Parlamentswahl in Schweden: Der missglückte Flirt
Im Vorfeld der Wahlen haben sich die konservativen Parteien den Rechten zu stark angenähert. Einzig echte Wahlgewinner sind nun die Schwedendemokraten.
S ollte man nicht versuchen, die Rechtspopulisten zu „neutralisieren“, indem man ein wenig wird wie sie? Wie die Parlamentswahl in Schweden beweist, geht dieses Rezept eben nicht auf. Nach dem vorläufigen Ergebnis, das zunächst die amtierenden Sozialdemokraten vorne gesehen hat, sieht es jetzt nach einem Regierungswechsel aus. Das aus vier Parteien bestehende konservative Lager liegt vorne. Wirklich profitiert aber haben nur die rechtspopulistischen Schwedendemokraten.
Der offene Flirt von Konservativen, Christdemokraten und Rechtsliberalen mit den Schwedendemokraten hatte vor allem einen Effekt: Die WählerInnen der Schwedendemokraten sahen sich bekräftigt, dass ihre Lieblingspartei die ganze Zeit schon recht hatte und die anderen Parteien das nun auch endlich eingesehen haben. Und wer unter den AnhängerInnen von Konservativen, Christdemokraten und Sozialdemokraten schon früher nach dieser Partei geschielt, aber noch gezögert hatte, ihnen seine Stimme zu geben, wählte nun doch gleich das Original – wie der massive Stimmverlust aller drei Parteien zeigte.
Wer sich beim Thema Law-and-order und Migration mit einer rassistischen, demokratiefeindlichen und illiberalen Partei auf einen Wettbewerb einlässt, hat nicht nur von vorneherein verloren. Er trägt auch dazu bei, dass diese ihrerseits ihre Grenzen immer weiter verschiebt. Man will ja schließlich sein Monopol behalten, wenn die Konkurrenz stetig näher rückt. Das gesamte politische Spektrum wandert so mehr und mehr nach rechts.
Vielleicht ist es unvermeidlich, dass es in einer Gesellschaft mit ständig wachsender sozialer Ungleichheit – die ja kein Naturgesetz, sondern Resultat bewusster politischer Entscheidungen ist – ausreichend Nährboden für eine rechtspopulistische Partei gibt, die in der Migration den Kern allen Übels sehen will. Der große Fehler ist jedenfalls die Annahme, deren Attraktion werde geringer, wenn man ihre Sichtweisen und Rezepte bestätigt.
Für den erneuten Stimmenzuwachs der Schwedendemokraten kann sich Jimmie Åkesson in erster Linie bei Schwedens Oppositionsführer Ulf Kristersson bedanken, der ihn als Steigbügel benutzen wollte, um selbst an die Macht zu kommen. In Wirklichkeit hat er dem Projekt dieser Partei für eine „nationalistische Kulturrevolution“ auf den Spuren eines Viktor Orbán nun weiter nach vorne verholfen. Rechtsaußenparteien gewinnen nie die Macht aus eigener Kraft. Dazu bedürfen sie immer der Hilfe anderer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?