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Parlamentswahl in UsbekistanIm Dunstkreis der Regierung

Usbekistan hat sich unter dem derzeitigen Staatspräsidenten Mirzijojew gewandelt. Für die Wahlen gilt das nicht: Opposition darf nicht antreten.

Wahlen in Usbekistan – Oppositionelle und Unabhängige durften nicht antreten Foto: rtr

Berlin taz | „Ein neues Usbekistan – neue Wahlen!“ Mit diesem Motto waren die Einwohner in der ehemaligen Sowjetrepublik am Sonntag dazu aufgerufen, über die Besetzung des neuen Parlaments (Olij Majlis) sowie regionaler und lokaler Volksvertretungen abzustimmen.

In der Tat hat sich in den vergangenen Jahren in dem mit 33 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Staat Zentralasiens bereits einiges getan. Unter dem autoritären Staatspräsidenten Islam Karimow war Usbekistan ein Vierteljahrhundert fast total isoliert. Wenn überhaupt Bilder nach außen drangen, dann von ausgemergelten Kindern und zwangsrekrutierten Arbeitskräften bei der Baumwollernte oder hunderten Toten in Andischan, wo die Staatsmacht 2005 einen Volksaufstand hatte zusammen schießen lassen.

Doch seit 2016 ticken die Uhren anders. Karimows Nachfolger und langjähriger Regierungschef, Schavkat Mirzijojew, versucht sich an einer vorsichtigen Öffnung des rohstoffreichen Landes in Einheit mit einer Liberalisierung der Wirtschaft.

Bei einem Wirtschaftswachstum von fünf bis zehn Prozent pro Jahr scheint der Fünfjahresplan namens „Strategie zur Entwicklung des Landes 2017 bis 2021“ erste Früchte zu tragen – zumindest bei internationalen Geldgebern wie der Weltbank und der EU-Entwicklungsbank. Sie gewähren Usbekistan mittlerweile wieder Kredite.

Ungeachtet dessen ist ein Großteil der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung jedoch immer noch bitterarm. Angaben der Wirtschaftsförderungsgesellschaft German & Trade Invest (GTAI) zufolge müssen die Menschen in der Hauptstadt Taschkent mit 2000 Dollar, auf dem Land mit durchschnittlich 500 Dollar jährlich auskommen.

Foto: grafik taz

Jenseits der Wirtschaft kaum Reformbereitschaft

Wie hart das Alltagsleben ist, zeigte sich wieder Anfang Dezember. In mehreren Landesteilen und bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt brach die Gast- und Stromversorgung komplett zusammen. Daraufhin blockierten aufgebrachte DemonstrantInnen Zufahrtsstraßen, zündeten Gegenstände an und forderten die Behörden lautstark zum Handeln auf.

Jenseits der Wirtschaft hält sich die Reformbereitschaft von Staatspräsident Mirzijojew jedoch in Grenzen. So wurden lediglich fünf Parteien, allesamt aus dem Dunstkreis der Regierung und auch schon im letzten Parlament vertreten, für die Wahl registriert. So dürfte es wenig Überraschungen geben: Alle Parteien haben erklärt, den amtierenden Präsidenten zu unterstützen. Weder oppositionelle Gruppierungen noch Unabhängige durften antreten, was der Chef der Taschkenter Menschenrechtsorganisation Ezgulik, Abdurahmon Taschanow mit der Aussage quittierte, es handele sich eher um eine Art politischen Prozess denn um eine Wahl.

Immerhin bewarben sich wegen einer neuen Quoten-Regelung dieses Mal deutlich mehr Frauen für einen der 150 Parlamentssitze. Von 750 KandidatInnen sind 310 weiblich.

Mit Erstaunen dürften viele UsbekInnen auch die ersten TV-Debatten zwischen VertreterInnen verschiedener Parteien zur Kenntnis genommen haben, bei denen Journalisten und Blogger sogar Fragen stellen konnten.

Ungewohnte Widerworte

Genauso ungewohnt waren Widerworte an die Adresse des Präsidenten. Der habe sich einverstanden erklärt, verlautete es kürzlich aus Moskau, der von Russland dominierten Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) beizutreten. Aus dem Senat, der zweiten Kammer, hieß es prompt, dass diese Frage noch ungeklärt sei. Der Chef der Demokratischen Partei der nationalen Wiedergeburt (OMTDP), Alischer Kadyrow, sprach sogar von einer Wiederherstellung der Sowjetunion und Schwächung der Souveränität Usbekistans.

Trotz vieler Neuerungen habe es der Präsident nicht geschafft, den Reformgeist auf die Parlamentswahl zu übertragen, heißt es in einer Stellungnahme der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) von Mitte Dezember. Das politische System Usbekistans sei immer noch in weiten Teilen autoritär.

Diesen Befund untermauert auch ein Blick auf die Situation der Menschenrechte. Zwar kamen seit 2016 mehr als 50 politische Gefangene, die teilweise zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren, auf freien Fuß. Beschränkungen des Internets wurden teilweise aufgehoben und im vergangenen Mai elf Webseiten, beispielsweise des usbekischen Dienstes der BBC, entsperrt. Nichtregierungsorganisationen können sich leichter registrieren lassen und werden weniger stark überwacht.

Dennoch sitzen weiter Tausende aus politischen Gründen im Gefängnis. Folter und Misshandlungen durch Sicherheitskräfte seien an der Tagesordnung, merkte das UN-Antifolter-Komitee Anfang Dezember an. Die Zensur von Medien ist weit verbreitet, genauso wie Repressionen gegen kritische Journalisten.

UN-Berichterstatter: Rechtsstaatlichkeit weiter gefährdet

NGOs, die sich wie die Gruppe ehemaliger politischer Gefangener „Wiederherstellung der Gerechtigkeit“ für Menschenrechte einsetzen, wird eine Legalisierung bislang verwehrt. Ein UN-Sonderberichterstatter kam unlängst zu der Einschätzung, dass die Unabhängigkeit der Gerichte sowie des Rechtsstaates weiterhin erheblich gefährdet sei.

Den Verdacht, dass Mirzijojew die Politik seines Vorgängers fortsetzt, nährten dieser Tage Informationen einer regierungsnahen Quelle. Danach gibt es Pläne, das Straf- und Verwaltungsrecht zu verschärfen. So sollen Personen, die das im Internet nutzen, um unerlaubte Demonstrationen zu organisieren beziehungsweise zu selbigen aufrufen, mit bis zu zehn Haft bestraft werden können.

Ein Anwalt in Taschkent bezeichnete dieses Vorhaben gegenüber der Onlineplattform Eurasianet als Versuch, Kritik von Bloggern und Journalisten an der Regierung zu unterdrücken. „Daran“, sagte er, „ob die neuen Abgeordneten für dieses Gesetz stimmen, werden wir ablesen können, wem sie dienen – dem Volk oder der Regierung.“

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