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Parlamentswahlen in FrankreichAlles andere als salonfähig

Bei den Parlamentswahlen sind unter den Kandidaten von Rassemblement National Rassisten, Antisemiten – und eine frühere Geiselnehmerin.

Jubel bei den Anhängern des Rassemblement National nach dem ersten Wahlgang, egal, wer die KandidatInnen sind Foto: Francois Lo Presti/imago

Paris taz | Seit Jahren versucht Marine Le Pen zu vermeiden, dass Mitglieder des Rassemblement National (RN) in der Öffentlichkeit als Neonazis, Rassisten, Antisemiten, Sexisten und Homophobe auffallen. Ihre Partei, die unter der Führung ihres Vaters Jean-Marie keine solchen Berührungsängste hatte, soll „salonfähig“ werden. Aber längst nicht alle RN-Leute, die für einen Abgeordnetensitz kandidieren, passen in dieses Bild.

Annie Bell ist dank mehr als 30 Prozent der Stimmen in ihrem Wahlkreis für die Stichwahl qualifiziert, obwohl sie in ihrem westfranzösischen Wohnort Ernée so gut wie nie als Kandidatin aufgetreten ist. Vielleicht hat sie sich mit gutem Grund nicht allzu sehr in den Vordergrund gestellt: Denn die Bürgermeisterin erinnert sich, dass diese Frau wegen einer Geiselnahme, bei der sie 1995 im Rathaus einen Schuss in die Decke gefeuert hatte, zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. RN-Vizepräsident Louis Aliot meinte dazu ziemlich genervt, die Partei könne ja nicht das Vorstrafenregister aller Kandidaten überprüfen.

Auch Paule Veyre de Soras tritt, in einem anderen Wahlkreis desselben Departements, zur zweiten Wahlrunde an. Auf die Frage eines Reporters eines Lokalblatts zur Fremdenfeindlichkeit des RN meinte sie nach einigem Überlegen, das sei „total falsch“. Ihr Beweis: „Ich habe einen Juden als Augenarzt, einen Muslim als Zahnarzt!“ Zu diesem fast klassischen Gegenargument der Rassisten meinte RN-Sprecherin Laure Lavalette, das sei gewiss „sehr ungeschickt“ gewesen, aber die Kandidatin habe halt keinerlei Erfahrung im Umgang mit Journalisten.

Etwas zu schnell nominiert wurde wohl auch Thierry Mosca, ein RN-Kandidat im Département Jura, der ebenfalls mit mehr als 32 Prozent zur zweiten Runde zugelassen ist. Er ist aber aus administrativen Gründen gar nicht wählbar, weil er unter Kuratel steht. Und noch vor wenigen Wochen musste die Justiz ein Strafverfahren gegen ihn wegen einer verminderten Zurechnungsfähigkeit einstellen. Falls er gewählt werden sollte, kann er sein Amt nicht antreten.

Ludivine Daoudi musste ihre Kandidatur für die Stichwahl wegen eines online publizierten Fotos zurückziehen, auf dem sie stolz eine Uniformmütze mit Hakenkreuz trägt. Als bloß „geschmacklosen“ Scherz wollte das der lokale RN-Delegierte abtun. Doch für Marine Le Pen hatte diese Ex-Kandidatin in der Normandie eine „rote Linie“ der Verhaltensregeln überschritten. Louis-Joseph Pécher ist als Mitglied der konservativen Partei Les Républicains vom RN nominiert worden. Diese Unterstützung wurde ihm entzogen, weil er unter einem Pseudonym auf X seinem Judenhass und antiarabischen Rassismus freien Lauf gelassen hatte. Für die Stichwahl will er trotzdem antreten.

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4 Kommentare

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  • Was gibt's da zu meckern....

    Ein Abbild der Gesellschaft, auch Schattenseiten drängen in politisch Einflussreiche Positionen

    Schau die deutschen Parlamenten an , ...von russischen, mittelamerikanische, schwarzafrikanische etc. politischen Vertretungen.... ganz zu schwelgen.

    Dort stellen sie die Mehrheit

  • Dummerweise stören sich die Wähler:innen nicht an der eigentlichen Unwählbarkeit von Personen. Sonst würde auch die Alternative einen Großteil ihrer Kandidat:innen hierzulande nicht durchbekommen. In Thüringen wohl die absolute Mehrheit. Und das mal jemand wirklich nachfragt, wie die ganzen Populisten von Rechts und links ihre Versprechen denn in Wahrheit umsetzen wollen, erwarte ich von deren Wählern schon gar nicht mehr.

  • Die Kandidaten der Nationalen Rechten sind inkompetent. Stimmt schon. Aber man sollte sich als Bildungsbürger nicht zu schnell zurücklehen. (Was Balmer auch nicht nahelegt.) Die populistische Welle ganz rechts (und in einigen Ländern ganz links) will ja gerade den ernsthaften demokratischen Diskurs umkurven und was ganz anderes. Und dieses ganz andere wird ja international schon sichtbar, wenn man den neuen Vorsitzenden des EU-Ministerrats Orban händeschüttelnd bei Putin sieht.

  • Die Front National / RN gehört dem Clan Le Pen, nur weil Marine anders ist als ihr Vater, ist diese Partei nicht über Nacht zu einer Mitte-Partei geworden, selbst Marine hat in Brüssel sich nicht korrekt verhalten.



    Die Partei versucht mit neuem Namen und einem anderen Image anzutreten, dass war hier ja nur ein Ausschnitt, es gab auch Gerichtsverfahren und Ermittlungen, wenn Rathäuser an die Partei gefallen sind. Das Muster ist immer Clan und Gesetzesübertritte, gepaart mit Äußerungen, die auf Selbstüberschätzung, Abgrenzung und Abwertung von anderen Menschen schließen lassen. Antisemitismus dürfte vielerorts auch dabei sein.

    Selbst im Wahlkampf bedienten sich Bardella und Le Men sehr deutlichen abgrenzenden Äußerungen gegenüber anderen Parteien. Wer diese Partei wählt, der wählt auch ein Schwaz-Weiß-Schema, viel Raum für Verständigung bleibt da nicht und das polarisiert Frankreich zusätzlich, mal abgesehen davon, dass die Linken nicht viel Lust verspüren, mit denen zusammenzuarbeiten, aber das kommt ja auch nicht von ungefähr.