Parlamentswahl in den Niederlanden: War schon mal Wilders
Am Tag nach der Wahl liegen D66 und Geert Wilders’ Partei PVV gleichauf. Mit Letzterer will keiner koalieren. Die Regierungsbildung wird schwierig.
Während in den Niederlanden gerade noch letzte Stimmenzettel ausgezählt werden, ist eines schon klar: Die am Mittwoch abgehaltenen Parlamentswahlen bedeuten besonders für die Partei des rechtspopulisten Geert Wilders, die Partij voor de Vrijheid (PVV), eine deftige Schlappe. Aktuellen Hochrechnungen zufolge wird die PVV künftig nicht mehr 37, sondern nur noch 26 der insgesamt 150 Parlamentssitze erhalten.
Erste Prognosen sahen am Wahlabend einen knappen Sieg der linksliberalen Partei Democraten 66 (D66) voraus; am Donnerstag jedoch lag die PVV des Rechten Geert Wilders mit ihr in den Hochrechnungen gleichauf. Beide kommen bis Redaktionsschluss auf 26 der 150 Parlamentssitze. Während das für die Rechtspopulist:innen einen Verlust von 11 Sitzen bedeutet, gewinnt D66 17 hinzu.
Dennoch hat D66-Spitzenkandidat Rob Jetten die besten Karten, der kommende Premierminister zu werden. Denn alle Parteien haben ausgeschlossen, mit Geert Wilders eine Koalition zu bilden. „Wilders muss wieder in die Opposition, wo er sich vielleicht auch am wohlsten fühlt“, sagt der Politikwissenschaftler Markus Wilp, Geschäftsführer des Zentrums für Niederlande-Studien der Universität Münster. „Er wird in der niederländischen Politik weiterhin eine große Rolle spielen.“
Dass der 62-jährige Rechtspopulist keine Machtoption hatte und in Debatten häufiger als sonst in der Defensive war, schadete ihm zwar im Wahlkampf. Doch, wie Wilders selbst formulierte: „Das ist immer noch das zweitbeste Wahlergebnis, das wir je erzielt haben.“
Timmermans tritt zurück
Dem Christen-Democraten Appèl (CDA) mit ihrem Spitzenkandidaten Henri Botenbal waren vorab ebenfalls Chancen auf den zweiten Platz eingeräumt worden, ebenso wie dem rot-grünen Parteienbündnis GroenLinks-PvdA, für das der ehemalige Europapolitiker Frans Timmermans zum zweiten Mal als Spitzenkandidat ins Rennen gegangen war. CDA kletterte von 5 auf 18 Sitze. GroenLinks-PvdA verlor dagegen 5 Sitze und liegt nach Redaktionsschluss nun bei 20.
Timmermans zog bereits eine Stunde nach den ersten Hochrechnungen die Konsequenzen und trat als Parteichef zurück. „Timmermans ist in den Niederlanden sehr polarisierend. Er wird von vielen als arrogant und abgehoben wahrgenommen“, sagt Niederlande-Experte Wilp. „Bei der Wahl 2023 hatte GroenLinks-PvdA von strategischen Wählern profitiert, die nun bei D66 ihr Kreuz setzten.“ Klimapolitik ist in dem Königreich zudem derzeit kein großes Thema.
In Den Haag stehen nun schwierige Koalitionsverhandlungen an. „Es gibt keine Koalition, die naheliegend ist“, so Wilp. Sicher sei, dass mindestens vier Parteien zusammenarbeiten müssen. „Neben der D66 wird der CDA dabei eine wichtige Rolle spielen, auch die VVD und GroenLinks-PvdA.“ Die rechtsliberale rechtsliberale Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), die Partei des früheren Ministerpräsidenten und derzeitigen Nato-Generalsekretärs Mark Rutte, ist eine von Wilders’ ehemaligen Koalitionspartnern. „In der Praxis wird eine solche Koalition aber nicht leicht umsetzbar sein, da VVD und Groen-Links wiederholt sehr große Bedenken gegen eine Zusammenarbeit geäußert hatten“, sagt Wilp.
Das niederländische Parteiensystem ist zersplittert
Die Neuwahlen waren nötig geworden, da Wilders die Vierparteienkoalition mit der VVD, dem im politischen Spektrum schwer einzuordnenden Nieuw Sociaal Contract (NSC) und der europaskeptischen und populistischen Bauernprotest-Partei BoerBurgerBeweging (BBB) hatte platzen lassen, nachdem er seinen Plan für eine rechtsradikale Migrations- und Asylreform nicht durchbekommen hatte.
Alle seine ehemaligen Koalitionspartner verlieren nun Sitze: Die VVD muss zukünftig mit 22, also 2 Sitzen weniger auskommen. Parteichefin Dilan Yeşilgöz ließ sich dennoch auf der Wahlparty bejubeln. Die BBB verlor ebenfalls 3 Sitze und wird in der Zweiten Kammer nur noch mit 4 Abgeordneten vertreten sein. Komplett von der politischen Landkarte verschwunden ist der NSC: Er verlor sämtliche seiner 20 Mandate.
Von den Verlusten der PVV profitierten unterdessen die beiden Rechtsparteien JA21, die künftig 9 statt einem Abgeordneten stellen, sowie das Forum voor Democratie (FvD), mit 7 statt 3.
Das niederländische Parteiensystem ist sehr zersplittert. Da es keine Sperrklausel gibt, sondern der Stimmanteil für mindestens einen Sitz reichen muss, schafften es in der vergangenen Legislaturperiode 15 Parteien ins Parlament. Mehrparteienkoalitionen sind üblich.
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