erfinden. Bildung soll künftig nicht mehr Kernthema der Partei sein. Sogar das Kürzel "GAL" soll nach 30 Jahren abgeschafft werden.

Modern und mobil: Sympathisantin des Themenclusters "Ökologie und Wirtschaft", die Grün sucht, aber nur GAL findet. Bild: dpa

HAMBURG taz | Am Anfang ist der Entwurf. „Es geht um einen Neustart“, sagt Katharina Fegebank, Landesvorsitzende der Grün-Alternativen Liste (GAL) in Hamburg. Denn viele GALier hätten das schwarz-grüne Koalitionsexperiment noch nicht bewältigt und dessen Scheitern eben so wenig. Deshalb müsse die GAL sich „inhaltlich neu ausrichten“, so Fegebank.

Damit aber haben die Grünen sich durchaus Zeit gelassen. Mehr als ein Jahr nach der Niederlage bei der Bürgerschaftswahl liegt immerhin „eine Ausrichtung in groben Zügen“ vor, welche der Landesausschuss, das höchste Parteiorgan zwischen den Parteitagen, jetzt verabschiedete. Dieser definiert vier „Themencluster“ als Grundlage grünen Seins: Soziale Gerechtigkeit, Bürgergesellschaft, Mobilität sowie Ökologie und Wirtschaft sollen die künftigen Kernfelder sein. Auf der Landesmitgliederversammlung (LMV) am 21. April wird diese 14-seitige Programmskizze debattiert werden. Fegebank ist klar, dass dies nicht reibungslos erfolgen wird: „Wir liefern Stoff für Zoff.“

Denn im vorigen Sommer hatte eine Gruppe innerparteilicher Kritiker um das GAL-Urgestein Kurt Edler mit zum Teil harschen Vorwürfen eine „Demokratiedebatte“ angestoßen. Sie warnte vor einem parteiinternen „Führerkult“, forderte Partizipation, Meinungspluralismus und Zivilcourage ein und verkündete das Credo „Alle Demokratie ist Streit“. Der Landesvorstand um Fegebank hatte hingegen eine grüne Zukunft „jenseits von klassischen Lagerkonstellationen“ skizziert. „Wir müssen der Stadt erklären, wofür wir stehen“ und „die Deutungshoheit über die wichtigen Zukunftsthemen zurückerlangen und Begriffe grün besetzen“, so die Forderung.

Das ist die GAL

Die Grün-Alternative Liste (GAL) wurde 1982 als Fusion der Grünen und der Alternative Liste gegründet. Seit 1984 ist sie Hamburger Landesverband der Grünen, später Bündnis 90 / Die Grünen.

Parlament: Seit der Wahl im Juni 1982 ist die GAL ständig in der Bürgerschaft vertreten.

Senat: Zwei Mal regierte die GAL als Juniorpartner mit: Von 1997 bis 2001 mit der SPD, von 2008 bis 2010 mit der CDU.

Mitglieder: Die GAL ist mit rund 1.600 Mitgliedern hinter SPD und CDU die drittgrößte Hamburger Partei.

Auf einer LMV Ende Oktober jedoch war es zu keiner Entscheidung gekommen: Nach fünfstündiger Debatte hatte die Basis den Vorstandsantrag ebenso angenommen wie den Gegenantrag der Kritiker. Deshalb folgte eine monatelange Debatte in den Gremien über einen programmatischen Konsens.

Den aktuellen Stand stellt die jetzt beschlossene Programmskizze des 25-köpfigen Landesausschusses dar, in dem Parteivorstand, alle sieben Kreisverbände, die Bürgerschaftsfraktion und die Grüne Jugend vertreten sind. Auf der dort definierten inhaltlichen Basis sollen nun binnen zwei Jahren, so heißt es in dem Papier, „unsere strategische Ausrichtung, unsere Ziele und unsere Richtungsbestimmung“ so erneuert werden, dass die GAL optimistisch zur Bürgerschaftswahl im Februar 2015 antreten kann.

Wie der inhaltliche Selbstfindungsprozess tatsächlich ablaufen wird, ist ungewiss. Zwar sind im Halbjahresrhythmus Termine definiert, bis zu denen die vier Themencluster programmatisch aufgearbeitet werden sollen, damit im Herbst 2014 ein Wahlprogramm aufgestellt werden kann. Inhaltlich indes gibt es Vorbehalte.

