Barbara Oertel über den Wahlausgang in Ungarn
: Frei, aber nicht fair

Ungarns Regierungschef Viktor Orbán und seine nationalkonservative Fidesz haben, zum vierten Mal in Folge, die Wahlen gewonnen, sich erneut eine Zweidrittelmehrheit im Parlament gesichert – und damit auch noch die Befürchtungen der größten Pes­si­mis­t*in­nen im Land übertroffen. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Ungar*innen, die in der Abstimmung am vergangenen Sonntag zu Recht eine Schicksalswahl gesehen und auf einen Neuanfang gehofft hatten.

Das Zynische dabei ist, dass auch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine Orbán offensichtlich in die Karten gespielt hat. Gekonnt spielte er mit der Angst vieler Menschen, in diesen Krieg hineingezogen zu werden, und schreckte dabei auch nicht vor ­infamen und haltlosen Unterstellungen an die Adresse der Opposition zurück. Vermeintliche Stabilität und Sicherheit wiegen doch schwerer als grassierende Korruption, ein fortschreitender Demokratieabbau sowie die Aussicht, auch in den kommenden Jahren die Rolle eines Parias in Europa zu spielen.

Die „Wahlkampfhilfe“ von Orbáns Freund Wladimir Putin erklärt jedoch nicht alles. Denn das Terrain für den Durchmarsch von Fidesz war längst bereitet. Eine weitestgehend gleichgeschaltete Medienlandschaft, in der die Opposition nicht vorkam, die Verwendung staatlicher Gelder für einen überdimensionierten Wahlkampf und Wahlgesetze, die den Fidesz bevorteilen – die Liste ließe sich fortsetzen. Auch Sozialgeschenke vor allem an die Älteren dürften so manche/n in der Gesellschaft für Orbán eingenommen haben. Mag die Abstimmung auch frei gewesen sein, fair war sie, wie auch die Wahlen zuvor, sicher nicht.

Auch für Europa ist der Wahlausgang eine niederschmetternde Nachricht. Denn Orbán wird seine Attacken gegen Brüssel fortsetzen. Darauf deutet sein Auftritt am Wahlabend hin, bei dem er die EU scharf attackierte. Dass er sich komplett isoliert, nimmt Orbán in Kauf. Somit steht fest: Auch wenn die Waffen in der Ukraine bald schweigen könnten, was sich jede/r nur wünschen kann: Es wird ungemütlicher werden in Europa.

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