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Parlamentswahl in ItalienRechte und EU-Kritiker vorne

Die Parlamentswahl hat viele Gewinner, aber keinen klaren Sieger hervorgebracht. Nicht nur deshalb birgt das Wahlergebnis Unsicherheiten für Europa.

Viel los in den Kabinen: Die Wahlbeteiligung lag laut Innenministerium bei rund 73 Prozent Foto: ap

Rom dpa | Europakritische und rechte Parteien haben bei der Parlamentswahl in Italien mehr als die Hälfte der Stimmen auf sich vereint. Doch weder das vorne liegende Mitte-Rechts-Bündnis von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi noch die starke Fünf-Sterne-Protestpartei können laut Hochrechnungen alleine das wirtschaftlich angeschlagene Land regieren. Die historische Schlappe der regierenden Sozialdemokraten dürfte am Montag eine Debatte darüber entfachen, ob Matteo Renzi Chef der Partei PD bleibt.

Die Fünf-Sterne-Bewegung als stärkste Einzelkraft triumphierte in der Wahlnacht. „Jetzt müssen alle mit uns reden“, sagte Alessandro Di Battista, der in Italien zu den bekanntesten Köpfen der Bewegung zählt. Er sprach von einem „Triumph“ und einer „wahren Vergöttlichung“, sollten sich die Berechnungen der Meinungsforscher bestätigen. Die Fünf Sterne, die ohne Bündnispartner ins Rennen gegangen waren, liegen nach Hochrechnungen für den Sender La7 bei 33,6 Prozent im Senat und bei 32,5 Prozent im Abgeordnetenhaus.

Vor allem im Süden entschied die Fünf-Sterne-Bewegung die Wahl für sich. Im Norden dominierte das Mitte-Rechts-Bündnis. Innerhalb der Allianz wurde Berlusconis konservative Forza Italia von der rechten Lega-Partei überholt – ein Erfolg für Matteo Salvini, der der Partei als Chef mit fremdenfeindlichen Parolen in der Migrationskrise Gehör verschafft hatte. „Von den Italienern zum Mitte-Rechts-Anführer gekrönt“, twitterte die Lega in der Wahlnacht. Parteivize Giancarlo Giorgetti sprach von einem „historischen Moment“. Doch auch für die Lega ist es alles andere als ausgemacht, dass sie in den Regierungspalast einzieht.

Denn mit 36,5 Prozent im Senat und 37,3 Prozent in der Kammer dürfte das Bündnis die notwendigen Mehrheiten verpassen, wie aus den Hochrechnungen hervorgeht. Davon entfallen in der Abgeordnetenkammer 17,5 Punkte auf die Lega und nur 14,2 Punkte auf Forza Italia, der Rest auf zwei kleine Rechtsparteien.

„Krasse Niederlage“ für Renzis PD

Salvini wollte sich wie der Chef der Sozialdemokraten Renzi am Montag zum Wahlausgang äußern. Die Regierungspartei PD um Ministerpräsident Paolo Gentiloni fuhr den Hochrechnungen zufolge einen historisch schlechten Wert ein und verlor wichtige Direktmandate in Hochburgen wie der Toskana oder Umbrien.

Das Magazin L'Espresso schrieb von der „dunkelsten Stunde für die italienische Linke“. Renzis Vize Maurizio Martina sagte in der Wahlnacht, die PD habe eine „sehr eindeutige und sehr klare, eine krasse Niederlage“ erlitten. Den Hochrechnungen zufolge kam die PD nur 18,3 Prozent im Senat und auf 18,7 Prozent in der Kammer. Der PD-Fraktionschef Ettore Rosato sah seine Partei schon auf dem Weg in die Opposition.

Eine Mehrheit im Parlament zu bekommen, werde für alle Parteien schwer, „wenn nicht unmöglich sein“, erklärte Wolfgango Piccoli von der Denkfabrik Teneo. „Eine lange Zeit des Kuhhandels zwischen den Parteien steht bevor.“ Populistische und euroskeptische Parteien kämen zusammengenommen auf rund 50 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag laut Innenministerium bei rund 73 Prozent, etwas unter dem Wert von 2013.

Die Fünf Sterne sind für ihre Fundamentalopposition bekannt und bezeichnen sich als weder rechts noch links sowie als unabhängig und anti-elitär. Lange Zeit trat die 2009 vom italienischen Kabarettisten Beppe Grillo gegründete Bewegung für ein Referendum zum Verbleib in der Euro-Zone ein, dieses Vorhaben legte sie aber mittlerweile zu den Akten. Obwohl die Partei Koalitionen traditionell ausschließt, scheint sie nun Lust aufs Regieren bekommen zu haben. „Eines geht sicher aus diesen Daten hervor: Nämlich dass die Fünf Sterne der Eckpfeiler der nächsten Legislaturperiode werden“, sagte der Sterne-Abgeordnete Alfonso Bonafede. Bei der Parlamentswahl 2013 hatte die Bewegung auf Anhieb 25,6 Prozent der Stimmen geholt.