So monierten grüne Bildungspolitikerinnen, dass „Bildung für alle“ nicht als Themenschwerpunkt gesetzt wurde, andere vermissten die Betonung der „Integration“. Das Gegenargument, beides solle künftig als „Querschnittsaufgabe aller Themencluster“ begriffen werden, blieb nicht ohne Widerspruch. „Da gab es eine kleine Revolte“, berichten prominente Grüne.

Auch der Umstand, dass „Mobilität“ zum eigenständigen Themenschwerpunkt erhoben werden soll, statt als Bestandteil von „Ökologie“ begriffen zu werden, sorgte für interne Debatten.

Es würden „Weggabelungen“ beschrieben, hält Fegebank dagegen: „Welchen Weg wir nehmen, müssen wir im Diskussionsprozess gemeinsam erarbeiten.“ Prämisse sei: „Wir müssen in Zusammenhängen denken und dürfen uns nicht im Klein-Klein verlieren.“

Das sehen nicht alle so. Denn auf der LMV in zwei Wochen soll auch der Antrag „Wo Grün drin ist, soll auch Grün draufstehen“ beraten werden. Dieser sieht vor, das Kürzel GAL zu streichen und nur noch als „Grüne“ zu firmieren. Die im bundesweiten Vergleich mäßigen Wahlergebnisse in Hamburg seien auch darauf zurück zu führen, dass Zugezogene und Nachwachsende mit der Kurzform „nichts anfangen können“, so die Begründung. „GAL wird assoziiert mit keltischen Stämmen oder einem inneren Organ“, heißt es in dem Antrag. Für eine schönere Zukunft müsse gelten: „Die Erfolgsmarke heißt Grüne und nicht GAL.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • A
    Aksel

    Würde die TAZ mehr die Ergebnisse von einem Jahr unserer internen Analyse die öffentlich war abbilden, würden sie sehen Montcerf das wir hier eine journalistische Vereinfachung haben.

     

    Es gab niemanden der die Probleme Schwarz-Grün dort auf den Namen zurückführte.

    Der Vorstoß zur Namensänderung kommt nicht von "oben" sondern von der Basis aus dem Bezirk Harburg.

     

    Betrachtet man die Historie wie wir zum Namen GAL kamen, durch die Vermengung von Listen mit den Grünen, sind wir inzwischen davon weit entfernt.

    Das war ja ein Kompromiss anno dazumal der Listen nicht unter Grünen Namen anzutreten.

    Daher ist es nur Konsequent die Namensfrage zu stellen, wenn man sowieso schon dabei ist die eigenen Strukturen zu verändern. ;)

     

    Genauso sind wir als Hamburger mit die ersten die ohne Realo-Fundi Unsinn auskommen. Ein Trend der sich hoffentlich fortsetzt.

  • S
    Symphatisant

    Die Bildunterschrift ist mal wieder das schönste am Artikel.

    Aber werden ca 6jährige radfahrende Mädchen nicht bald mit denjenigen "Chaoten" symphatisieren, die derzeit viel krassere Findungsdebatten führen?

  • M
    Montcerf

    "Die im bundesweiten Vergleich mäßigen Wahlergebnisse in Hamburg seien auch darauf zurück zu führen, dass Zugezogene und Nachwachsende mit der Kurzform „nichts anfangen können“, so die Begründung. „GAL wird assoziiert mit keltischen Stämmen oder einem inneren Organ“, heißt es in dem Antrag. Für eine schönere Zukunft müsse gelten: „Die Erfolgsmarke heißt Grüne und nicht GAL.“"

     

    So ein Quatsch! Das relativ mäßige Ergebnis der letzten Wahl in Hamburg dürfte hauptsächlich an der mäßig erfolgreichen und letztlich gescheiterten Zusammenarbeit mit der CDU gelegen haben. Daran hätte auch ein bundesweit homogenisierter Name nichts geändert. Hamburger und Zugewanderte dürften relativ genau wissen, wer sich hinter dem Namen GAL verbirgt, unter dem die Grünen in der Vergangeheit auch mal im bundesweiten Vergleich gute Wahlergebnisse eingefahren haben. Eine Namensänderung wäre nichts weiter als eine weitere unnötige und unangebrachte Distanzierung von den grünen Wurzeln.