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Parlamentswahlen in JordanienVerbesserte Gesetze – aber Selbstzensur

Anfang September wählte Jordanien ein neues Parlament. Wie demokratisch die Wahl abgelaufen ist, zeigt ein neuer Bericht der EU-Wahlbeobachtungsmission.

Auszählung der Stimmen in einem Wahllokal im September in Amman Foto: Jehad Shelbak/reuters

Amman taz | Am 10. September waren die Jor­da­nie­r*in­nen zu den Urnen gerufen. Gewählt haben sie ein neues Parlament, in einer historisch bedeutsamen Wahl: Denn es war die Erste, an der Parteien nicht nur mit ihren Vertretern in den lokalen Bezirken, sondern auch mit nationalen Kandidatenlisten teilnahmen. Mehr Parteiengewicht, mehr Teilnahme von Jugend und Frauen, mehr Modernität, mehr Demokratie – das war das Ziel. Wie gut dies gelungen ist, darüber gibt der jüngste Bericht der EU-Wahlbeobachtungsmission Aufschluss.

„Es hat eine gewaltige Besserung seit der letzten Wahl stattgefunden, trotz der regionalen Lage“, sagte am Dienstag die Leiterin der Beobachtungsmission, Zeljana Zovko, vor den Journalist*innen, die sich in einem der schicken Konferenzräume des Sheraton Hotels in Amman für die Vorstellung der Ergebnisse versammelt hatten.

Der Krieg in Gaza hatte seine Schatten auf die Wahl geworfen: Die Palästina-Frage stand bei mehreren Parteien ganz oben auf der Agenda. Kritik an den Abkommen zwischen Jordanien und Israel hallte monatelang durch die Straßen, und die Islamische Aktionsfront, der politische Arm der Muslimbrüder in Jordanien, fuhr einen historischen Sieg ein.

Trotzdem sei die Parlamentswahl effizient abgelaufen, mit einem geordneten und inklusiven Registrierungsverfahren von Kan­di­da­t*in­nen und Wähler*innen, urteilt jetzt die EU-Mission. Die neuen Gesetze hätten zudem die Teilnahme der Jugend am politischen Leben gestärkt.

Das Cybercrime-Gesetz schränkt ein

Gleichzeitig bemängelte EU-Beobachterin Zovko eine gewisse Selbstzensur im politischen Diskurs und der Presse. Vor allem das neue Cybercrime-Gesetz stehe der Redefreiheit im Wege. Bereits seit seiner Verabschiedung Mitte 2023 beklagen Menschenrechtsorganisationen und Aktivist*innen, das Gesetz sei so vage formuliert und die Strafen so drakonisch, dass es riskiert, Dissens zu ersticken und gegen Jour­na­lis­t*in­nen und Kri­ti­ke­r*in­nen benutzt zu werden.

Auch hätten sich die Kampagnen der verschiedenen Kan­di­da­t*in­nen immer noch auf die Person statt auf die politischen Programme fokussiert. „Die Botschaften der Kampagnen waren großenteils allgemein und die Kan­di­da­t*in­nen warben für ihr persönliches Image auf Kosten der politischen Parteiprogramme“, schreibt die Mission in ihrem 85-seitigen Report.

Ein Mangel an echter Debatte zwischen den Parteien und über deren Programme, auch in den meisten Medien, der eventuell zu dem geringen Informationsniveau der Wäh­le­r*in­nen beigetragen haben könnte. Ebenso seien die Regeln für die Finanzierung der Kampagnen „weitgehend unbeachtet“ geblieben.

Die Mission stellt wie üblich eine Reihe von Empfehlungen für die nächsten Wahlen fest. Unter anderem sollten die Ge­setz­ge­be­r*in­nen das Cybercrime-Gesetz revidieren, damit es internationalen Menschenrechtsstandards entspricht, sowie das Strafrecht in Bezug auf die Redefreiheit ändern. Auch sollten Wäh­le­r*in­nen stärker informiert und die Finanzierung der Kampagnen transparenter werden. Menschen mit Behinderungen sollten einen leichteren Zugang zu den Urnen bekommen. Ob und wie die jordanischen Behörden die Empfehlungen umsetzen, bleibt aber letztendlich ihnen überlassen.

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