Am 23. März kommen die beiden Kammern des Parlaments zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Erst danach beginnen eventuelle Koalitionsverhandlungen. Mit dem unklaren Wahlausgang zeichnet sich dabei eine Hängepartie ab – und es wird wahrscheinlicher, dass Gentiloni bis auf Weiteres regieren wird. Falls sich die Parteien nicht auf ein Regierungsbündnis einigen können, muss Staatspräsident Sergio Mattarella Neuwahlen ausrufen.

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17 Kommentare

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  • 6G
    64662 (Profil gelöscht)

    Und wie die politische und wirtschaftliche Situation in Italien mit dem Euro und dem deutschen Exportnationalismus zusammenhängt, das ist dann hoffentlich Thema eines weiteren Artikels! ;)

    • @64662 (Profil gelöscht):

      Warum, die wirtschaftlichen Probleme sind größtenteils hausgemacht.

       

      Auch wenn es immer wieder laut beklagt wird, die Probleme der italienischen Wirtschaft sitzen nicht in Berlin, nicht in Frankfurt und auch nicht in Bruxelles, sondern in Rom.

      • @Sven Günther:

        //blog.zeit.de/herdentrieb/files/2013/10/Lohnstueckkosten_2000Q4-2013Q2.gif

         

        Exporte, Lohnstückkosten - alles weist drauf hin, dass Deutschland teilweise besch... und teilweise kursbedingte Vorteile bekommen hat.

        • @agerwiese:

          Aber auf jeden Fall hat der Euro der deutschen Wirtschaft geholfen, da er weicher ist als die DM.

           

          Das ist aber überhaupt kein Problem Italiens.

      • 6G
        64662 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        Verzeihung, aber Sie haben offensichtlich wesentliche Zusammenhänge nicht verstanden! Ein guter Artikel zum Thema wäre daher um so nötiger.

        • @64662 (Profil gelöscht):

          Schöne Taktik anderen Leuten Unkenntnis zu unterstellen, selbst aber kein einziges Argument vorzubringen.

           

          Probleme Italiens: Bankensektor, Milliarden an faulen Kredit vergeben, die nun ausgefallen sind. Italien tut aber fast nichts gegen das Problem, sondern rettet die Banken immer wieder mit einer kreativen Auslegung der Bankenunion.

          Die Banca Popolare di Vicenza und Veneto Banca brauchten letztes Jahr 6,4 Milliarden Euro, die Monte dei Paschi hat insgesamt weit mehr als 16 Milliarden erhalten, ist aber nur noch 3,56 Milliarden an der Börse wert und macht jedes Jahr weiter Verluste.

           

          Schuld: Mangelhafte Bankenaufsicht, Banca d' Italia.

           

          Korruption: Italien hat gewaltige Probleme sowohl im öffentlichen wie im privaten Sektor. Lt. CPI Ranking ist Italien 60, das ist hinter Rumänien.

          https://www.transparency.de/korruptionsindizes/cpi-2016/cpi-ranking-2016/?L=0

           

          Bürokratie: Italiens öffentliche Verwaltung ist extrem langsam und ineffizient. Rahmenbedingungen für Unternehmen in Italien: //http://www.doingbusiness.org/rankings

           

          Italien wieder hinter Rumänien.

           

          Staatsverschuldung: Egal welche Regierung hat die Staatsverschuldung inzwischen auf 133% des BIP getrieben, so gesehen wird der Staat immer weiter in seinen Optionen beschränkt. Auch ein Grund sind die viel günstigeren Zinsen für Italien, seitdem es im Euro ist.

           

          Von demographischen Problemen, schlecht geführten staatlichen Unternehmen und einer Politik aus dem Li-La-Launebär Land, fange ich gar nicht erst an.

          • 8G
            83379 (Profil gelöscht)
            @Sven Günther:

            Sie verstehen ihren Kritiker falsch, das Deutschland und seine bösen Exporte schuld sind an allen wirtschaftlichen Problemen ist keine Frage von sachlichen Argumenten, genauso wie der Teufel hinter allem bösem im Mittelalter steckt, steckt Deutschland hinter der europäischen wirtschaftlichen Misere.

          • 6G
            64662 (Profil gelöscht)
            @Sven Günther:

            Sie haben sicherlich auch keine Schwierigkeiten zu erklären, was alle anderen Euro-Staaten, die in Schwierigkeiten sind, falsch gemacht haben?

            Und noch eine Frage, so ganz am Rande: Deutschlands Exportüberschuss betrug laut Reuters im letzten Jahr etwa 287 Milliarden Dollar. Sind Sie der Ansicht, dass es erstrebenswert wäre, wenn jedes Land Exportüberschüsse erwirtschaften würde?

            • @64662 (Profil gelöscht):

              Wieder mit keinem Wort ein Argument zu Italien. Ich habe ihnen ganz konkrete Punkte zu den Problemen in Italien genannt.

               

              Das jedes Land Exportüberschüsse erwirtschaftet, ist volkswirtschaftlich unmöglich, aber die Handelsbilanz ist auch nur ein Teil der Leistungsbilanz. Italien profitiert zu. B. von den vielen deutschen Urlaubern, in der Kapitalbilanz.

