Parlamentswahl in Finnland: Die Angst vor dem Niedergang
In Finnland hat am Sonntagmorgen die Parlamentswahl begonnen. Die Rezession im Land dürfte dazu führen, dass bald ein Millionär neuer Ministerpräsident wird.
HELSINSKI ap | Das wirtschaftlich angeschlagene Finnland wählt am Sonntag ein neues Parlament und den amtierenden Regierungschef voraussichtlich ab. Die Abstimmung findet inmitten einer seit drei Jahren andauernden Rezession in dem skandinavischen Land statt, die Ministerpräsident Alexander Stubb arg in Bedrängnis gebracht hat.
Die Arbeitslosenquote liegt mit zehn Prozent auf dem höchsten Stand seit zehn Jahren, jedoch noch niedriger als in der gesamten Eurozone, in der 11,3 Prozent der Menschen ohne Job dastehen. Umfragen zufolge ist es wahrscheinlich, dass der Millionär und Unternehmer Juha Sipilä neuer Chef der Regierung wird.
Stubb, dessen konservative Nationale Sammlungspartei in Umfragen um den zweiten Platz kämpft, hat sich für drastische Budgetkürzungen ausgesprochen, um steigende Schulden unter Kontrolle zu bekommen. Sein Rivale Sipilä von der oppositionellen Zentrumspartei hält Stubbs Pläne, in den kommenden vier Jahren sechs Milliarden Euro von Haushaltsdefiziten zu streichen, für unrealistisch.
„Wir glauben, drei Milliarden sind genug“, sagte Sipilä während der abschließende TV-Debatte der Parteichefs am Donnerstag. Stubb sagte dagegen dem finnischen Nachrichtensender MTV News: „Ich denke, unsere ökonomische Basis, unser Sozialsystem, ist ausreichend stabil. Jetzt müssen wir Wachstum und Jobs schaffen.“
Stubbs Hauptbündnispartner
Der millionenschwere Geschäftsmann Sipilä hat sich erst vor vier Jahren der Politik zugewandt. Seine Partei repräsentiert Landbesitzer, Bauern und Förster. Ein möglicher Koalitionspartner könnten die Sozialdemokraten sein, die derzeit Stubbs Hauptbündnispartner sind – oder gar die Partei des amtierenden Regierungschefs selbst.
Der Joker in dem Rennen um die Mehrheit könnte die rechtspopulistische Partei Die Finnen sein. Diese ist europa- und einwanderungskritisch. Parteichef Timo Soini möchte unter anderem, dass Griechenland aus dem Euroraum ausscheidet. Umfragen sehen die Partei wie diejenige von Stubb bei rund 16 bis 17 Prozent, während Sipiläs Zentrumspartei mit gut 24 Prozent der Stimmen rechnen kann.
Die wirtschaftliche Situation in Finnland hängt mit dem Niedergang von Nokia zusammen. Der finnische Konzern zog im Rennen um Smartphones gegen Apple und Samsung den Kürzeren und verkaufte im vergangenen Jahr seine kränkelnde Mobiltelefonsparte an Microsoft. Zudem hat der wichtige Forstwirtschaftssektor wegen zunehmender Digitalisierung mit einer sinkenden Nachfrage nach Papierprodukten zu kämpfen.
Analysten glauben, dass sich die Lage der finnischen Wirtschaft weiter verschlechtern dürfte, bis die Politik eine klare Reformstrategie gefunden hat. „Finnland fehlt es an der Vision, eine politische Führung mit einem Blick dafür, wie das Land vorwärtskommt“, sagt der Ökonom Sixten Korkman von der Aalto-Universität. „Im Augenblick können wir nicht wirklich eine strahlende Zukunft sehen.“
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