Parlamentswahl in Pakistan: Ein Kopf-an-Kopf-Rennen
Teilergebnissen zufolge kann die Opposition bei der Wahl punkten. Klar ist bereits schon jetzt, dass eine schwierige Regierungsbildung bevor steht.
Am Donnerstag waren 128 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, über die Abgeordneten der Nationalversammlung sowie der vier Provinzparlamente abzustimmen. Pakistan ist mehrheitlich muslimisch, die Nummer fünf der bevölkerungsreichsten Länder der Welt und hat mit einer Wirtschaftskrise zu kämpfen.
Wegen der angespannten Lage wurden die Grenzübergänge geschlossen. Mobilfunk- und Internetdienste waren unterbrochen. Das erschwerte es der Bevölkerung vielerorts, die Wahllokale zu finden. App-Taxis oder mobiles Bezahlen fielen ebenfalls aus. Es galten hohe Sicherheitsvorkehrungen.
Am Vortag hatte es bei Anschlägen mehrere Tote gegeben, am Wahltag selbst starben mindestens elf Sicherheitskräfte. Überschattet worden war die Wahl von der Inhaftierung des populären Ex-Premierministers Imran Khan und massiven Behinderungen seiner Gerechtigkeitspartei PTI.
Angst vor Repressionen
Der 71-jährige Ex-Cricketstar war zu langjähriger Haft verurteilt worden. Das wirkte sich auf Khans Popularität jedoch nicht negativ aus. Außer Khan waren weitere Spitzenpolitiker der PTI vor den Wahlen festgenommen worden oder hatten die Partei aus Angst vor Repressionen verlassen. Meinungsforscher:innen hatten eine niedrige Wahlbeteiligung prognostiziert.
Amir Khan aus der Küstenmetropole Karatschi ließ sich nicht davon abhalten, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. „Wir haben für Pakistan gestimmt“, sagte er der taz. Ihm sei aufgefallen, dass die Kandidaten von Imran Khans PTI sich nicht offen als solche hätten zu erkennen geben können.
„Sie traten als Unabhängige an“, sagt er. Denn Khans Partei hatte das Recht auf ihr Logo mit einem Cricketschläger verloren, das sonst auf die Wahlzettel gedruckt war. Gerade Frauen und Jüngere hätten für die PTI stimmen wollen, so der 48-Jährige.
Unterdessen nehmen Spannungen in Pakistan weiter zu, beobachtet der Südasienexperte Michael Kugelman. „Nachdem die vorläufigen Wahlergebnisse der PTI überraschende Zugewinne attestiert hatten, wurde die Auszählung der Stimmen stundenlang verzögert. Denn das Militär wehrt sich gegen die Rückkehr der PTI an die Macht“, so Kugelman. Das wecke zurecht die Sorge vor Wahlmanipulationen.
Unterstützung des Militärs
Die ersten Ergebnisse der Wahlkommission änderten die Prognosen zugunsten der Pakistanischen Muslimliga (PML-N) unter Führung des Altpolitikers Nawaz Sharif. Am Freitagnachmittag lagen Sharifs Muslimliga (PML-N), Imran Khans PTI-Kandidat:innen und die von der Bhutto-Familie geführte Volkspartei (PPP) fast gleich auf.
Nawaz Sharif galt im Vorfeld als Favorit. Der 74-Jährige, der erst kürzlich aus dem britischen Exil zurückgekehrt war, scheint die Unterstützung des Militärs zu haben. Er wurde von Korruptionsvorwürfen freigesprochen – ähnlich schwer wie die im Fall von Imran Khan.
Das Szenario verwundert nicht. Um seinen Machterhalt zu sichern, hat das Militär in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass missliebige Kandidaten:innen nicht zur Wahl antreten konnten. Die Auszählung der Stimmen wurde kontrolliert und manipuliert. Zudem wurden Anreize für Politiker:innen geschaffen, politisch die Seiten zu wechseln.
„Mehr als drei Jahrzehnte direkter Militärherrschaft – und indirekter militärischer Kontrolle – haben Pakistans Erfahrungen mit der Demokratie völlig zerstört“, sagte sich Patricia Gossman, stellvertretende Asien-Direktorin von der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Es werde hart gegen die Opposition vorgegangen, Medien und Kritiker:innen würden bedroht. Die Aufrechterhaltung einer zivilen Regierung diene jedoch den Interessen des Militärs.
Gunst des Militärs
Bei dem Urnengang vor sechs Jahren hatte Khan noch die Gunst des Militärs genossen. Doch als er begann den Sicherheitsapparat zu kritisieren, wurde er durch ein Misstrauensvotum abgesetzt. Seitdem hat er das Land polarisiert.
Seine aus vielen jungen Menschen bestehende Anhängerschaft hat bei dieser Wahl dennoch überrascht: Teils unbekannte PTI-unterstützte Kandidat:innen werden, aktuellen Teilergebnissen zufolge, mindestens 49 von 266 Sitzen in der Nationalversammlung erhalten. Allerdings sind sie offiziell unabhängig und nicht verpflichtet, parteipolitisch abzustimmen. Parteiwechsel sind derzeit noch möglich.
Die Regierungsbildung wird das nicht leichter machen. Die Gefahr eines Machtvakuums gibt Anlass zur Sorge – insbesondere angesichts einer Wirtschaftskrise und Sicherheitsbedrohungen. Diese gehen von militanten Gruppen aus, mit denen die neue Führung konfrontiert sein wird.
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