               

              Und wie überleben eigentlich Länder wie Österreich oder die Niederlande? Im Euro und der EU und das böse Deutschland vor der Haustür...

              • 6G
                64662 (Profil gelöscht)
                @Sven Günther:

                "Das jedes Land Exportüberschüsse erwirtschaftet, ist volkswirtschaftlich unmöglich"

                 

                Richtig! Und wenn sich das endlich ein wenig herumsprechen würde, dann wären wir schon einen Schritt weiter! Deutschland betreibt Merkantilismus. Und die Länder in der Eurozone können sich nicht durch Abwertung ihrer Währung oder Zölle wehren, was in den nächsten Jahren die Eurozone sprengen dürfte. Die USA hingegen können sich wehren und tun das ja nun offenbar auch.

                 

                Zu einzelnen Euroländern möchte ich mich nicht äußern, weil Details nebensächlich sind. Deutschland hat sich vorsätzlich nicht an das vereinbarte Inflationsziel gehalten (-> "Agenda-Politik") und damit schwer Foul gespielt! Eine Währungsunion kann so nicht funktionieren! Das Leben wie vieler Millionen Menschen wurde dadurch massiv verschlechtert? Die Angelegenheit ist in meinen Augen ein Fall für die Justiz!

                • @64662 (Profil gelöscht):

                  Italien erwirtschaftet aber auch einen Exportüberschuss, der ist zwar wesentlich geringer als der von Deutschland. Aber Italien hat keine negative Handelsbilanz.

                  http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/italien-erwirtschaftet-exportueberschuss-von-52-milliarden-euro-a-1134927.html

                   

                  Merkantilismus setzt eine aktive Zollpolitik und eine Behinderung von Importen voraus. Deutschland kann nichts davon gegenüber Italien betreiben, da EU Wirtschaftsraum und Zollunion so etwas verhindern.

                   

                  Und es ging nicht um andere EU Staaten, es ging um italienische Probleme. Ich habe verschiedene aufgelistet und ihre einzige Antwort ist immer, Deutschland ist schuld.

                  • 6G
                    64662 (Profil gelöscht)
                    @Sven Günther:

                    Ich kann und mag hier jetzt keine Romane schreiben. Bitte schauen Sie sich dieses Video an:

                    https://www.youtube.com/watch?v=CoUZb3H7v64

                     

                    (Falls Sie die Bemerkungen zum Brexit nicht interessieren, dann können Sie die ersten 5 Minuten überspringen)

                    • @64662 (Profil gelöscht):

                      Schon wieder ein Neokeynsianer mit Vorstellungen von der Weltregierung, das tu ich mir dann doch nicht an.

                      • 6G
                        64662 (Profil gelöscht)
                        @Sven Günther:

                        Ok. Alles was man wissen muss, steht ja ohnehin in den Zeitungen!

                         

                        Einen schönen Tag noch!

                        • @64662 (Profil gelöscht):

                          Es wäre nicht nötig gewesen einen Roman zu schreiben. Italien, ebenfalls Handelsüberschuss und dazu zwei Sätze hätten gereicht.

                           

                          Und natürlich steht nicht alles in der Zeitung, aber nur weil einer eine Habilitation geschafft hat, heißt es nicht das er Recht hat.

                           

                          Bernd Lucke ist z.B. auch Professor für Makroökonomie.

                          • @Sven Günther:

                            Seven Günther , Sie führen die mangelhafte Bankenaufsicht, Banca d' Italia als großes Problem an. Quantitativ führen Sie hierzu die Unterstützungszahlungen der EU Bankenunion von 6,4 Mrd. an Banca Popolare di Vicenza und Veneto Banca, sowie 16 Mrd. an die Monte dei Paschi an. In der Summe 22,4 Mrd. EURONEN. Das vom SPD Finanzminister Peer Steinbrück in 2009 eingebrachte Finanzmarktstabilisierungsgesetz zur Rettung deutscher Versicherungen und Banken hatte ein Volumen von sage und schreibe 480 Mrd. EURONEN.

                            Da sind die 22,4 Mrd. die die Italiener zur Rettung ihrer Banken aufwenden, wahrlich Peanuts.

                             

                            Unsere deutschen Exportüberschüsse im Zusammenhang mit dem harten Euro ist mit Sicherheit der wesentliche Faktor am Niedergang der italienischen Industriestandorte und Arbeitsplätze.

                             

                            Wer diese schrill läutenden Alarmzeichen heute immer noch nicht hört, wird spätestens dann wach werden, wenn die Movimento Stella (M5S) in Italien die Volksabstimmung über den Verbleib im Euro einläutet. Wenn das so weiter geht, werden wir unsere Produkte uns selber verkaufen müssen.

  • Italien war schon immer integrierbar und von Korruption zerfressen. Die neue Regierung wird genauso wenig erreichen wie die alte. Aber die Zukunft sieht heller aus: die GroKo wird den italienischen Schlendrian ja wohl über zusätzliche Europa-Mittel weiter finanzieren, und Draghi tut seinen Teil.